So würden Zaren fahren

Porsche Panamera in Russland: Hier rollt der Rubel

Motor
23.09.2019 11:00

Wer unerkannt bleiben will unter den Reichen in Russland, der fährt in einer schwarzen S-Klasse. Doch wer seinen Wohlstand legal und aus eigener Kraft erwirtschaftet hat, wählt etwas exaltiertere Autos wie den Porsche Panamera. Bei einer Tour auf der Spur der Zaren zwischen Moskau und St. Petersburg ist das eine gute Wahl.

(Bild: kmm)

Wladimir Larionov sitzt vor seinen Cappuccino und hat gut lachen - selbst wenn er mit dem ersten Schluck gleich die Silhouette des 911 derangiert, die eine Kellnerin kunstvoll mit Kakao auf den Milchschaum gezaubert hat. Doch als Chef des Sportscar Center am Rublyovo Uspenskoye Highway in Moskau kann er sich viele Cappuccini brauen lassen - schließlich ist sein Autohaus nicht nur das größte der 25 Porsche-Outlets in Russland, sondern es zählt mit seinen knapp 13.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche auch zu den größten der Welt. Und der Laden brummt: Zwar ist der russische Automarkt in den letzten Jahren etwas abgekühlt, aber das Luxussegment läuft vergleichsweise stabil, Porsche steht gut da und er selbst kann ohnehin nicht klagen, sagt Larionov. Immerhin schreiben allein seine 16 Verkäufer mehr 1100 Verträge im Jahr und zeichnen damit für rund ein Fünftel des gesamten Absatzes im Land verantwortlich.

Noch vor 20 Jahren wäre das undenkbar gewesen. Denn von ein paar reichen Rasern abgesehen gibt es in Russland keine Sportwagenkultur, sagt Larionov mit Blick auf die schlechten Straßen und die langen Winter. Nicht umsonst macht der Anteil von 911 und 718 an seinen Verkäufen gerade einmal zehn Prozent aus. Aber seitdem die Schwaben mit dem Cayenne und dem Macan im SUV-Geschäft mitmischen und vor zehn Jahren mit dem Panamera auch noch eine Alternative zu den etablierten Limousinen geschaffen haben, sitzt er oft im Barbereich seines Autohaues und schlürft Cappuccino mit künftigen Kunden.

Gerade der viertürige Gran Turismo bedient eine Nische, die bei den Oligarchen sehr beliebt ist, sagt Larionov. Zwar mag die S-Klasse die unangefochtene Nummer eins sein in der Luxusliga sein, aber deshalb ist sie auch vergleichsweise unauffällig. „Wer sich und seinen Reichtum verstecken muss, der nimmt den Mercedes in dezentem Schwarz. Aber wer seinen Wohlstand legal und aus eigener Kraft erwirtschaftet hat, der fährt immer öfter in einem Panamera vom Hof“, freut sich der Händler und übergibt den Schlüssel für einen Mamba-grünen Panamera GTS - schließlich will er aller Welt zeigen, wie hier der Rubel rollt.

Immer in der ersten Reihe
Schon auf den breiten Prachtstraßen in Moskau fällt der giftgrüne Viertürer auf. Nicht dass man mit der Leistung viel anfangen könnte im ständig stockenden Verkehr entlang der Moskwa oder um den Kreml, und die vielen Frostaufbrüche, Schlaglöcher und Abschnitte mit Kopfsteinpflaster sind nur in der weichsten Fahrwerkseinstellung zu ertragen. Doch dafür sind einem alle Blicke sicher, selbst die allgegenwärtigen Uniformträger drücken beim Fotostopp mal ein Auge zu und während der Türsteher vor dem noblen Baltschug Hotel jede S-Klasse nach dem Aussteigen wieder wegscheucht, darf der sportliche Sonderling aus Stuttgart das ganze Wochenende in der ersten Reihe parken.

Wirklich interessant wird es aber auf der rund 700 Kilometer langen Autobahn nach Sankt Petersburg. Sie ist nagelneu und ersetzt eine quälend langsame Bundesstraße, die voll ist mit Lastern und Ladas und das Fortkommen mit zahlreichen Ortsdurchfahrten erschwert. Die neue Strecke dagegen ist schnurgerade, nach ein paar Autobahnkreuzen am Stadtrand Moskaus tut sich nicht mehr viel und weil die meisten Autofahrer zu geizig sind für die Maut oder sie sich nicht leisten können, ist man mutterseelenalleine unterwegs. Und während einen auf der Landstraße so ziemlich alles und jeder begegnet und man bisweilen über Frostaufbrüche und Schlaglöcher rumpelt, in denen die Breitreifen fast verschwinden, ist der Asphalt auf der M11 glatt wie das Tischtuch im vornehmen Café Puschkins zurück in Moskau.

„Jahre her, dass ich mal einen Polizisten bestechen musste“
Kein Wunder, dass man versucht ist, die 460 Pferde unter der Haube traben zu lassen und auszuprobieren, ob der V8 tatsächlich an der 300er-Marke kratzt, wie es Porsche verspricht. Dumm nur, dass selbst hier nicht mehr als 130 km/h erlaubt sind - und das sind schon 40 Sachen mehr als auf den meisten anderen Straßen zwischen den beiden wichtigsten Städten im Land.

Also doch Bleifuß und Vollgas? Die Strafen mögen drakonisch sein, doch mit Yandex ist man dagegen gut gewappnet, sagen sie bei der Übergabe des Testwagens. Denn die App, mit der man wie bei Uber das Shuttle ruft und zugleich navigiert, kennt jede von den Hunderten Speedcams und warnt präzise - und die Bremsen des Panamera haben ja genügend Biss. Deshalb haben Schnellfahrer auf der neuen Autobahn ein leichtes Leben: Angst vor persönlichem Kontakt mit den Ordnungshütern jedenfalls müsse man seit der Polizei-Reform nicht haben, so die Entwarnung in der gut gefüllten Tiefgarage. In Moskau sind Uniformen zwar omnipräsent. Auf dem Land sieht man sie dafür umso seltener. „Es ist Jahre her, dass ich mal einen Polizisten bestechen musste“, sagt der Porsche-Mann und bestätigt mit unschuldigem Lächeln das Klischee des Oligarchen-Staates: Wenn der Rubel rollt, geht beinahe alles und kein Porsche muss sich ans Limit halten.

Taycan ist hier ein Ladenhüter
Zumal es entlang der neuen Autobahn auch genügend Tankstellen gibt. Zumindest für Cayenne oder Panamera, selbst wenn Larionov darüber stöhnt, dass Porsche die in Russland so beliebten Diesel aus dem Programm genommen hat. Wenn ab dem nächsten Jahr auch der Taycan dazu kommt, dann wird es schon etwas schwieriger. „Denn Elektromobilität ist in Russland kein Thema“, räumt Larionov ein, der die Ladesäule für die Plug-In-Hybriden nur auf Geheiß aus Stuttgart aufgestellt hat. Verkaufen kann er die Autos quasi nicht: Es gibt keine Infrastruktur, dafür aber umso mehr Öl und Gas im eigenen Land und obendrein ziemlich strenge Winter - nicht die besten Voraussetzungen für die Mobilitätswende. Kein Wunder also, dass Tesla gerade einmal 50 Autos im Jahr verkauft und dass selbst der angesagte Taycan als neues Spielzeug der Superreichen nur wenig Zuspruch findet. Gerade einmal 150 Exemplare werden nach Russland gehen, und während der Stromer überall sonst offenbar hoffnungslos überzeichnet ist, sind im Reich des Zaren erst zwei Drittel der Tranche verskauft.

Also bleibt noch genügend Zeit, den V8, sein dumpfes Grollen und die Kanonenschläge beim Schalten zu genießen. Aber so gut sich die Strecke fahren lässt, so sehr hält sich der touristische Reiz der Route in engen Grenzen. Sieht man einmal vom fast schon romantischen Weliki Nowgorod mit seinem riesigen Kreml und dem Flussufer voller Kirchen ab, hat das platte Land mit seinen endlosen Wäldern in etwa den Charme der Uckermark oder der niedersächsischen Tiefebene. Aus gutem Grund haben schon die Zaren damals lieber die Bahn genommen als die Kutsche. Aber die kannten ja auch noch keinen Panamera!

Benjamin Bessinger/SPX

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(Bild: kmm)



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