Bis zu 1.000 Menschen knotzen sich hinter ihm in die Sitze, schmökern in Lesbarem oder vertreiben sich sonstwie die Zeit. Ganz vorne ist er – der Lokführer. Pardon: Triebfahrzeugsführer heißt der Job heutzutage. Allein sitzt er im Führerhaus. Er ist Herr über die gewaltigen Kräfte, die so viele Waggons ziehen. Ein Jumbo-Pilot transportiert ein Dorf, der Lokführer eine kleine Stadt. Exakt 754 Steirer üben den Beruf des Triebfahrzeugsführers aus – der Brucker Gerhard Fink (49) ist einer davon.
73 Mal rund um die Welt
Unsere Bahn wird immer mehr zum politischen Spielball. Ein gewaltiges Unternehmen mit gewaltigen Problemen. Gerhard Fink ist – wie so viele andere in diesem mächtigen Transport-Apparat – eines jener Rädchen, ohne die dieser nicht rollen kann.
3,5 Millionen Kilometer im Führerstand der Lok. Er ist Eisenbahner – und stolz darauf. "Was da oben passiert, kann ich ohnehin nicht beeinflussen. Ich mach meinen Job – und helfe anderen, wenn der für sie zum Problem geworden ist!" Wie schnell das passieren kann, hat er selbst erlebt.
"Es war zwischen Graz und Puntigam. Der Mann hatte sich hinter einem Mast versteckt, ist plötzlich herausgesprungen und hat die Arme ausgebreitet. Ich sehe das lachende Gesicht noch vor mir – später habe ich herausgefunden, dass es sich um einen kranken Menschen, der aus dem LNKH entsprungen war, gehandelt hat. Selbstmord! Leider passiert so etwas in unserem Job immer wieder. Da bohrt sich etwas ins Herz und in den Kopf – und da braucht man Hilfe."
Reiz der Verantwortung
Gerhard Fink ist einer von den Starken. "Jede Fahrt ist ein Erlebnis", sagt er. "Ich bin schon Tausende Male über den Semmering gefahren, aber es ist immer anders."
Vielleicht hat's ihm auch selbst geholfen: "1997 habe ich mich entschlossen, dem ÖBB-Interventionsteam beizutreten. Man hat damals Lokführer gesucht, die bereit sind, Kollegen nach außergewöhnlichen Ereignissen beizustehen. Mich hat das Psychologische interessiert. Wenn einer nach einem dramatischen Vorfall sagt: 'Es passt eh alles', muss man auf die Zwischentöne achten. Meistens passt gar nichts und der Hilfeschrei hängt ungehört im Raum. Da braucht man viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Es geht um Kollegen und du willst ihnen helfen, die Last, die sie bedrückt, abzulegen."
Klar ist, dass es nur eine Ersthilfe sein kann. "Wenn ich erkenne, dass das Problem tiefer liegt und Worte sinnlos sind, schlage ich die Brücke zur professionellen Hilfe." Gerhard Fink ist Lokführer mit Leib uns Seele. "Es ist vor allem die hohe Verantwortung, die mich am Job reizt. Ich trag sie gern!"
Zug zur Uni
Wenn es die Zeit erlaubt, geht der 49-Jährige auf die Grazer Uni. "Fünf Semester Psychologie hab ich bereits geschafft, aber es wird noch dauern, bis ich fertig bin. Der Beruf hat Vorrang – da bleibt meist nicht viel Zeit für die Vorlesungen!" Gut Ding braucht Weile – aber irgendwann wird's so weit sein, dann ist er der "Doktor Lokführer"...
von Werner Kopacka, "Steirerkrone"
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