Mit „Die Party“ feierte Kabarettistin Ulrike Haidacher 2021 ihr literarisches Debüt. Nun fand das Buch im Schauspielhaus Graz den Weg auf die Bühne. Viel Jubel - vor allem für Schauspielerin Marlene Hauser.
Alles beginnt mit Erdbeereis. Als ein renommierter Regisseur ein Kugerl am Eisstand der Ich-Erzählerin von Ulrike Haidachers Debütroman bestellt, kommen die beiden ins Gespräch. Schnell erkennt sie, dass er ein hemmungsloser Selbstdarsteller ist. Dennoch folgt sie seiner Einladung zur titelgebenden „Party“ im Keller seines Elternhauses.
Sein und Schein klafft auseinander
Dort stolpert sie von einer skurrilen Begegnung in die nächste - bei jedem Partygast klaffen Sein und Schein mit jedem Satz, den dieser äußert, weiter auseinander. Der Regisseur präsentiert sich als Parade-Feminist, ist aber in Wahrheit ein „Mansplainer“ wie er im Buche steht. Das alternative Designer-Pärchen will das Dirndl neu erfinden, verpackt aber nur alte Werte in einem neuen Kittel. Und auch die „toughe“ Bankerin vertritt kein neues, gestärktes Frauenbild, sondern ist eher ein schrilles Abziehbild eines hemmungslosen Neoliberalismus. Die Gutmenschlichkeit ist bei allen Figuren auf dieser Party nur eine Fassade, die mit jedem Schluck Jägermeister mehr bröckelt.
Wie in der Romanvorlage, erlebt man auch in der Inszenierung des jungen steirischen Regisseurs Lukas Michelitsch im Schauraum des Schauspielhaus Graz alles aus der Sicht der Erzählerin. Das Resultat ist eine One-Woman-Show mit mehreren, im Publikumsraum verteilten, Stationen (Bühne: Eva Seiler, Franziska Bornkamm und Kathrin Eingang), zwischen denen sich das Karussell der Pseudo-Werte zu bedrohlich wummernden Partyklängen (Musik: Benno Hiti) immer schneller zu drehen beginnt.
Fulminante One-Woman-Show
Mit Marlene Hauser hat Michelitsch dafür eine Schauspielerin zur Hand, die sich fulminant in diesen Reigen der Figuren stürzt und die Eskalation der Verhältnisse souverän auf die Bühne zimmert. Doch Text und Inszenierung erlauben ihr auch Momente, in denen sie all die Figuren der Partygäste, in die sie schlüpft, abschütteln und die inneren Konflikte der Erzählerin ins Rampenlicht stellen kann.
Denn auch bei ihr verschwimmen Sein und Schein immer mehr, und man beginnt sich als Zuseher zu fragen, ob außer ihren Schuldgefühlen ihrer entfremdeten Schwester gegenüber, die stets unter der Oberfläche köcheln, eigentlich irgendetwas an ihrer Erzählung real ist. Ja sogar das Erdbeereis, das am Anfang von allem stand, hat noch nie eine echte Erdbeere gesehen.
Sehr sehenswert
So gelingt dieser Theateradaption, was schon dem preisgekrönten Roman geglückt war: Humorvoll und pointiert wird hier eine Gesellschaft vorgeführt, deren hehre Werte nichts als hohle Gesten sind. Schon das alleine wäre sehenswert - Marlene Hauser macht es zu einem Erlebnis.
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