Beschimpft, belästigt

Jede dritte Frau erlebte bereits Gewalt im Netz

Web
11.10.2018 07:47

Der Fall Sigi Maurer zeigt: Beleidigungen und sexuelle Belästigungen sind für viele Frauen im Netz alltäglich. Einer aktuellen Umfrage zufolge erlebte jede dritte Frau (32 Prozent) innerhalb des letzten Jahres zumindest einmal Gewalt im Internet. Vor allem mit Beschimpfungen und Beleidigungen (23 Prozent) und sexuell anzüglichen Mitteilungen (elf Prozent) waren die Nutzerinnen konfrontiert.

Das ist das Ergebnis einer von Sommer 2017 bis Frühling 2018 unter anderem vom Weißen Ring durchgeführten repräsentativen Online-Umfrage unter 1018 Mädchen und Frauen. Die Opferhilfe-Organisation fordert deshalb mehr Prävention: „Das Allerwichtigste ist die Prävention - und zwar früh, spätestens in der Volksschule“, so Bundesgeschäftsführerin Dina Nachbaur am Mittwoch im Rahmen einer Veranstaltung zum Thema „Gewalt im Netz gegen Frauen und Mädchen“. „Es geht auch darum, was man im Netz von sich zeigen möchte. Das Thema ist aktueller denn je, weil man so schnell eine so große Öffentlichkeit hat. Diese Themen muss man mit den jungen Leuten besprechen“, sagt Nachbauer. Betroffene sollten sich an Beratungsstellen wenden. Wichtig sei im Fall jeglicher Gewalt auch, alles ganz genau zu dokumentieren.

„Du bist hässlich“ ist nur eine von zahllosen Beleidigungen, mit denen manche Jugendliche im Netz konfrontiert werden. (Bild: stock.adobe.com)
„Du bist hässlich“ ist nur eine von zahllosen Beleidigungen, mit denen manche Jugendliche im Netz konfrontiert werden.

Suche nach Tätern gestaltet sich schwer
Die Nachverfolgung der mutmaßlichen Täter gestaltet sich allerdings nicht leicht. „Es ist eine technische und eine rechtliche Frage, was man alles herausfinden kann“, sagt Nachbaur. Anhand der IP-Adresse werde versucht, festzustellen, wer etwa hinter Nachrichten steckt. „Das ist mit großem technischen Aufwand verbunden. Man kann das auch nicht bei allen Delikten gleichermaßen ermitteln, also nicht bei jeder Art von Beschimpfung. Erst ab einer bestimmten Dringlichkeit und Gefährlichkeit, etwa bei Fällen von Grooming, wenn Männer zu Minderjährigen sexuelle Kontakte anbahnen, funktioniert das sehr schnell, dass der Name und die Adresse von demjenigen herausgefunden wird, der das war.“

(Bild: stock.adobe.com)

Beim aktuellen Fall der Ex-Grünen-Abgeordneten Sigrid Mauer, die obszöne Nachrichten an sie öffentlich gemacht hatte, und am Dienstag nicht rechtskräftig selbst verurteilt wurde, sei es „grundsätzlich das Problem gewesen, dass es eine Nachricht von einem Sender an eine Empfängerin war. Im österreichischen Strafrecht handelt es sich erst um eine Beleidigung, wenn es ein Mindestpublikum gibt, wenn andere Leute das wahrnehmen können“, erläutert Nachbaur. Auch unter den Strafbestand der sexuellen Belästigung fallen solche Nachrichten nicht. „Vom Strafrecht her war diese Nachricht, so schlimm sie auch war, nicht fassbar. Darum haben wir bei unserer Befragung nicht nur das Strafrecht einbezogen, denn es ist natürlich schwere Gewalt gegen eine Frau“.

Sigi Maurer (Bild: APA/ROBERT JAEGER, twitter.com, krone.at-Grafik)
Sigi Maurer

„Würde des Menschen verletzt“
In Deutschland sei der Strafbestand der Beleidigung beispielsweise anders ausgeformt. „Da reicht eine Nachricht von einer Person an eine andere, wenn sie die Würde des Menschen verletzt“, erklärt Nachbaur. Jedes andere Strafgericht könne in so einem Fall anders entscheiden, es sei die Frage, welches Strafgesetz die Basis ist. Daran seien die Behörden gebunden. „Man müsste das gut fassen und wirklich gut in einen Gesetzestext bringen“, meint Nachbaur in Hinblick auf eine mögliche Gesetzesverschärfung. 

„Dass es auch nicht ‘nur‘ eine Beleidigung ist, sondern eine Beleidigung, die die Würde betrifft. Das ist eine ganz andere Dimension. Wenn das wirklich die Würde des Menschen verletzt, dass es in irgendeiner Form strafbar sein soll. Ich denke, es wäre auch eine Möglichkeit, es bei der sexuellen Belästigung unterzubringen.“

(Bild: stock.adobe.com)

Falsches Frauenbild
Jene Täter, die sich zum Beispiel im Internet abfällig über bestimmte Personengruppen äußern und damit den Strafbestand der Verhetzung erfüllen, „denken sich einfach nicht viel dabei“, sagt Nachbaur. „Die glauben, es ist sozusagen ihr freies Recht, dass sie auch mal ihre Meinung sagen. Dass man damit andere kränkt und sich auch strafbar macht, ist denen nicht im Geringsten bewusst. Wenn man aber individuell einer Frau solche Nachrichten schickt, dann ist das nicht Gedankenlosigkeit, sondern ein Frauenbild, das dahintersteckt, eine Respektlosigkeit und eine Missachtung sondergleichen.“

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