Das freie Wort

Bäuerin & Bauer allein zu Haus

Sie bekommen keine Preise für Milch, Getreide und Fleisch und für ihre harte Arbeit. Auch die ehemaligen Großbauern und Superpächter gehen reihenweise ein, ökonomisch, klimatisch, meteorologisch, psychologisch und soziologisch. Nebenerwerbsbauern, lebenslang ohne Urlaub, auch nicht trotz Arbeitnehmeransprüche gemäß Urlaubsgesetz, weil die 7-Tage-Verpflichtung im Stall ruft. Die Kinder arbeiten mit, fern des Arbeitszeitgesetzes, bis sie die Landflucht antreten und in den urbanen Speckgürteln anonymisiert untertauchen. Die Zuhausegebliebenen ringen um Partner oder Partnerin. Kein „Heiratsmarkt“ für dieses bäuerliche Nichtleben vorhanden. Die alte verwitwete Bäuerin mit dem alleinstehenden alten Sohn als ewiger Junggeselle, ein weit verbreitetes Beziehungsmuster, welches die schmerzhafte psychologische Innenwelt andeutet. Die süßen Bio-Fotos auf den Prospekten der Lebensmittelkonzerne mit den grünen Komma-99-Preisen sind ein Fake. Das rosa Schweinchen auf goldenem Stroh mit lächelnder Marketing-Frau und einer in Gabalier-Tracht gekleideten Kinderschar gibt es nämlich nur beim Foto-Shooting in einem potemkinschen Bauerndorf. Wachse oder weiche! Kredite und Investitionen amortisieren sich nur für die Banken, nicht für den Hof. Die Bezirksbauernkammern wurden aufgelöst oder zusammengelegt. Die bäuerliche Sozialversicherung wurde in einen neuen Selbstständigenträger migriert. Ratlose Landesräte und Nationalräte, die kein agrarpolitisches Herzblut und keine Visionen für die Dörfer im ländlichen Raum haben. Viele Sprüche über Hochwasserschutz, über digitale Transformation und Ausbau der Glasfaserkabel im Agrarbereich. Das war’s auch schon. Eine gemeinsame EU-Agrarpolitik, die die ungehemmte qualitätslose und klimafeindliche Quantität in kryptischen Regelwerken priorisiert. Und wir Konsumenten sind erpicht auf die Billigproduktlinien, möglichst alles mit Lockvogelrabatt und im Duo-Pack. Geil auf Dumpingpreise, die unsere letzten Bauern europaweit ruinieren. Den SUV-Allrad auftanken um 100 Euro, ein Smartphone um 900 Euro fürs Kindergartenkind, für uns alles kein Problem. Hauptsache, das Sonntags-Schnitzerl kostet 0,99 ¤.

Fritz Baumgartner, St. Georgen/Gusen

Erschienen am Sa, 25.9.2021

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