Studie zu Novelle

Glücksspiel: Länder sollen Grenzen nicht ausreizen

Österreich
29.06.2010 15:12
Das neue Glücksspielgesetz, das in Kürze vom Bundesrat abgesegnet werden soll, regelt das Automatenspiel neu. Auf der einen Seite werden die Höchsteinsätze und -gewinne vervielfacht, auf der anderen Seite soll die Spielsucht durch schärfere Kontrollen und Begrenzung der Gerätezahl eingedämmt werden. Nach Ansicht des Instituts für Höhere Studien hat der Bund mit der "unbedingt notwendigen" Novelle lediglich einen Rahmen geschaffen - "wir appellieren an die Länder, restriktiver vorzugehen als vom Bund vorgegeben", sagte IHS-Chef Bernhard Felderer am Dienstag.

Bisher ist das sogenannte kleine Glücksspiel nur in Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten erlaubt. Trotzdem gebe es in Österreich "fast so viele illegale wie legale Automaten", so Felderer. In Tirols und Vorarlbergs Hinterzimmern stünden nach neuen Schätzungen je 750 Geräte, in Salzburg 2.500 und im Burgenland 1.000.

"Komischerweise", so Felderer, hätten aber auch die "Verbotsländer" Abgaben für illegale Automaten eingenommen. Das IHS geht davon aus, dass von 17.937 Automaten 6.840 oder 38 Prozent keine Lizenz haben. Hinzu kämen 1.810 Geräte des Monopolisten Casinos Austria. "Wenn Sie in Kärnten in ein Gasthaus gehen und keinen Automaten finden, haben Sie Glück gehabt", so Felderer. Künftig will auch Oberösterreich das Zocken an "einarmigen Banditen" legalisieren. Evaluiert wird auch in Salzburg und Tirol. Lediglich in Vorarlberg dürfte es beim Verbot bleiben. Momentan gehen aus dem kleinen Glücksspiel jährlich etwa 100 Millionen Euro an den Fiskus, künftig sollen es 150 bis 170 Millionen Euro werden, hofft man im Finanzministerium. Das IHS rechnet lediglich mit 100 bis 120 Millionen Euro.

Mehr als 500 Millionen Euro Erträge
Das kleine Glücksspiel hat sich in den vergangenen zehn Jahren rasant entwickelt. Bereits 42 Prozent der Bruttospielerträge aller Glücks- und Wettspiele kommen von Automaten. 2009 verdienten die Betreiber legaler und illegaler Geräte laut IHS 508,8 Millionen Euro. Die Erträge aus Lotto und Video-Lotterie-Terminals beliefen sich auf 600,5 Millionen Euro. Hier sei zu bedenken, dass die Automaten 88 Prozent der Einsätze wieder ausspucken, bei den Lotterien liege die Auszahlungswahrscheinlichkeit bei rund 50 Prozent, so Felderer. 

Das Online-Zocken kommt trotz des Booms in den vergangenen Jahren erst auf Bruttospielerträge von 94,5 Millionen Euro, Sportwetten auf 142,9 Millionen Euro. Die klassischen Spielbanken nahmen im Vorjahr 64,5 Millionen Euro ein, die Casinos Austria verdienten mit ihren Automaten 124,3 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren ist der Anteil an den Spielerträgen der Casinos-Automaten von 39 Prozent (2003) auf 19 Prozent (2008) gesunken, jener der illegalen Geräten hingegen von 27 auf 35 Prozent gewachsen.

Spielsüchtige haben im Schnitt 41.600 Euro Schulden
Auf der einen Seite könne man das Glücksspiel nicht verbieten, weil es sonst in die Illegalität abwandere, auf der anderen Seite entstehe, wenn das Zocken erlaubt ist, "bei manchen Individuen der Drang, noch mehr zu spielen", so Felderer. In Österreich seien 1,5 Prozent der Erwachsenen spielsüchtig, 3 bis 4 Prozent gefährdet. Aus Sicht der Spielsüchtigen habe das Automatenzocken weitaus das größte Risikopotenzial.

Die Folgen des pathologischen Spielens sind gravierend. Im Schnitt haben Spieler Schulden von 41.600 Euro, von 517 befragten Personen in Behandlung wurden 16 Prozent kriminell, mehr als jeder Fünfte hat seinen Arbeitsplatz verloren. 71 Prozent haben zumindest eine weitere psychische Störung, 10,7 Prozent Suizidgedanken und 3,7 Prozent haben schon einen Selbstmordversuch unternommen. Hinzu komme, dass Glücksspiel eine "soziale Bias" habe - je geringer Bildung und Einkommen, desto eher wird an Automaten gezockt.

Gesetzgeber müssten nicht an die Grenzen gehen
Felderer ruft nun die Länder auf, in Hinkunft schärfer zu kontrollieren und bei Höchsteinsätzen und -gewinnen und der maximalen Automatenzahl nicht unbedingt an die Grenzen zu gehen. Künftig beträgt der Höchsteinsatz bei Automaten in Spielsalons 10 Euro statt bisher 50 Cent, der mögliche Gewinn 10.000 statt 20 Euro. Einzeln aufgestellte Geräte dürfen mit 1 Euro pro Spiel gefüttert werden und maximal 1.000 Euro ausschütten. 

Die Zahl der Automaten wird laut IHS auf 6.969 begrenzt, wobei auf 1.200 Einwohner nur mehr ein Gerät kommen darf, in Wien beträgt das Verhältnis 1:600. Im Schnitt soll damit in Österreich auf 1.000 Einwohner nur mehr ein legaler Automat kommen, bisher waren es 1,7, errechnete das IHS. Zum Vergleich: In Australien sind es 24,0, in Italien 6,9, in Norwegen 4,2 und in Deutschland 2,6 Geräte.

Die Übergangsfrist vom "kleinen Glücksspiel" zur neuen Regelung bis 2014 bzw. 2015 (nur in der Steiermark, Anm.) "ist zweifelsohne lange", kritisierte Felderer. In seinen Augen ist es durchaus möglich, schneller umzustellen. Dass die bisherigen "Erlaubnisländer" vom Bund die Steuereinnahmen, um die sie umfallen, nur dann voll ausgeglichen bekommen, wenn sie die Höchstzahl an zulässigen Automaten aufstellen, sei "ein bisschen eine unglückliche Anreizsituation".

Felderer: Länder wollten die Höchsteinsätze
Ob er die Vervielfachung der Höchsteinsätze problematisch findet? Die Novelle sei "das Optimale, was mit den Ländern rausgekommen ist". Der damalige Finanzminister Wilhelm Molterer habe ein strengeres Gesetz durchbringen wollen, sei aber gescheitert, "weil die Länder nicht zufrieden waren". Dem Vernehmen nach hat diesmal vor allem Steiermarks Landeshauptmann Franz Voves auf die Einzelaufstellung in Gasthäusern und die hohen Maximaleinsätze gepocht. Laut Felderer will nur eine "Minderzahl" der Länder, die das Zocken erlauben, restriktiver vorgehen als nötig. Die "Soko Glücksspiel" werde sich wohl zuerst auf die illegalen Automaten konzentrieren. Die Kontrollen, die bisher in Länderhand waren, seien "mehr oder weniger locker" durchgeführt worden, bemängelte der IHS-Chef.

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