„Phobius“

Wiener bekämpfen Ängste in virtueller Realität

Web
28.03.2018 10:50

Sei es Höhe, Spinnen oder das Fliegen - rund ein Viertel aller Österreicher leidet im Laufe des Lebens an einer Angststörung. In Wien hat nun mit Phobius ein im deutschsprachigen Raum einzigartiges Zentrum aufgemacht: Durch die Kombination der effektiven Konfrontationstherapie mit virtueller Realität können Betroffene ihre Phobie in nur wenigen Sitzungen hinter sich lassen.

Entgegen körperlicher Symptome werden psychische Beschwerden wie Phobien in Österreich immer noch bagatellisiert. „Dabei kann eine Angststörung schnell das ganze Leben eines Menschen bestimmen“, sagte der Psychologe Christian Dingemann, der gemeinsam mit dem Gesundheitspsychologen Johannes Lanzinger Phobius gegründet hat. Doch obwohl es inzwischen bewährte Behandlungsmethoden gibt, sucht nur ein Bruchteil der Betroffenen Hilfe.

Bei Phobius kommt etwa die Konfrontationstherapie zum Einsatz, die als wirksamste Behandlungsform bei Phobien gilt. Dabei interessiert den Psychologen nicht weiter, woher die Angst kommt. „Es ist nur wichtig, dass der Klient seine angstbesetzten Gedanken kennt, um mit ihnen umzugehen“, erklärt Lanzinger. Ausschlaggegend ist vielmehr, dass der Betroffene lernt, sich immer intensiver in angstbesetzte Situationen zu begeben und sich dabei zu entspannen - bis die Phobie letztlich von selbst verschwindet. „Das geht in der Regel sehr schnell“, unterstreicht Dingemann.

Weniger Aufwand durch VR
Die Konfrontationstherapie gibt es zwar schon seit den 1960er-Jahren und ihre Wirksamkeit wurde auch in unzähligen Versuchen und Studien mehrfach bestätigt, doch gab es bisher ein großes Problem: Sie ist logistisch extrem aufwendig. So müsste der Therapeut etwa seine Patienten immer wieder in einen Zoo, ein Hochhaus oder gar bei Flügen begleiten, um die Symptome nachhaltig in den Griff zu bekommen. Genau hier kommt bei Phobius die virtuelle Realität - in Form einer eigenen VR-Brille - zum Einsatz, mit der beinahe jeder Phobie mit entsprechenden Programmen ins Auge gesehen werden kann. „Insgesamt sind über 60 Prozent des Gehirns an der Verarbeitung der visuellen Reize beteiligt“, erklärte Dingemann. Das Gehirn kann tatsächlich nicht unterscheiden, ob die Wahrnehmung real ist oder künstlich.

Für die Therapie ist die virtuelle Welt sogar noch besser geeignet als die echte. „Grund dafür ist, dass man in der künstlichen Realität die Angstreize ganz genau dosieren kann“, sagt Lanzinger. Ein Klient mit Höhenangst sieht etwa durch seine Brille, wie er in einer offenen Gondel - wie sie auch Fensterputzer verwenden - an einem Hochhaus immer weiter in die Höhe fährt. Sobald sich die Angst einstellt, stoppt die Gondel und der Betroffene lernt, sich so lange zu entspannen bis die Furcht tatsächlich nachlässt und schließlich verschwindet. Dann geht es weiter stetig in die Höhe. Analog werden einem Spinnenphobiker auf einem künstlichen Tisch immer mehr und immer größere Spinnen gezeigt, die sich auch bewegen.

Schnelle Behandlungserfolge
Der Behandlungserfolg stellt sich meistens sehr schnell ein. Bereits nach der ersten durchgestandenen Konfrontation geht die Phobie deutlich zurück. Insgesamt sind bei Phobius sechs bis acht Einheiten zu jeweils 50 Minuten nötig, um sie zur Gänze zu meistern. Die Psychologen raten ihren Klienten natürlich auch, sich in der Realität angstbesetzten Situationen auszusetzen, um das neue Verhalten nachhaltig einzulernen. „Ich hatte aber auch einen Klienten mit Höhenangst, der unmittelbar nach der Therapie in den Skiurlaub in die Berge fuhr. Er erzählte nachher, dass er sich gewundert hat, dass seine Angst einfach weg war“, so Lanzinger.

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