Kaum ist das heiß ersehnte Konzert der Backstreet Boys in Wien über die Bühne gegangen, veröffentlicht Howie D gleich ein neues Soloalbum. Darin erinnert sich der 45-Jährige an seine harte Kindheit, viele Missverständnisse und das Großwerden in Florida mit puerto-ricanischen Wurzeln. Im „Krone“-Gespräch gab der Kultmusiker Einblick in seine Gedankenwelt.
Über den Terminus „Boys“ kann man nach 26 Jahren Karriere sicher streiten, doch die Arena füllen die Backstreet Boys noch immer mühelos. Zuletzt geschehen auch in Wien, wo die rund 15.000 Tickets in der Wiener Stadthalle schon nach wenigen Stunden bis auf den letzten Platz verkauft waren. Eine Mischung aus Nostalgie, Neugierde und niemals endender Liebe spülte unterschiedlichste Generationen in den 15. Wiener Gemeindebezirk, um die etwas hüftsteif choreografierte Show mit ihren großen Hits nach allen Regeln der Mitsing- und Tanzkunst abzufeiern. „Die Medien lieben uns heute, wir werden in den Radios gespielt und unser aktuelles Album ,DNA‘ wird von den Fans gut angenommen. Für uns ist die Gegenwart ein Segen“, verrät Boygroup-Fünftel Howie Dorough der „Krone“ im Gespräch.
Retro-Feeling
Ungefähr 20 Jahre braucht es, bis ausgelutschte Trends wieder aktuell werden. Das merkt man nicht nur daran, dass Bands wie die Backstreet Boys, Take That oder die fast original reformierten Spice Girls wieder für Begeisterung sorgen, sondern auch weil man wieder stolz Buffalos trägt und das Bauchtascherl eine Renaissance feiert - auch wenn man es sich neuerdings um die Schulter schwingt. Das Florida-Quintett war schon damals an der Speerspitze einer ganzen Genre-Phalanx, daran hat sich auch im Retro-Wahn nichts verändert - ebensowenig wie an den Typen, die dahinterstecken. „Ich bin der, der warmes Latino-Flair in die Band bringt, AJ ist der Bad-Boy-Rocker, Nick der Warmherzige, Kevin der Erwachsene und Brian hält irgendwie alles zusammen. Auch wenn wir älter sind, Familien haben und sich das Leben verändert, sind wir im Kern immer noch die gleichen Typen.“
Das Familienleben steht auch beim mittlerweile 45-jährigen Howie an der Spitze seins Seins. Mit „Which One Am I?“ veröffentlicht er dieser Tage sein zweites Soloalbum und lässt dabei tief in seine eigene Vergangenheit blicken, die nicht immer friktionsfrei über die Bühne ging. So verlor er etwa seine Schwester Caroline 1998 an der Autoimmunerkrankung Lupus, Vater Hoke erlag zehn Jahre später nach der Diagnose Lungenkrebs einem Gehirntumor. Neben all dem privaten Glück des glücklich verheirateten, zweifachen Familienvaters, breitete sich auch immer ein Schatten über die Existenz des Howie D. „Es ist ja strenggenommen mein zweites Soloalbum und das ich mit zwei Kindern gesegnet bin, hat nicht nur meine Musik, sondern auch mich und meine Gedankenwelt nachhaltig verändert. Die Kids waren eindeutig die größte Inspiration für das Album und sind auch aktiv am Album beteiligt.“
Frühe Missverständnisse
Sohn James etwa kann man im Video zur Single „No Hablo Español“ sehen. Für Howie ist dieser Track prägend, weil er weit zurück in seine eigene Kindheit geht. „Darin geht es um das Missverständnis, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe immer auf Spanisch angesprochen wurde. Dabei haben wir daheim nie so geredet und ich beherrsche die Sprache noch nicht einmal. Für mich war das damals eine große Belastung, weil es zwar niemand böse meinte, aber immer mitschwang, dass ich einfach nicht dazugehöre.“ Howie hat puerto-ricanische und irische Wurzeln, wuchs in Orlando auf und war zeit seines Lebens mit derartigen Vorkommnissen konfrontiert. Orientiert hat sich Howie damals an seinem frühen Idol Ricky Martin, den er nicht nur gesanglich, sondern auch optisch folgen wollte. Als er für die Latin-Boyband Menudo gecastet wurde und es nicht schaffte, stellte es eine Zäsur für den Jungspund dar. Erstmals merkte er, dass es nichts bringt, sich anpassen zu wollen.
Songtitel wie „Back In The Day“, „Monsters In My Head“, „Shy“ oder „The Me I’m Meant To Be“ zeigen eindeutig, dass sich der tanzende Sänger sehr stark mit den Tücken seiner Vergangenheit auseinandersetzt und dabei auch musikalisch melancholischer vorgeht als man es bei seinem Hauptarbeitgeber gewohnt ist. „Die Bedeutung des Albums ist für mich, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden - das versuche ich auch meinen Kids zu vermitteln. Es wird dabei immer wieder Hindernisse und Probleme geben, aber du darfst dich nicht beirren lassen, musst dein Ziel verfolgen und so positiv wie möglich bleiben. Behandle Menschen einfach so, wie auch du von ihnen behandelt werden willst. Das ist eine einfache und wirkungsvolle, aber offenbar schwer umzusetzende Botschaft, die sich jeder zu Herzen nehmen sollte. Tust du in dieser Welt etwas Gutes, dann wird dir auch garantiert Gutes widerfahren.“
Neue Selbstsicherheit
Für Howie D war der Schreibprozess nicht zuletzt deshalb eine Erlösung, als dass er einige der dicken „Packerl“, die er lange auf seinem Lebensweg schultern musste, damit ablegen konnte. „Heute wünsche ich mir, dieses Album schon viel früher geschrieben und im eigenen Leben wesentlich standhafter gewesen zu sein. Diese Selbstsicherheit hatte ich früher nicht, was okay ist, mich aber im Nachhinein trotzdem ärgert. Der Song ,Shy‘ etwa ist programmatisch für mich - ich lerne Monate nach dem Schreib- und Aufnahmeprozess noch immer sehr viel von diesem Album, bin aber im realen Leben immer noch schüchtern und sorge mich viel zu sehr um Dinge, die sich oft gar nicht verändern lassen. Ich lerne auch jeden Tag von meinen eigenen Kindern dazu - vor allem Geduld“, fügt er lachend an, „Selbstlosigkeit ist aber das Wichtigste. Als Entertainer wirst du Tag und Nacht mit Aufmerksamkeit überschüttet und es fällt auch mir manchmal schwer, nicht exzentrisch und egoistisch zu sein. Kinder sorgen aber in jedem Fall dafür, die richtige Balance im Leben zu finden.“
Die richtige Balance hat Howie D auch musikalisch gefunden - in seiner Lebensmitte ist er gleich in zwei Projekten engagiert, die ihm Freude und Kurzweil bereiten, denn auch bei den Backstreet Boys stehen die Zeichen gut für eine möglichst goldene Zukunft. „Es wird weitere Alben und auch weitere Touren geben. Derzeit sind wir als Band noch zwei Jahre unterwegs, werden dann hoffentlich gleich noch ein Studioalbum aufnehmen und für einige Shows nach Las Vegas zurückkehren. Solo möchte ich, wenn die Zeit bleibt, aber auch einige Livetermine wahrnehmen.“ Mit dem Album „Which One Am I?“ hat er aber auch anders geartete Ziele. „Das Album hat so nebenbei auch ein Musical inspiriert. Im Großen und Ganzen dreht es sich um meine Kindheit, wie ich aufgewachsen bin, zu den Backstreet Boys kam und nun schleichend immer mehr zu meinen Wurzeln zurückkehre. 2020 wird es in Omaha, Nebraska die Premiere geben - wenn es gut klappt, können wir auch über Europa nachdenken.“
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