Akte Felzmann

„Lebt er noch – und wird er wieder töten?“

Steiermark
01.05.2022 06:00

Vor viereinhalb Jahren hat Friedrich Felzmann in Stiwoll zwei Nachbarn erschossen. Seitdem gilt der Steirer als „verschwunden“. Bis heute haben die Dorfbewohner Angst davor, dass er zurückkehren und abermals fürchterliche Taten begehen könnte.

Stiwoll: ein Supermarkt, zwei Gaststätten, eine Kirche. Die Häuser der knapp 700 Einwohner stehen - teils weit voneinander entfernt - in der Landschaft; auf Hügeln, neben Wäldern und Wiesen. Obwohl nur 30 Kilometer von Graz entfernt, wirkt das Dorf wie von der Außenwelt abgeschnitten; in der Einsamkeit, die es vermittelt.

Hier, in dieser Idylle, ist am 29. Oktober 2017 ein grauenhaftes Verbrechen geschehen. Nach einem jahrelangen Nachbarschaftsstreit um ein Wegerecht hat Friedrich Felzmann, damals 66, auf seinem Grundstück Adelheid H. (55) und Gerhard E. (64) erschossen.

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Ich fürchte mich nach wie vor davor, dass der Fritz mir etwas antun könnte.

Alfred Felzmann, der ältere Bruder des Täters

In der Folge stieg der Täter in seinen weißen Kastenwagen - und raste los. Der Kleintransporter wurde dann bald auf einer Forststraße in Södingberg sichergestellt; die linke Seite eng an eine Böschung geparkt, die Beifahrertüre offen. „Hatte Felzmann Fluchthelfer? Ist er direkt von seinem Fahrzeug in ein anderes gestiegen?“, mutmaßte einst ein Polizist.

Erfolglose Mega-Suchaktionen
Ein - leiser - Verdacht, der geblieben ist. Weil der Killer nie gefunden wurde. Bei keiner der unzähligen Suchaktionen nach ihm. In Wäldern, in Stollen, in leer stehenden Hütten. „Jeden Winkel der Gegend“, erzählt nun Harald Winkler, der leitende Ermittler in dem Fall, „haben wir durchkämmt. Aber nirgends konnten wir eine Spur von Felzmann ausmachen.“

Und bis heute ist sie in Stiwoll geblieben, die Panik, der „Verschwundene“ könnte irgendwo über ein perfektes Versteck verfügen, da von irgendwem versorgt werden - und irgendwann zurückkehren, um weitere Menschen umzubringen. „Denn ja“, erklären nicht wenige Dorfbewohner, „er hat viele von uns gehasst.“ Er, dieser Mann, der von Kindheit an - so Franz Frewein, ein früherer Schulkollege des Steirers - „seltsam gewesen“ sei: „Er wollte stets nur alleine sein, nahm nie an Radtouren oder Fußballspielen teil.“

Neue Stiege mit Bagger niedergerissen
Wahre Horror-Geschichten berichtet der Bruder des Mörders: „Bereits als Bub war er gewalttätig, sogar unseren Eltern gegenüber.“ Das Haus des 82-Jährigen - mit Bewegungsmeldern und Alarmanlagen gesichert: „Ich fürchte mich nach wie vor davor, dass der Fritz mir etwas antun könnte.“ Warum? „Wir lebten ja immer in Zwist nebeneinander.“ Mit Schaufeln und Rechen sei der Jüngere auf ihn losgegangen, „mehrfach, ohne Grund. Und als ich einmal eine neue Stiege errichtete, riss er sie mit einem Bagger nieder.“

Absurde Handlungen, denen Anzeigen gefolgt waren, wie so oft im Dasein des Täters. 14 Gerichtsverfahren musste etwa Altbürgermeister Josef Brettenthaler (64) mit ihm durchstehen. Wegen von Felzmann gegen ihn ausgesprochenen Drohungen: „Kaum wurde er dafür zur Rechenschaft gezogen. Weil er auch den Behördenvertretern Furcht einflößte, und sie sich nicht mit ihm anzulegen trauten.“

Also konnte es geschehen, dass er ungeschoren blieb, wenn er Zettel mit verleumderischen Inhalten über bestimmte Personen an alle Haushalte des Dorfs verschickte. Oder wenn er per Internet Staatsanwälte und Richter diffamierte.

Die vielen Gesichter des Täters
Und während Friedrich Felzmann regelmäßig nationalsozialistische Parolen von sich gab, in Staatsverweigerer-Kreisen verkehrte und in einem Heft eine laufend länger werdende „Todesliste“ führte - soll er gleichzeitig dazu fähig gewesen sein, sich „normal“, freundlich zu verhalten. Seinen drei - erwachsenen - Töchtern war er angeblich ein treu sorgender Vater; seiner Ehefrau ein netter Ehemann; seinen wenigen Vertrauten im Ort ein „hilfsbereiter Kumpel“, seinen Geschäftsfreunden ein verlässlicher Partner.

Fest steht: Das Paar züchtete auf seinem Anwesen Damwild - und es betrieb eine kleine Imkerei. Rätselhaft seit Langem für die Einheimischen: das Vermögen, über das der Mann offenkundig verfügt hat. Drei Mehrparteienhäuser hatte er seit 2012 erworben und feinst renovieren lassen. Mit 40 Wohnungen, die er nach Fertigstellung gewinnbringend vermietete.

Woher besaß er die Mittel, um diese Projekte zu finanzieren? Eine Frage, die unbeantwortet ist. Genauso wie jene danach, ob er einst einen Teil seines Geldes daheim gebunkert - und dann auf die Flucht mitgenommen hat.

„Vielleicht hält er sich in der Nähe auf“
Verwandte eines seiner Opfer gehen davon aus. Sie sind sich sicher: „Er lebt. Und er ist weiterhin brandgefährlich.“ Vielleicht sei er im Ausland untergetaucht - „vielleicht hält er sich in der Nähe auf“. Vielleicht verbringe er sogar hin und wieder Stunden in seinem Haus. Seine Ehefrau sei mittlerweile in einem Pflegeheim untergebracht, die Töchter würden bloß Wochenenden dort verbringen: „Trotzdem ist oft nachts Licht aus dem Gebäude zu sehen.“

Er ist eine „Most Wanted Person“
Immer wieder gehen bei der Polizei Anrufe ein von Personen, die den Täter gesehen haben wollen. „Aber sämtliche Recherchen zu den Tipps“, sagt Cheffahnder Harald Winkler, „verliefen erfolglos.“ Als falscher Alarm erwies sich kürzlich zudem die Vermutung, dass in Felzmanns Arbeitszimmer Sprengstoff gelagert sei.

Auf der Fahndungsliste des Bundeskriminalamts ist Felzmann, neben Tibor Foco, als einer der zwei „Austria‘s Most Wanted Persons“ angeführt, für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt.

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