"Cretu"-Anklage

Brandanschlag auf Prostituierte kein Mordversuch?

Österreich
01.03.2011 16:05
Im Wiener Straflandesgericht ist am Dienstag der Prozess gegen einen 30-jährigen Zuhälter eröffnet worden, der im vergangenen Mai - zusammen mit zwei Komplizen - eine 36-jährige Prostituierte in Wien-Favoriten mit Diesel übergossen und angezündet haben soll. Der muskelbepackte Hauptangeklagte Bogdan N. alias "Cretu" (Bild) steht aber überraschenderweise nicht wegen versuchten Mordes vor Gericht, da die Staatsanwaltschaft dafür offenbar zu wenig "Vorsatz" ortet.

Verwunderung löste zudem die Tatsache aus, dass zwei der Angeklagten von Anwälten derselben Kanzlei vertreten werden, obgleich sich diese gegenseitig massiv belasteten.

"Ich bin sehr friedlich, man kann das überprüfen", versicherte der übertrainierte Bogdan N., er habe die Prostituierte nur einschüchtern wollen: "Ich wollte ihr nur Angst machen." Zum Feuerzeug gegriffen habe sein mitangeklagter Cousin, den die Staatsanwältin als willfährigen Handlanger "Cretus" beschrieb. Daneben hatte sich auch "Cretus" Chauffeur vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Karin Beber) zu verantworten - er soll auf "Cretus" Auftrag hin eine Plastikflasche mit der brennbaren Flüssigkeit aus dessen Auto geholt haben, damit jener in der Diskothek "Fantastique" seine Bestrafungsaktion durchführen konnte.

Staatsanwaltschaft glaubt nicht an Tötungsabsicht
Die Anklage lautet nicht auf versuchten Mord, obwohl die Frau lebensgefährliche Verletzungen erlitten hatte. "Natürlich fragt sich jetzt jeder: Ist das nicht ein versuchter Mord? Aber man muss ja den Vorsatz beurteilen. Ich glaube nicht, dass sie vorhatten, diese Frau zu töten, und auch nicht, dass sie sich während der Tat damit abgefunden haben, dass sie stirbt", erläuterte Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel. Sie habe das Trio daher wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen - Strafdrohung: ein bis zehn Jahre Haft - angeklagt.

Die Prostituierte war seit Längerem auf der Linzer Straße ihrem Gewerbe nachgegangen und hatte sich beharrlich geweigert, "Cretus" finanziellen Forderungen nachzukommen. Als sie am 16. Mai 2010 nach Mitternacht mit zwei Kolleginnen die Disco "Fantastique" aufsuchte, soll der Zuhälter laut Anklage beschlossen haben, sie zu bestrafen.

Befehl: "Zünd sie an!"
Gemeinsam mit seinem Cousin soll er die Frau zunächst mit Schlägen in ein Zimmer befördert und mit den Worten "Willst du endlich zahlen? Du schuldest mir bereits 3.000 Euro" das Geld verlangt haben. Als die Rumänin neuerlich verneinte, soll ihr "Cretus" Cousin auf den Befehl "Zünd sie an!" zunächst die Haare angesengt haben. Danach schickte "Cretu" seinen ebenfalls anwesenden Chauffeur los, um die Flasche Diesel zu holen.

Wer die Frau mit der Flüssigkeit übergossen hatte, blieb in der Verhandlung bisher unklar. Während "Cretu" seinen Cousin belastete, versicherte dieser, der andere habe das erledigt und auch zum Feuerzug gegriffen. Auch das Opfer selbst, das im Vorfeld kontradiktorisch einvernommen wurde und inzwischen das Land verlassen hat, hatte das Attentat "Cretu" zugeschrieben.

Brandanschlag als "typisches Denkzettel-Geben"
Jener stellte das wortreich in Abrede: "Ich? Warum? Ich bin Nichtraucher. Wahrscheinlich hat man ihr Geld angeboten, dass sie sagt, ich habe sie angezündet und nicht der Zweitangeklagte." "Cretu" bestritt auch die im Raum stehende Tötungsabsicht: "Hätten wir was Schlimmeres machen wollen, hätten wir sie von der Straße weggebracht und in den Wald gebracht und niemand hätte etwas gemerkt." Das deckte sich mit der Verteidigungsstrategie seines Verteidigers Rudolf Mayer, der betonte, die inkriminierte Tat sei "das typische Denkzettel-Geben in diesem Milieu".

Interessenskonflikt der Verteidiger?

Erstaunen löste bei einigen Prozessbeobachtern der Umstand aus, dass "Cretu" von Rechtsanwalt Rudolf Mayer vertreten wurde, während der in derselben Kanzlei tätige Strafverteidiger Philipp Winkler "Cretus" Cousin rechtsfreundlich beistand. Die beiden Angeklagten belasteten sich wechselweise massiv, was zumindest in den Augen von Außenstehenden die Frage aufwarf, ob damit bei Mayer und Winkler kein Interessenskonflikt gegeben war, die einen der beiden dazu bewegen hätte müssen, auf sein Mandat zu verzichten.

Das Opfer hatte laut Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich zweit- und drittgradige Verbrennungen im Gesicht, Kopf- und Halsbereich, an der Brust und an den Händen erlitten. 13 Prozent der Körperoberfläche waren verbrannt. Die Expertin schätzte, dass die Frau 30 bis 60 Sekunden in Flammen stand, ehe es ihr gelang, die Flammen einzudämmen. Beim Löschversuch verbrannten auch ihre Hände. Die Schwere der Verletzungen bezeichnete Friedrich als lebensgefährlich.

Auf die Frage der Richterin, ob die Angeklagten mit dem Tod der Frau rechnen mussten, erwiderte die Medizinerin: "Wenn 40 bis 50 Prozent der Haut verbrennen, haben 50 Prozent der Betroffenen eine Überlebenschance. Je jünger diese sind und je kleiner die betroffene Oberfläche ist, desto größer die Überlebenschance."

Die Verhandlung wird am 14. März fortgesetzt.

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