„Krone“-Kolumne

Künstliche Befruchtung für alle?

Kolumnen
15.07.2021 08:00

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller über das (un-)mögliche Ende der Suche nach dem idealen zweiten Elternteil. 

In vielen Ländern ist es bereits möglich: Die künstliche Befruchtung für alle. Meine Sexualitätsstudie zeigte, dass mehr als ein Drittel der Singles im reproduktiven Alter einen Kinderwunsch hat, aber aufgrund des Lockdowns keinen geeigneten zweiten Elternteil kennenlernen konnte. Je lauter die biologische Uhr tickte, umso verzweifelter wurden Singles mit Kinderwunsch in der Pandemie. In anderen Ländern ist das kein großes Problem. Dort müssen ungewollt kinderlose Singles sich nicht krampfhaft in eine (vielleicht nur wenig glückliche) Liebesbeziehung begeben, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Oder mit irgendwem, den sie gerade kennengelernt haben, am Tag des Eisprungs ungeschützt Geschlechtsverkehr praktizieren. In Ländern wie Deutschland, Spanien, Polen oder Dänemark ist es Single-Frauen erlaubt, mithilfe einer Samenspende ein Kind zu zeugen. Auch in Frankreich wurde gerade ein Gesetz beschlossen, das allen Frauen den Zugang zur Reproduktionsmedizin ermöglicht - auch Singles.

In Österreich ist alleinstehenden Frauen eine Schwangerschaft durch Fremdsamenspende bislang gesetzlich verboten. Die Argumente gegen eine künstliche Befruchtung von Single-Frauen sind so naheliegend wie wenig überzeugend. Bekanntlich braucht es ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. Ist da ein Elternteil nicht zu wenig? Und wer wird sich um das Kind kümmern, wenn der Mutter etwas zustoßen sollte? Natürlich ist es wichtig, dass ein Kind liebevolle Bezugspersonen hat. Das müssen aber nicht die biologischen Eltern sein, wie gut funktionierende Patchwork-Familien zeigen. Dazu kommt, dass heutzutage viele Frauen, die eigentlich in einer Partnerschaft Mutter geworden sind, mittelfristig ohnehin allein dastehen. 2020 gab es in Österreich rund 190.000 Ein-Eltern-Familien mit Kindern unter 18 Jahren, der Großteil davon Mütter. Wie viele weitere Mütter in einer Partnerschaft oder Ehe de facto Alleinerzieherinnen sind, darüber sagt die Statistik nichts. Gerüchteweise sollen es mehr als die Ausnahme sein.

So oder so: Ein-Eltern-Familien brauchen ein soziales und meist auch finanzielles Unterstützungsnetzwerk. Ein solches Netzwerk kann man sich vor der Geburt aufbauen - und muss damit nicht bis zu einer möglicherweise konflikthaften Scheidung warten. Genau das verlangen andere europäische Länder teilweise von Single-Frauen, die mittels einer Samenspende ihren Kinderwunsch verwirklichen möchten: Vor Beginn der Samenübertragung in die Gebärmutter muss eine Vertrauensperson unterschreiben, im Notfall das Sorgerecht für das zukünftige Kind wahrzunehmen. Das ist ein großer Schritt, den niemand leichtfertig gehen wird, sind damit doch alle Rechte und Pflichten von Elternschaft verbunden. Aber es kann eben auch eine enge Freundin oder ein Familienmitglied diese zweite „Elternrolle“ ausfüllen - Personen, die ohnehin in der Praxis oft Erziehungsverantwortung wahrnehmen.

Wenn ein zweiter Elternteil nicht und nicht zu finden ist, bleibt österreichischen Single-Frauen mit Kinderwunsch bislang nur der Weg ins Ausland. Single-Männer oder nicht-binäre Personen ohne Gebärmutter können sich ihren Kinderwunsch als Ein-Eltern-Familie nur mit einem Pflegekind oder, unwahrscheinlich, einem Adoptivkind verwirklichen. Das Problem: Verkrampfte Singles Ende 30 mit Kinderwunsch kommen am Partnermarkt nicht so gut an. Alternativen dazu gibt es in Österreich allerdings keine.

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