Psychologie

Mit Mathematik der Seele auf den Grund gehen

Gesünder leben
06.08.2023 06:00

Was in der Mathematik und der Natur als in sich wiederkehrende Muster - Fraktale genannt - beschrieben wird, kann auch helfen, sich selber besser zu verstehen.

Haben Sie sich schon einmal im Winter einen schönen, ebenmäßigen Laubbaum im Abendlicht angesehen? Ohne seine Blätter kann man besonders gut erkennen, wie sich sein Stamm zunächst in dicke Äste verzweigt, diese wiederum in dünnere und feinere Verästelungen bis zu den kleinsten Trieben hinwachsen. Betrachtet man dies im Detail, zeigt der Baum die Form des Gesamten auch in seinen Einzelteilen - nicht ident, aber selbstähnlich.

Wiederholung vom Großen bis ins Kleinste
So beschreibt Univ.- Prof. DDr. Christian Schubert, Leiter des Labors für Psychoneuroimmunologie am Department für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie der MedUni Innsbruck das Phänomen der Fraktale in seinem neuen Buch „Die Geometrie der Seele“ (Verlag Gräfe und Unzer, Edition). „Das Gleiche können Sie beim Brokkoli oder - besonders schön - beim Romanesco beobachten. Der hübsche grüne Kegel wiederholt sich vom Großen bis ins Kleinste.

Der gesamte Romanesco ist zusammengesetzt aus kleineren Kegeln, die sich wiederum in noch kleinere Kegel und schließlich winzige Kegelchen unterteilen lassen. Ein Kunstwerk der Natur! Was wir hier beobachten können, ist ein natürliches Ordnungsprinzip, dass Sie überall entdecken werden, wenn Sie sich einmal dafür sensibilisiert haben. Auch Berge zeigen sie, Flussläufe, ganze Landschaften, der Blitz in einem Gewitter . . .“, erklärt der Forscher. Seit 25 Jahren analysiert Prof. Schubert die Wechselwirkungen zwischen Psyche, Gehirn und Immunsystem.

Was ist ein Fraktal?

Der Begriff wurde 1975 vom Visionär und Mathematiker (1924-2010) Benoît Mandelbrot beschrieben. Es handelt sich um Objekte, die ein hohes Maß an Selbstähnlichkeit aufweisen, wenn man sie in ihren Einzelteilen (fraktal = ge- bzw. zerbrochen) betrachtet. So ein Objekt besteht aus mehreren verkleinerten Kopien seiner selbst.

In der Natur weisen z.B. Schneeflocken oder Farne so eine Struktur auf, im menschlichen Körper die Darmoberfläche. Ein Dreieck, in dem sich das Muster von immer kleineren Dreiecken befinden, wäre demnach ein geometrisches Fraktal.

Faszinierende Muster aus einer Grundform
Diese Vorstellung der Fraktale stammt ursprünglich aus der Mathematik (siehe Kasten links) und lässt sich demnach in eine Formel gießen. Sie wird nach ihrem Entdecker „Mandelbrot-Menge“ genannt, kann mittels Computerberechnungen Millionen Mal angewendet werden und zeigt dann bildlich obenstehende faszinierende Muster aus einer Grundform. Wie hängen nun Baum, Brokkoli oder sogar Schneeflocken mit der Psyche zusammen?

Solche wiederkehrenden, in sich selbst wiederholenden Strukturen finden sich, meint Prof. Schubert in seinen jüngsten Arbeiten, auch in unserem Seelenleben wieder. Das kann sich durchaus positiv auswirken, etwa, wenn eine Verhaltensweise zum Erfolg führt und weiterentwickelt wird. Negativ zu werten sind hingegen wiederkehrende Muster, die sogar über Generationen weitergegeben werden, in Form von Traumata oder Fehlentscheidungen, die wir (obwohl sie schon öfter ins Unglück geführt haben) immer wieder tätigen.

Prof. Schubert: „Wir Menschen sind soziale Wesen und gar nicht ohne Beziehungen zueinander und miteinander denkbar. Unausweichlich beeinflussen wir uns gegenseitig mit unserer seelischen Geometrie.“ Das ist in Familien so, wo sich Fraktale auch sozial vererben, bei der Partnerwahl, sogar im Beruf und der Kindererziehung.

Das eigene Leben besser verstehen
Etwas, das so allgegenwärtig ist, auf den Grund zu gehen, lohnt sich nicht nur auf therapeutischem Wege. Man kann es auch dazu nutzen, sich selber besser kennenzulernen, seine Fähigkeiten auszubauen und Belastendes aufzulösen. Nicht im Sinne von „berechenbar“, sondern detailgetreu. Prof. Schubert nennt dies „Im eigenen Erleben forschen“: "Eine unkomplizierte Möglichkeit, eigenen Fraktalen auf die Spur zu kommen, kann es sein, sich selbst aus dem eigenen Leben zu erzählen.

Laut oder im Stillen, vielleicht mit einem imaginären Gesprächspartner. Emotional bedeutsame Ereignisse im eigenen Leben sind immer ein lohnender Ausgangspunkt für die Suche nach dem, was in uns möglicherweise nach Erlösung sucht, und damit auch für die Suche nach Fraktalen. Solche Ereignisse können Sie in Ihrer Biografie sicherlich finden und auch in Ihrer gegenwärtigen Lebensphase. Was war irritierend in Ihrem eigenen Verhalten? Was hat Sie geärgert oder aufgebracht?

Zitat Icon

Nicht selten ziehen sich seelische Fraktale über mehrere Generationen hinweg.

Univ.-Prof. Christian Schubert, Arzt und Psychotherapeut

Was hat Sie traurig gemacht? Was taucht immer wieder auf?" Im nächsten Schritt stellen Sie sich die Frage, ob Sie unter diesen Dingen leiden, ob sie Sie stören und Ihren Lebensweg sabotieren - oder ob Sie gut mit ihnen klarkommen oder sie sogar als hilfreich empfinden.

Ganzheitlich in allen Details
„Fraktales Denken“ versteht sich als ganzheitlich, erfasst den Menschen in seinem Detail genauso, wie in seiner Gesamtheit. Eben wie die faszinierend-bunte Darstellung der „Mandelbrot-Menge“ auf Seite 10. Daher könnte die mathematische Idee auch für die Medizin und Psychologie von Nutzen sein. Christian Schubert widmete sein Buch allen Kindern und Jugendlichen, weil er im Zuge seiner Forschungen bemerkt hat, dass diese sich gerne und leidenschaftlich mit komplexen Inhalten beschäftigen, wenn sie spannend genug sind.

Sein damals 10-jähriger Sohn Noah war sofort von der Idee der Fraktale begeistert und entdeckte fortan spielerisch immer wieder neue Beispiele im Alltag. Es ist ein tolles, ein erfahrungsreiches Spiel. Auch für uns Erwachsene. „Wir können näher an Gesundheit und Lebensglück heranrücken, wenn wir der Geometrie der Seele folgen“, ist Prof. Schubert überzeugt.

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