Live im Gasometer

Little Simz: Die britische Königin im Rap-Game

Wien
09.12.2022 02:00

Am Donnerstagabend begeisterte die britische Rapperin der Stunde, Little Simz, im Wiener Gasometer mit einem fulminanten Set voll harter Beats, zartem Soul und entlarvend-persönlichen Texten. Ganz nebenbei kündigte sie für Montag die Veröffentlichung ihres nächsten Studioalbums an.

Zehn Monate nach dem geplanten Auftritt im Februar 2022 hat es mit Little Simz und Wien dann doch noch geklappt. An die Corona-Querelen erinnern heute nur mehr vereinzelte Maskenträger im Wiener Gasometer, der mit rund 2700 Anwesenden im Stehplatzbereich nur deshalb nicht so rappelvoll wirkt, weil die Anwesenden körperlich besser in Schuss sind, als es zum Beispiel bei arrivierten Hard-Rock-Konzerten der Fall ist. Konditionelle Ausdauer ist beim Konzert von „Simbi“, wie ihre Fans sie liebevoll nennen, auch gefragt, denn in ihrer rund 90-minütigen Rap-Revue variiert sie immer wieder geschickt mit Tempo und Stilen, was bei den Anwesenden eine bunte Melange aus andächtigem Kopfnicken, euphorischen Mosh-Pits und ausgelassenem Tanz zufolge hat.

Ständig auf der Überholspur
Mit ihrem im September 2021 veröffentlichten vierten Werk „Sometimes I Might Be Introvert“ übertraf sie alle Versprechungen, die sie schon 2019 auf „Grey Area“ gab - dass die Britin mit ihrer Mischung aus ehrlichen und persönlichen Texten, paralysierenden Beats und sympathischer Attitüde die Rapperin der Stunde ist. Als Belohnung räumte sie nicht nur eine erste Nummer eins in den englischen Indie-Charts ab, sondern wurde auch mit dem renommierten „Mercury Prize“ und dem „Brit Award For Best New Artist“ geadelt. Fast schon erstaunlich, dass die jahrelang hart und beharrlich im Underground kämpfende Rapperin bei so rasantem Tempo auf der Überholspur nicht die Orientierung verliert, sondern mit den Aufgaben mühelos zu wachsen scheint.

Im Gegensatz zu vergangenen Auftritten im kleineren Rahmen (Flex und WUK) hat Simbi für ihre große Gasometer-Show aber keine Band an Bord, sondern nur ihren langjährigen DJ ODC. Einsparungsmaßnahmen machen schließlich auch nicht vor großen Namen Halt. Die Bühne ist mit einem Halbkreis aus 25 Lichtpfeilern bestückt, ansonsten reichen Turntables und Mikrofon völlig, um die Fans schon früh mit Songs wie „Two Worlds Apart“, „I Love You, I Hate You“ oder „Offence“ zu begeistern. Zu den größten Stärken von Little Simz gehört ihr Talent für abrupte Stil- und Strukturwechsel in den Songs. Als ob das vom Band gelaufene Intro „The Agony And The Ecstasy“ der Motown-Legende Smokey Robinson nicht schon Hinweis genug gewesen wäre, zeigt sie in Songs wie dem hochmelodischen „Selfish“ oder „Rollin‘ Stone“, dass ihr der Soul im Blut steckt.

Geschichten aus dem Inneren
Musikalisch konzentriert sie sich voll auf das neue Album, lässt noch die wichtigsten Highlights von „Grey Area“ einfließen, verzichtet aber völlig auf die (auch fantastischen) Frühwerke vor dem großen Durchbruch. Freude und Dankbarkeit wirken so ungekünstelt wie die Texte, die vom harten Aufwachsen im rauen Pflaster Nord-Londons erzählen, von Rückschlägen und Tiefpunkten, von Unsicherheiten und dem persönlichen Unwohlsein in einer Welt in Schieflage. Zu ihrem autobiografischen Meisterstrück „Introvert“ versteckt sie sich nach ungefähr einem Konzertdrittel unter einem dicken Kapuzenpulli, um die schwere Thematik optisch zu verstärken. Bei „101 FM“ wagt sie den Sprung in die Zuschauermassen, das direkt darauffolgende „Protect My Energy“ begeistert mit poppigen 80er-Beats, die einen leichten Michael-Jackson-Flair in den zeitgenössischen Rap reinzuckern.

Für Simbi ist ein Konzert eine Familienangelegenheit. Sie fühlt sich ihren Fans nahe, das Verständnis für die Sorgen und Probleme des jeweils anderen ist bei ihr keine Einbahnstraße. Launig erzählt sie, wie sie vor Jahren bei einem Wien-Konzert mit ihrem DJ zu streiten begann, so etwas aber nun einmal zu einer Familie gehört und man sich immer wieder zusammenraufen muss. Ihre Songs handeln gleichermaßen von Ermutigung, Versöhnung und Gemeinschaft, wie von Verunsicherung, Eifersucht und toxischem Hass. Wo andere Rapperinnen sich den Hintern abtwerken oder Plattitüden nach dem kostenlosen Online-Reimkasten projizieren, geht Little Simz bewusst in die Tiefe, um dort nach den eigenen Dämonen zu suchen. Und wenn es doch einmal um ihre unglaubliche Erfolgsgeschichte geht, dann hat sie mit „How Did You Get Here“ und „Little Q, Pt. 1“ und „Little Q, Pt. 2“ die richtigen Tracks zur Verfügung.

Neues Album am Montag
Wenn die 28-Jährige nicht die Bühne entlangteufelt, versucht sie sich am Keyboard oder nimmt bei „I See You“ einen blütenweißen Bass in die Hand. Vor dem elegischen „Miss Understood“ setzt sie, nonchalant auf einem Barhocker sitzend, zu einer Rede über ihr Leben, ihren Aufstieg und die Möglichkeit, dass es jeder schaffen kann, an. Ganz am Ende gibt es auch noch einen erfreulichen Ausblick auf die nähere Zukunft. Vor wenigen Tagen kündigte sie in einer Instagram-Story an, dass sie bald ein neues Album namens „No Thank You“ veröffentlichen würde - auf der Gasometer-Bühne verrät sie exklusiv, dass das bereits am Montag der Fall sein wird. Ein erster Vorgeschmack ist der brandneue Song „Moving Alone“, der mit harten Trap-Beats und aggressivem Shouting in eine ganz andere, weitaus kompromisslosere Richtung geht. Bei Simbi bleibt es immer spannend.

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