Prozessauftakt
“Flüssigbomber” von London vor Gericht
Die Welt hielt den Atem an, als am 10. August 2006 gemeldet wurde, was Polizei und Geheimdienste in Großbritannien nach eigenen Angaben um Haaresbreite verhindert hatten: Einen "Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes", wie Scotland-Yard-Vizechef Paul Stephens vor laufenden Kameras verkündete. Mit Hilfe von Komplizen, denen später der Prozess gemacht werden soll, sowie in Abstimmung mit Hintermännern in Pakistan sollen die Angeklagten den Plan gehabt haben, in London-Heathrow Flüssigsprengstoff im Handgepäck an Bord amerikanischer Passagiermaschinen mit Zielen in den USA zu schmuggeln.
"Es wird weiterhin die Anschuldigung erhoben", erklärte der Vorsitzende Richter Sir David Calvert-Smith (62), "dass diese Bomben gezündet werden sollten, wenn die Flugzeuge sich in der Luft befinden, so dass dadurch die Bomber und alle anderen an Bord der Flugzeuge getötet worden wären."
Schreckliche Erinnerungen an "Rucksackbomber"
In Großbritannien fragt man sich nicht nur, wie die Flüssigbombenanschläge konkret ausgeführt werden sollten. Viele Menschen erwarten von Staatsanwalt Peter Wright auch zu hören, warum erneut junge, im Königreich aufgewachsene Muslime als Selbstmordattentäter zu Massenmördern werden wollten. Erst knapp ein Jahr vor den mutmaßlich geplanten Flugzeuganschlägen hatten im Juli 2005 vier junge britische Muslime mit in Rucksäcken versteckten Bomben in drei Londoner U-Bahnen und einem Bus mehr als 50 Menschen mit sich in den Tod gerissen.
Die "Flüssigbomber", wie sie in manchen Medien genannt wurden, sollen ähnlich wie zuvor die "Rucksackbomber" enge Beziehungen zu islamischen Extremisten in Pakistan unterhalten haben, die in Verbindung mit der Terrororganisation Al-Kaida stehen.
Festnahme nach geheimer Beobachtung
Zur Festnahme der Männer, die unter geheimer Beobachtung standen, am 10. August 2006 in mehreren englischen Orten habe man sich nach Hinweisen des pakistanischen Geheimdienstes entschlossen, hieß es in Londoner Ermittlerkreisen. "Wir mussten plötzlich fürchten, dass sie gewarnt wurden und deshalb schneller als geplant zuschlagen würden."
Etwa acht Monate soll der Prozess gegen die Angeklagten im Alter von 23 bis 29 Jahren dauern. Am Ende müssen zwölf Geschworene sie für "schuldig" oder "unschuldig" erklären, ehe Richter Calvert-Smith über ein Strafmaß entscheiden kann.
Diskussion über Flüssigkeiten-Verbot im Handgepäck
Derweil wird der Streit von Experten über Sinn oder Unsinn der Vorschriften für die Mitnahme von Flüssigkeiten im Handgepäck weitergehen. Aufschluss darüber, wie gefährlich Mengen oberhalb der inzwischen in durchsichtigen Plastiksäcken maximal erlaubten 100 Milliliter wirklich sein könnten, erhoffen sie sich auch von den Darlegungen der Sachverständigen im Prozess vor dem Woolwich Crown Court.
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