Sollte der WAC in gut einer Woche tatsächlich das Double vollenden, wäre das vielleicht die größte Sensation in der Geschichte der österreichischen Fußball-Meisterschaften. „Eigentlich haben wir nichts Vergleichbares“, erklärte der Historiker Matthias Marschik.
Für Parallelen in der Gegenwart müsse man die Landesgrenzen verlassen. „Das wäre wie vor ein paar Jahren, als Leicester in England Meister wurde“, verwies Marschik auf die Premier-League-Saison 2015/16.
Eine Ähnlichkeit der beiden Geschichten nach dem Muster „David gegen Goliath“ ist zweifellos vorhanden. Der WAC aus der 25.000-Einwohner-Stadt Wolfsberg wäre im Fall des Erfolgs der erste österreichische Meister, der nicht aus Graz, Salzburg, Linz, Innsbruck oder Wien kommt. Leicester war im Sommer 1995 als 5000:1-Außenseiter bei den Buchmachern gestartet, räumte anschließend die Großen aus Manchester, London und Liverpool aus dem Weg und gewann mit zehn Punkten Vorsprung auf Arsenal erstmals die Trophäe. Stets mittendrin: ÖFB-Teamkapitän Christian Fuchs.
In England hatte es aber schon einmal eine ähnliche Situation gegeben: 1977/78 holte sich Nottingham Forest unter Trainer Brian Clough als Aufsteiger die Meisterschaft. Selbiges schaffte 1997/98 auch der 1. FC Kaiserslautern. Otto Rehhagel führte die „Roten Teufel“ als Trainer zu dem in Deutschland bis heute einzigartigen Erfolg. Weitere Beispiele für Sensationsmeister lieferten Eintracht Braunschweig 1966/67, Hellas Verona 1984/85 in Italien, Deportivo La Coruna 1999/2000 in Spanien, Bursaspor 2009/10 in der Türkei, HSC Montpellier 2011/12 in Frankreich oder der FC Midtjylland 2014/15 in Dänemark.
FAC triumphierte noch während Weltkrieg
In Österreich muss man in der Historie weit zurückgehen, um etwas Entsprechendes zu finden – etwa den einzigen Titel des Floridsdorfer AC 1917/18, den Marschik als Erstes erwähnte. Bis 1918 firmierte die österreichische Meisterschaft offiziell als „Niederösterreichische Meisterschaft“, war aber in der Realität eine Wiener Angelegenheit. Tonangebend war damals Rapid, mit Abstrichen andere Teams wie der Wiener AC. Als sich der SC Hakoah Wien 1924/25 zum Champion krönte, beschrieb Schriftsteller Friedrich Torberg das als „die tollste Sensation, die sich denken ließ“. Und 1926/27 musste sich der außerhalb Insider-Kreisen völlig unbekannte Brigittenauer AC erst in einem Showdown in der letzten Runde dem direkten Kontrahenten Admira geschlagen geben. Davor führte der Aufsteiger lange die Tabelle an.
Da in den Bundesländern die nötige Infrastruktur relativ schwach entwickelt war, hatten die Wiener Vereine bis weit in die 1960er-Jahre de facto ein sportliches Monopol auf die Meisterschaften. Dann brach zunächst der LASK diese Phalanx auf und gewann 1964/65 als erster Klub aus den Bundesländern die Meisterschaft. Ein Jahr später schaffte überraschend die Admira, damals noch im Wiener Stadtteil Jedlesee beheimatet, das Double. „Mit dem hat man auch nicht unbedingt rechnen können, dass die so einen Durchmarsch hinlegen“, sagte Marschik. Allerdings hatte der Klub mit der NEWAG/NIOGAS einen potenten Sponsor im Rücken. Auch den Triumph von VÖEST Linz 1973/74 kann man einerseits als Überraschungscoup werten, andererseits wurde der Verein von dem namensgebenden Stahlkonzern alimentiert.
Landeshauptstädte holten auf
Generell gilt für die Teams aus den großen Landeshauptstädten, die danach zu Meisterehren gelangten, sei es aus Innsbruck, Graz oder Salzburg, dass mittlerweile andere Mittel vorhanden und großzügige Förderungen durch Stadt und Land möglich waren. Auch der Zugang zu finanzkräftigen Sponsoren aus der Wirtschaft war jeweils gelegt, zudem ein breiteres Fan-Potenzial da, als es der WAC anzapfen kann. Für die Wiener Platzhirsche Austria und Rapid, die bis Anfang der 1990er-Jahre das Gros der Titel untereinander aufteilten, trifft das sowieso zu. Einige Erfolge dieser Zeit waren jedoch viel zu teuer erkauft, wie nachträglich etwa die Insolvenzen von FC Tirol, Sturm Graz und des GAK zeigten.
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