Die Ankündigung von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), die Videoüberwachung auszuweiten, stellt für die Datenschutz-NGO epicenter.works einen „massiven Angriff auf die Grundrechte dar“. Nach dem umstrittenen Beschluss des Bundestrojaners wolle das Innenministerium scheinbar sofort den nächsten Schritt gegen die Privatsphäre der Bevölkerung setzen, so die Kritik am Montag.
Karner hatte am Sonntag angekündigt, dass die Videoüberwachung statt wie bisher an 20 künftig an einer dreistelligen Anzahl von Plätzen eingesetzt werden könnte. Das soll durch einen neuen Erlass möglich werden. Bisher kann Videoüberwachung nur an öffentlichen Orten eingesetzt werden, an denen gefährliche Angriffe bereits stattgefunden haben. Der neue Erlass soll diese Option auf Orte erweitern, wo „aufgrund der sicherheitspolizeilichen Lageeinschätzung und einer Gefährdungsprognose Anhaltspunkte für zukünftige gefährliche Angriffe oder erkennbare kriminelle Strukturen gegeben sind“.
Von epicenter.works gab es dazu heftige Kritik: Die allermeisten Menschen auf den über 100 künftig überwachten öffentlichen Plätzen hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen und würden trotzdem in ihrem Alltag überwacht. Gerade in Zeiten von KI sei automatisierte Gesichtserkennung sehr einfach für Sicherheitsbehörden geworden. „Damit können im Innenministerium auf Knopfdruck Bewegungsprofile der Bevölkerung oder auch von Demonstrationen erstellt werden“, so die Datenschützer.
Vorgehen für NGO „beispiellos überschießend“
„Ein solches Vorgehen in der Sommerpause des Nationalrats – ohne konkrete Begründung, ohne wissenschaftliche Evidenz, ohne vorherige Debatte und nur mittels eines einseitigen Erlasses des Innenministeriums – ist beispiellos überschießend“, betonte Datenschutzexperte Thomas Lohninger. „Videoüberwachung im öffentlichen Raum braucht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in jedem Einzelfall, statt eines Befehls des Innenministers zur Ausweitung.“
Die NGO verwies auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur Section Control, wonach eine durchgehende Überwachung des öffentlichen Raums sich negativ auf Grundrechte auswirken und verfassungswidrig sein könne. „Die Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz zur Videoüberwachung lassen jede Sensibilität für Grundrechte vermissen“, so epicenter.works.
Eine saubere Rechtsgrundlage für KI-gestützte Gesichtserkennung fehle ebenso wie ein zeitgemäßer Rechtsschutz. Die Datenschützer forderten dringend eine Reform der Gesetze, nicht zuletzt wegen der „bereits überfälligen“ Umsetzung des AI-Acts der EU. Kritik gab es auch an den Koalitionsparteien SPÖ und NEOS, die „in der Opposition jahrelang starke Kritiker derartiger Überwachungsfantasien der ÖVP“ gewesen seien und nun „in der Regierung alle ihre bisherigen Positionen aufgegeben zu haben“.
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