Ein Schnellschuss?

Experiment mit Tücken: Nintendo Switch im Test

Elektronik
02.03.2017 14:36

Am Freitag bringt Nintendo seine neue Konsole Switch in den Handel - nur viereinhalb Jahre nach der wirtschaftlich wenig erfolgreichen Wii U. Die Japaner scheinen es eilig gehabt zu haben, ihr Sorgenkind zu ersetzen. Doch dass die Switch der Hit wird, der die Wii U hätte sein sollen, darf bezweifelt werden. In einer Woche Testbetrieb sind uns viele kleine Mängel aufgefallen. Wir hatten aber auch Spaß mit dem Gerät. Lesen Sie hier über unseren Zwiespalt.

Konsolen klassischer Bauart sind bei Nintendo nicht sonderlich beliebt: Nachdem die Japaner mit der Wii die erste Konsole mit Bewegungssteuerung und mit der Wii U die erste mit Touchscreen-Controller auf den Markt gebracht haben, wollen sie nun mit der ersten daheim am TV-Gerät ebenso wie auf Reisen nutzbaren Spielkonsole für Furore sorgen: Nintendo Switch.

Heim- und Mobilkonsole in einem Gerät
Der Schmäh der 330-Euro-Spieleplattform: Die Konsole ist modular, besteht aus einem Tablet-Teil mit abnehmbaren Mini-Controllern, einem Dock für das TV-Gerät sowie einer Plastikhalterung, mit der die Mini-Controller zum vollwertigen Gamepad werden sollen.

Man kann Spiele mit der Nintendo Switch also sowohl daheim am TV-Gerät als auch auf Reisen genießen. Nimmt man die Joycon-Controller ab, nutzt sie einzeln als rudimentäre Gamepads und stellt das Tablet mittels Ständer auf den Tisch, taugt die Switch auch als mobile Multiplayer-Station.

Tatsächlich ist der Übergang fließend und angenehm unkompliziert: Die Switch kann, ohne sie auszuschalten, aus dem Dock genommen und mobil verwendet werden. Die Kernkompetenz, stationäres und mobiles Spielen unter einen Hut zu bringen, ist Nintendo also geglückt.

Solide Hardware mit vielen kleinen Schwächen
Weniger gut geglückt ist den Japanern die Spiele-Hardware an sich. Und das liegt gar nicht so sehr daran, dass man sich als einziger großer Konsolenhersteller für ein Spiele-Tablet auf Basis eines Nvidia-Tegra-Chips entschieden hat, mit dem man beim Leistungswettrüsten mit PS4 und Xbox One schon zum Start das Nachsehen hat. Es liegt an den vielen kleinen Mankos, die dem Gesamtpaket Switch schaden.

Aber zuerst zu den Stärken der neuen Konsole: Ihr mattes Kunststoffgehäuse gewinnt zwar keinen Designpreis, macht aber einen robusten Eindruck, bietet Fingerabdrücken überdies nicht so viel Angriffsfläche wie etwa das Hochglanz-Gamepad der Vorgängerkonsole. Mit insgesamt rund 400 Gramm (Tablet+Joycon-Controller) ist das Gespann leicht genug für unterwegs.

Die (Bewegungs-)Controller sind auch sauber verarbeitet, das 6,2 Zoll große 720p-Display ist blickwinkelstabil und hell genug für drinnen. Draußen spiegelt es freilich trotzdem stark. Die integrierten Lautsprecher des Tablet-Teils bieten klaren Klang.

Der Einrastmechanismus, mit dem die Controller an der Switch befestigt werden, wirkt durchdacht und langlebig. Einzig die Knöpfe, mit denen man bei der Controllerabnahme die Verriegelung löst, sind ein bisserl problematisch: Drückt man sie, erwischt man oft auch die Schultertasten.

Geringe Akkulaufzeit, Zweitladegerät Pflicht
Die Schwächen? Da wäre zum Beispiel die vergleichsweise geringe Akkulaufzeit. Bei unseren Tests kamen wir beim eher hardwareintensiven neuen "Zelda" nicht länger als drei Stunden mit einer Akkuladung aus. Für eine Mobilkonsole ist das recht wenig. Einfachere Spiele soll die Switch zwar länger ausführen können, die Mitnahme eines USB-C-Ladegeräts auf Reisen ist dadurch aber Pflicht.

Da das mitgelieferte Ladegerät über ein Kabelführungssystem ans Dock gekettet ist, sollte man sich dafür ein zweites Ladegerät anschaffen. Wichtig: Das Ladegerät muss mit hohen Volt- und Amperestärken (5V / 2,4A) arbeiten, schwächere Netzteile liefern nicht genug Strom, um gleichzeitig mit der Switch zu spielen und sie zu laden.

Controller nicht übermäßig ergonomisch
Die Joycon-Controller - wir schätzen an ihnen insbesondere ihre präzisen Vibrationsmotoren - sind ebenfalls ein Knackpunkt an der Switch. Sie sind zwar sehr vielseitig nutzbar, allerdings geht das auf Kosten der Ergonomie. Weil alle Bedienelemente hochformatig auf dem linken und rechten Controller untergebracht sind, ergibt sich ein ungewohntes Tastenlayout.

Vor allem der rechte Analogstick sitzt für unseren Geschmack ungünstig weit unten, lässt den Daumen bei längerer Nutzung schnell ermüden. Die Schultertasten sind sehr klein, wirken filigran und bieten - wäre bei Rennspielen fein - keinen Hub, wie man ihn etwa vom Xbox-Gamepad kennt.

Immerhin: Die Verbindungsabbrüche bei kabelloser Nutzung, von der manche anderen Tester berichten, traten bei uns nicht auf. Dass sich Berichte über solche Probleme schon zum Start der Switch häufen, ist aber kein gutes Zeichen.

Joycon-Halterung lädt Controller nicht auf
Wer die Controller in die beigelegte Plastikhalterung steckt, verwandelt sie bei Nutzung am TV-Gerät in einen klassischen Controller. Die Halterung mit ergonomischer Ausbuchtung an der Rückseite macht die Joycon-Gamepads etwas griffiger, aber auch diese Konstruktion hält sich nicht so angenehm wie "ausgewachsene" Gamepads.

Unverzeihlich: Die Halterung hat keinen Ladeanschluss, zum Aufladen muss man die Konstruktion also jedes Mal zerlegen und die Joycon-Controller wieder am Tablet-Teil befestigen. Nett wäre auch ein Kopfhöreranschluss in der Halterung gewesen, wie ihn die Controller von PS4 und Xbox One mitbringen.

Als rudimentäre Mini-Gamepads hinterlassen die Joycon-Controller auch keinen allzu ergonomischen Eindruck. Einzeln sind sie noch winziger, die Analog-Sticks liegen noch ungünstiger und die Mini-Tasten an der Oberseite bzw. Verbindungsschiene sind nicht optimal.

Eine zusätzliche Plastikschiene mit größeren Buttons und Armschlaufe, die an den Joycon-Controllern befestigt werden kann, macht sie eine Spur ergonomischer, das ganze Switch-System aber auch noch etwas kleinteiliger.

Kostenpflichtiges Zubehör verbessert Ergonomie
Immerhin: Die überschaubare Ergonomie der Controller lässt sich umschiffen, indem man den mit 70 Euro nicht gerade günstigen Pro-Controller dazu kauft. Er sieht aus wie ein traditionelles Gamepad und liegt dem Vernehmen nach - testen konnten wir es leider nicht - besser in der Hand. Eine Plastikhalterung mit Ladefunktion wird für 30 Euro angeboten.

Eine weitere Schwäche: Der Ständer am Tablet-Teil der Switch ist sehr filigran und an der rechten Gehäuseseite statt mittig platziert. Dadurch kann er leicht abbrechen, was den darunterliegenden microSD-Kartenleser entblößt. Glücklicherweise kann man den Ständer aber nach so einem Zwischenfall wieder an der Konsole befestigen.

Er hält die Switch aber insgesamt nur unzuverlässig in Position. Schon Erschütterungen bei einer Busfahrt können ausreichen, damit die Konsole umkippt. Dass der Winkel des Ständers nicht verstellbar ist, ist auch suboptimal.

Ohne Dock kein Anschluss am TV-Gerät
Erwähnenswert: Weil der USB-C-Anschluss der Switch an der Unterseite liegt - anders ließe sich das Dock wohl nicht realisieren -, kann man die Konsole unterwegs nicht laden, wenn man sie vor sich auf den Tisch stellen will. Dass kein (micro)HDMI-Ausgang eingebaut ist, sorgt dafür, dass man das Dock mitführen muss, wenn man die Switch mit einem Fernseher verbinden will.

Apropos mit dem Fernseher verbinden: Das Dock, das Nintendo mitliefert, macht einen durchdachten Eindruck, bietet Kabelmanagement und hat überdies zwei USB-Anschlüsse, mit denen man Zubehör aufladen kann.

Ruckler am TV-Gerät beim neuen "Zelda"
Ein Wort zur Performance der Switch: Wir hatten im Test den Eindruck, dass die gebotene Leistung zwar für ein flüssiges mobiles 720p-Spielerlebnis reicht, das neue "Zelda" zum Beispiel bringt die Konsole im TV-Modus bei 1080p-Ausgabe (gerendert wird dem Vernehmen nach in 900p) aber schon ins Schwitzen und sorgt hie und endo selbst Probleme dabei hat, einen umfangreichen Starttitel flüssig auf seiner neuen Konsole laufen zu lassen, könnten Dritthersteller den Aufwand scheuen, opulentere Games auf die Switch zu portieren.

Spielen auf der Switch hat aber auch seine guten Seiten: Die Games auf Speicherkarten brauchen keine Installation und erfreuen das Spielerherz mit kurzen Ladezeiten.

Unfertige Software, kein Tablet-Ersatz
Worüber wir noch keine fundierten Aussagen treffen können: die - prinzipiell recht aufgeräumte und flüssig laufende - Software. Das liegt daran, dass sie während unseres Testzeitraums schlicht noch nicht fertig war. Onlinedienste funktionierten mangels aktiver Server noch nicht, der eShop war noch nicht eingeschaltet und selbst so profane Dinge wie die Unterstützung von microSD-Karten wollte man erst per Update nachliefern.

Hinzu kommt: Außer Spielen kann man mit der Switch zum Start nichts tun. Auf Nintendos proprietärer Software gibt es nicht einmal einen Webbrowser, geschweige denn Streamingdienste wie Netflix oder irgendwelche anderen Anwendungen, die keine Games sind. Damit ist die Switch ein Spiele-Tablet, das "echte" Tablets mit Android oder iOS nicht ersetzen kann.

Man darf davon ausgehen, dass Nintendo hier mit Updates nachbessert, wie man das auch beim Vorgänger Wii U getan hat. Für den Moment bleibt die Software der Switch aber weit hinter dem Potenzial der Hardware zurück.

Wenige Startspiele, hohe zusätzliche Kosten
Und die Spieleauswahl zum Start? Bis auf das neue "Zelda" - ein gelungenes RPG-Epos, an dem Fans der Serie zweifellos viel Freude haben werden - gibt es nur wenige Games wie die Minispielsammlung "1, 2, Switch", "Just Dance 2017" oder eine "Bomberman"-Neuauflage. Bis auf "Zelda" sind also zum Start keine echten Hochkaräter verfügbar. Und Links neues Abenteuer können Wii-U-Besitzer auch auf der Vorgängerkonsole erleben.

Immerhin: In den kommenden Monaten sollen ein paar hochkarätige Spiele für die Switch erscheinen, allerdings kennt man viele von ihnen längst von anderen Systemen. Das Wii-U-Game "Mario Kart 8" beispielsweise erhält ebenso eine Neuauflage wie des RPG-Epos "Skyrim" oder das Farmer-Rollenspiel "Stardew Valley", das PC-Spieler schon seit rund einem Jahr spielen.

Wer mit dem Gedanken spielt, eine Switch anzuschaffen, sollte übrigens neben der noch überschaubaren Spieleauswahl auch die zusätzlichen Kosten bedenken. Ein Pro-Controller für 70 Euro wird für viele Spieler ebenso Pflicht sein wie eine microSD-Karte, um den nur 32 Gigabyte großen internen Speicher zu vergrößern.

Am ökonomischsten ist hier eine 128-Gigabyte-Speicherkarte, wie sie momentan für rund 40 Euro zu haben ist. 256 Gigabyte kosten schon deutlich mehr als 100, mit hoher Geschwindigkeit rund 150 Euro. Ein zweites Paar Joycon-Controller für Mehrspielerpartien kostet 80 Euro, das originale USB-C-Netzteil 30, ein Transporttascherl für ein paar Euro wird für viele User ebenfalls sinnvoll sein.

Fazit: Besser noch warten!
Die Nintendo Switch wirkt in vielerlei Hinsicht, als hätte Nintendo sie besser noch eine Weile reifen lassen sollen. Das zeigt sich bei offensichtlichen Hardware-Designfehlern, geringer Akkulaufzeit und fragwürdiger Ergonomie ebenso wie bei der unfertigen Software, der geringen Performance und Spieleauswahl.

Es mag verführerisch sein, das neue "Zelda" mit in Bus oder Bahn zu nehmen und der Wechsel vom stationären auf mobiles Spielen klappt auch sehr gut. Angesichts der vielen Probleme abseits dieser Kernkompetenz, fehlender Software-Features und des - inklusive Zusatzkosten - stolzen Preises raten wir Interessenten aber, besser noch zu warten und die weitere Entwicklung bei Nintendos Neuer zu verfolgen.

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