Mur als Stausee

Neues Kraftwerk soll Graz in grüne Oase verwandeln

Steiermark
25.10.2009 16:40
Die Energie Steiermark plant in der Landeshauptstadt ein Wasserkraftwerk an der Mur. Das Projekt hat offenbar Potential: Denn durch das Aufstauen der Lebensader im Grazer Stadtgebiet soll neben zusätzlicher Energiegewinnung eine wahre Wohlfühloase entstehen. "Steirerkrone"-Redakteur Ernst Grabenwarter hat sich den Entwurf zum 87-Millionen-Euro-Projekt ganz genau angeschaut.

"Die Zukunft von Graz kann man bauen", sagt Oswin Kois in Anlehnung an ein Zitat des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry. Kois ist der neue starke Mann der Energie Steiermark (EStAG). Und er hat ganz konkrete Vorstellungen, wie die Zukunft der Murmetropole aussehen könnte. Wer einmal in München an der Isar spazieren gegangen ist, wisse, was seine Vision sei: Kois denkt an neue Spazier- und Radwege entlang der Mur, Cafés in Ufernähe, strandähnliche Uferlandschaften, Aussichtsboote - kurzum: die Mur als attraktives Naherholungsgebiet. Und alles, was es dazu bräuchte, sei ein Wasserkraftwerk.

Graz bekäme völlig neues Outfit
Wie die "Krone" berichtete, will die EStAG im Süden von Graz (auf der Olympiawiese, südlich der Grünangersiedlung, zwischen der Puntigamerbrücke und dem Puchsteg) ein solches Kraftwerk errichten. Fest steht: Gelangt das Projekt zur Umsetzung, wird sich das Gesicht der Mur und damit der steirischen Landeshauptstadt von Grund auf verändern. Der Flusspegel würde ansteigen (um zweieinhalb Meter beim Augarten, im Bereich der Staumauer um sechseinhalb Meter), die Mur würde bis in die Innenstadt aufgestaut.

Obwohl seit Ende letzten Jahres mit Hochdruck an dem Projekt gearbeitet wird, drang bis dato nur wenig an die Öffentlichkeit. Jetzt wird's erstmals konkret: Kürzlich wurde von einer Jury einer von mehreren Entwürfen des Kraftwerks ausgewählt, der nun öffentlich präsentiert wird (das auf den ersten Blick durchaus ansprechende Konzept stammt vom Architekturbüro Pittino-Ortner). Ein Schau-Kraftwerk soll es werden, das der erneuerbaren Energie (Biomasse, Wind- und Wasserkraft sowie Photovoltaik) eine Bühne bietet. "Hier soll Energie erlebbar gemacht werden", erklärt der EStAG-Chef.

Geplante Fertigstellung im Jahr 2015
Der Zeitplan für die Umsetzung steht: Für die Projekteinreichung ist der Juli nächsten Jahres avisiert. Bis spätestens Oktober 2013 hofft man, die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv durchlaufen zu haben. Hält der Zeitplan, könnte noch 2013 mit dem Bau begonnen werden und das Kraftwerk Ende 2015 nach rund zwei Jahren Bauzeit in Betrieb gehen. Bis dahin ist's jedenfalls noch ein langer und wohl auch steiniger Weg...

Naturschützer mit Bedenken
Naturschützer haben ernsthafte Bedenken an dem Projekt angemeldet. Für die EStAG sind die bisher geäußerten Einwände jedoch nicht nachvollziehbar: Erstens sei kein "ursprünglicher oder geschützter Naturraum" betroffen, betont Kois, der für den Fall, dass es zu einer Umsetzung kommt, eine Redimensionierung des ebenfalls in Planung befindlichen Groß-Gaskraftwerks in der Puchstraße in Aussicht stellt. Zweitens würde das Projekt gar "eine Aufwertung des ökologischen Ist-Zustandes" bedeuten (siehe letzter Absatz und Daten & Fakten).

Unstrittig ist, dass ein Aufstauen der im Dornröschenschlaf vor sich hindämmernden Mur eine große Chance für die Stadtentwicklung ist. Vieles wäre möglich. Die EStAG will die Grazer daher miteinbeziehen, einen offenen Dialog suchen. Und das sind keine leeren Worte: Eine Bezirkstour hat bereits begonnen; am 9. November steigt in der Grazer Seifenfabrik eine große Info-Veranstaltung; und Mitte November werden "Mur-Vor- und Nachdenker" (gemeint sind Bürgerinitiativen, Vereine und andere Gruppierungen) auf der Grazer Murinsel die Gelegenheit haben, sich aktiv einzubringen.

Wasserqualität: "Aufwertung des Ist-Zustandes"
Derzeit gibt es im Bereich der Radetzkybrücke einen Notüberlauf. Ist das Grazer Kanalsystem - etwa bei Hochwasser - überlastet, fließt dort Fäkal-Wasser in die Mur. Die Stadt Graz muss hier handeln und plant daher seit Längerem die Errichtung eines neuen, großen Hauptsammelkanals - dessen Realisierung bislang an der Finanzierung scheiterte. Im Zuge des Kraftwerkbaus könnte dieser nun sozusagen "in einem Aufwaschen" und unter finanzieller Beteiligung der EStAG errichtet werden. Die Wasserqualität der Mur würde sich dadurch natürlich verbessern. Aus diesem Grund spricht die EStAG von einer "Aufwertung des Ist-Zustandes".

Daten & Fakten

  • Insgesamt will die EStAG 87 Millionen Euro in das Projekt "Murkraftwerk Graz" investieren.
  • Das Kraftwerk würde 20.000 Grazer Haushalte mit Strom versorgen.
  • Während der zweijährigen Bauphase würden 1.500 Arbeitsplätze geschaffen.
  • Um den ökologischen Ist-Zustand zu erheben, wurden 30 Gutachten in Auftrag gegeben (Gewässerökologie, Pflanzen, Luft, Lärm, Grundwasser, Wildökologie u.a.).
  • Überlegungen, in Graz ein Wasserkraftwerk zu bauen und gleichzeitig die Mur zu attraktivieren, gibt es seit mehr als zwei Jahrzehnten.
  • Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) hat sich für das Projekt ausgesprochen. Auch die Grazer Sozialdemokraten haben sich bereits dazu bekannt. Zudem unterstützt ein überparteiliches Proponenten-Komitee ("Ja zum Murstrom") das Projekt.
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