Graz will durch ein internationales Abkommen die Rechte Obdachloser stärken. Wichtige Hilfe oder falsches Signal?
Wochenlang hat ein Obdachloser in Graz für Schlagzeilen gesorgt. Der Mann hatte direkt am Grazer Hauptplatzes in einer Nische sein Quartier aufgeschlagen und machte lange keine Anstalten, trotz entsprechender Angebote seine notdürftige Unterkunft aufzugeben. Bis ihm Bürgermeisterin Elke Kahr persönlich zu einer Schlafstätte verhalf, in der er seither lebt.
Vorwiegend Bewusstseinsbildung
Am Freitag setzte der Grazer Stadtsenat ein weiteres Zeichen im Kampf gegen Obdachlosigkeit und beschloss die Unterzeichnung der „Homeless Bill of Rights“ (siehe Fakten-Box unten). Im Wesentlichen geht es darum, die Rechte Obdachloser zu stärken. Dabei steht vor allem Bewusstseinsbildung und Bekenntnisse in der Sozialpolitik im Fokus. An konkreten Gesetzen wird sich kaum was ändern.
Die steirische Landeshauptstadt hat als erste Gemeinde Österreichs die „Homeless Bill of Rights“ unterzeichnet und will damit die Rechte von Obdachlosen stärken. Die europaweite Initiative hinter dem Projekt ist seit 2017 aktiv und wird u.a. von der EU gefördert.
Was ist die „Homeless Bill of Rights“?
Es handelt sich um eine Erklärung der Rechte obdachloser Menschen. Das Dokument umfasst elf Punkte, die jede unterzeichnende Stadt unter Wahrung der Grundidee in konkrete Maßnahmen umsetzt.
Welche Punkte umfasst das Dokument?
Unterzeichnende Städte erklären u.a. die Absicht, ausreichend Wohnmöglichkeiten zu schaffen, Obdachlose in keiner Weise zu diskriminieren oder zu kriminalisieren und ihnen das Betteln zu ermöglichen.
Welche Städte haben unterzeichnet?
Laut „Housing Rights Watch“ haben vor Graz neun Städte aus fünf EU-Staaten (Spanien, Frankreich, Slowenien, Polen und Griechenland) unterzeichnet. Barcelona, Thessaloniki, und Danzig sind die größten.
Teuerungswelle kann zu mehr Obdachlosigkeit führen
Doch tut Graz nicht ohnehin schon genug für Obdachlose? Das Mantra „niemand muss in Graz auf der Straße schlafen“ wird von der Politik seit Jahren bemüht und es gibt zahlreiche Angebote für Obdachlose in der Landeshauptstadt. „Durch die massive Teuerungswelle wird es für viele Menschen, auch wenn sie Arbeit haben, immer schwerer, die Wohnkosten zu bewältigen. Es braucht das Bemühen aller politischen Ebenen, hier so gut es geht gegenzusteuern und erschwinglichen Wohnraum bereitzustellen“, sagt dazu KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr.
Ein völlig falsches, populistisches Signal, anstatt konkrete Lösungen für mehr Hilfe zur Selbsthilfe vorzulegen.
Stadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP)
ÖVP stimmte nicht zu
Die Unterzeichnung der Erklärung wurde im Stadtsenat gestern mit fünf gegen zwei Stimmen - von der ÖVP - beschlossen. Bei der Grazer Volkspartei stößt der Vorstoß auf Unverständnis: „Graz ist eine der sozialsten Städte in ganz Österreich mit einer guten Grundversorgung für obdachlose Menschen“, sagt Stadtparteiobmann Kurt Hohensinner, der auf den Ausbau der Notschlafstellen und die Einrichtung des Kältetelefons verwies. „Niemand muss in Graz im Freien in der Kälte schlafen oder betteln. Der heutige Beschluss geht aber weit darüber hinaus. Damit setzt die linke Stadtregierung ein völlig falsches, populistisches Signal.“
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