Betroffene berichten

Flutkatastrophe: „Und dann kam das Wasser …“

Österreich
24.07.2021 19:15

Unzählige Österreicher verloren durch die Flutkatastrophe ihr Hab und Gut. Nicht zum ersten Mal, wie mehrere Halleiner der „Krone“ berichten. Und eine Familie aus der Wachau erzählt über dramatische Stunden in ihrem überschwemmten Haus: „Letztlich hat uns die Flugpolizei mit Seilen daraus gerettet.“

Renate und Herbert Wohlmuther waren am 17. Juli in der Wachau auf Urlaub und saßen gerade in einer gemütlichen Buschenschank, als sie von Nachbarn per Handy erste Videos von der Flutkatastrophe in Hallein geschickt bekamen. „Von da an blieben wir natürlich ständig mit ihnen in Kontakt.“ Und das Ehepaar musste in der Folge aus der Ferne in Echtzeit mit ansehen, wie sein Haus mehr und mehr in den Wassermassen verschwand.

„Am nächsten Morgen sind wir dann natürlich sofort heimgefahren.“ Das Bild, das sich der Arzthelferin und dem Gemeindebediensteten dort bot, „ist grauenhaft gewesen“. Das Untergeschoß des Gebäudes, der Garten davor - voll Schlamm.

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Es wird wahrscheinlich Monate dauern, bis die Schäden behoben sind.

Renate und Herbert Wohlmuther über das Ausmaß der Flutkatastrophe

„Seit Tagen sind wir dabei, den Dreck wegzuräumen“, erzählen die beiden 55-Jährigen, „und daraus zu retten, was noch zu retten ist.“ Und das sei wenig. Zahlreiche Elektrogeräte, die wertvolle Krippensammlung des Mannes, seine Werkzeuge, teure Weine, die erst vor zwei Jahren neu eingerichtete Stube - „weggeschwemmt oder kaputt“. Die Mauern nass: „Es wird wahrscheinlich Monate dauern, bis die Schäden behoben sind.“

Damals, bei der Flut 1976, als Herbert Wohlmuther ein Jugendlicher war und das 1681 errichtete Haus noch seinen Eltern gehörte, „war die untere Ebene eine kleine Ewigkeit nicht bewohnbar.“ Die Hoffnung von ihm und seiner Frau: „Dass diesmal die Trockenlegung schneller vorangeht.“ Schuld an dem Drama wollen die zwei Salzburger niemandem zuweisen, nicht der Klimaveränderung, nicht fehlenden Bachregulierungsmaßnahmen: „Denn ein Unwetter ist ein Naturereignis. Gegen das wir Menschen wehrlos sind. Wie 1976 ...“

„Hatte fürchterliche Angst davor, ertrinken zu müssen“
Hilde Schönwetter steht am Balkon ihres Hauses am Rande von Hallein und schaut verzweifelt auf ihren völlig zerstörten Garten. Unzählige Einrichtungsgegenstände liegen nun dort im Schmutz, Verwandte der 78-Jährigen und Helfer aus der Gemeinde sind dabei, sie zu entsorgen. Die Frau und ihr Lebensgefährte Ferdinand Gruber (83) hatten sich im Fernsehen gerade einen Donna-Leon-Film angesehen, „als wir plötzlich merkten, dass der Regen immer stärker, die Lage dramatischer wird“, das Wasser laufend steigt.

„In meiner Panik zu ertrinken habe ich schließlich bei der Polizei angerufen“, erzählt die Pensionistin, „zwei Beamte schlugen sich dann zu uns durch und blieben hier, um uns im Notfall schnell aus dem Gebäude bringen zu können. Aber zum Glück blieb der Pegel irgendwann ,stehen‘.“ „Nun mache ich schon zum dritten Mal mit, dass mein halbes Haus zerstört wurde“, schluchzt Hilde Schönwetter. 1976, 2002 - und jetzt: „Von jeder Flut, die bei uns stattfand, war ich extrem betroffen.“

Die Schäden wären stets enorm gewesen: „Von meiner Versicherung wurden immer nur Teile davon abgedeckt. Das wird wahrscheinlich auch diesmal so sein. Wenn ich vom Katastrophenfonds kein zusätzliches Geld bekomme, weiß ich nicht, wie ich die Reparaturarbeiten bezahlen soll. Denn mein Partner und ich sind Mindestrentner. Und außerdem gesundheitlich nicht mehr in der Lage, selbst anzupacken.“

„Schwimmend retteten wir uns ins Stiegenhaus“
Ingo Holba (54) und Otwin Poick (55) leben seit Langem Tür an Tür, im Mezzanin, in einer Wohnhausanlage in Hallein. Als das Unwetter begann, der Regen laufend stärker wurde, „waren wir mit unseren Frauen daheim, und wir alle hatten einen gemütlichen Abend mit gutem Essen und ein bisschen Fernsehen geplant“.

Otwin Poick erkannte als Erster die dramatische Situation in der Siedlung: „Ich lief in die Tiefgarage, sie war voll Wasser, ich alarmierte noch einige Nachbarn und half ihnen dabei, ihre Autos und Motorräder in Sicherheit zu bringen.“ Doch bald schon „war das nicht mehr möglich, die Flut drang mehr und mehr ein, schwimmend retteten wir uns quasi in letzter Sekunde ins Stiegenhaus“.

Ein Stromausfall. „Der Aufzug war stecken geblieben, er füllte sich rasch mit Wasser, niemand wusste, ob jemand darin war.“ Feuerwehrtauchern gelang es letztlich, die Kabinentür zu öffnen: „Zum Glück befand sich kein Mensch darin.“ Und jetzt sind die beiden Männer dabei, aus ihrem Zuhause Gegenstände zu schleppen, die der Flut zum Opfer gefallen sind. Berge von Waschmaschinen, Sesseln und anderen Möbelstücken liegen mittlerweile vor dem Gebäude zum Abtransport bereit.

Wie 2002, „da war alles genauso“. Otwin Poick wurde von der Flut diesmal, wie er sagt, „doppelt getroffen“. Er ist Laborangestellter in einer Papierfabrik im Ort: „Sie wurde stark überschwemmt. Anfang vergangener Woche bekam ich die Mitteilung, dass ich ab sofort in Kurzarbeit bin ...“

Zehnjähriger appelliert: „Schützt endlich unser Klima“
In der vergangenen Woche war die Flugpolizei Tage hindurch im Dauereinsatz. 17 Hubschrauber sind beinahe im gesamten Bundesgebiet, vor allem in Tirol, Salzburg, Niederösterreich und dem Burgenland, unterwegs gewesen, um Menschen aus den Fluten zu retten; Kollegen am Boden über drohende prekäre Situationen zu informieren - und, wenn nicht anders möglich, Betroffene mit Seilen aus den Wassermassen zu bergen. „36 Frauen, Männer und Kinder“, so Christian Stella, der Leiter der Spezialabteilung, „mussten auf diese Weise in Sicherheit gebracht werden.“

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Ich war so froh, als ich nach zehn Minuten schon einen Hubschrauber über uns hörte.

Der zehnjährige Samuel über seine Rettung

Wie Carolina (80) und Franz Hagel (79) und ihr Enkelsohn Samuel (10) aus Aggsbach in der Wachau. „Es war am 18. Juli, am späten Nachmittag, als das Wasser in unser Haus einzudringen begann“, erzählt das Pensionisten-Ehepaar. Mit dem Buben seien sie deshalb in den ersten Stock geflüchtet. Und der Schüler sei immer mehr in Panik geraten: „Ich will nicht sterben“, schrie er weinend - und alarmierte schließlich per Handy die Polizei. „Ich war so froh, als ich nach zehn Minuten schon einen Hubschrauber über uns hörte.“ Vom Balkon wurden dann er und seine Großeltern „abgeholt“.

„Während des Transports hatte ich keine Angst, ich bin gut angeseilt gewesen, und ein netter Mann hat mich fest umschlungen gehalten“, berichtet Samuel, und dass der anschließende Flug „leider zu kurz gedauert“ habe. Denn er ging bloß zu einem nahe gelegenen Hang, wo Freunde der Hagels wohnen: „Bei ihnen durften wir die Nacht verbringen.“

Bei der Heimkehr am nächsten Morgen „bot sich uns ein Bild der Verwüstung“. Vor allem der Keller - verschlammt. Die neue Heizungsanlage und viele andere Dinge - kaputt. Der Garten - verwüstet. Geschätzter Schaden: 100.000 Euro. Nun wird mithilfe der Familie und der Feuerwehr aufgeräumt. Auch Samuel packt kräftig mit an. Und er hat einen Appell an die Erwachsenen: „Schützt endlich unser Klima.“

Seine Großeltern stimmen ihm zu: „Ja, es gibt Unwetter, von Jugend an haben wir oft welche erlebt. Doch die von heute sind anders. Intensiver, gewaltiger. Das sollte uns allen zu denken geben. Wenn wir das nicht tun und keine adäquaten Maßnahmen setzen, werden noch schlimmere Katastrophen über uns hereinbrechen.“

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