Filzmaier analysiert

Wie man uns (nicht) regieren soll

Politik
13.02.2022 11:00

In Großbritannien wird das 70. Jubiläumsjahr der Thronbesteigung von Königin Elisabeth II. gefeiert. In China freut sich man sich, als undemokratisches Regime Olympische Winterspiele inmitten von Atomkraftwerken abzuhalten. In Österreich meinen ein paar versammelte Spinner, sie würden in einer Diktatur ohne Versammlungs- und Meinungsfreiheit leben.

1. Die letztgenannten Demonstranten verzapfen natürlich Unsinn. Dieser Gruppe fällt nicht einmal ihr Widerspruch auf, frei sagen zu dürfen, dass sie keine Meinungsfreiheit habe. Doch obwohl wir kein besseres Staats- und Regierungssystem als eine Demokratie kennen, wird sie offenbar weltweit zu wenig wertgeschätzt. Warum nur, warum?

2. Regierungssysteme gelten als Diktaturen, falls sie kein Mehrparteiensystem, keine freien Wahlen, keine Partei- und Vereinsgründungsfreiheit und so weiter und so fort als Merkmale haben. Die europäische Geschichte und die chinesische Gegenwart zeigen, dass in diktatorischen Systemen Menschen willkürlich eingesperrt, gefoltert und umgebracht werden. Kapiert man in unserer Demokratie wirklich nicht einmal zur Olympiazeit, dass es uns viel besser geht als den Chinesen?

3. Unterschieden werden totalitäre Diktaturen mit umfassendem Herrschaftsanspruch in allen Gesellschaftsbereichen sowie autoritäre Diktaturen, die sich mit dem politischen Machterhalt begnügen. Typisch für den Totalitarismus in der Volksrepublik China ist der Kommunismus als ideologische Zwangswahrheit sowie die Alleinherrschaft einer Partei in allen Bereichen, von der Politik über die Wirtschaft bis zu den Medien.

4. In „nur“ autoritären Diktaturen beschränkt man sich auf staatliche Machtausübung, ohne massiv in das Sozial- und Wirtschaftsleben einzugreifen. Südkorea – das Land der letzten Olympischen Spiele – und Taiwan akzeptierten eine freie Marktwirtschaft und wandelten sich prompt in Demokratien. Weil eine immer besser gebildete und wirtschaftlich liberal denkende Bevölkerung nicht mehr dem Diktaturgedanken anhängen wollte.

5. Deshalb lässt das kommunistische China bestenfalls scheinbar unabhängiges Wirtschaften zu und hat neben einer Staatskultur auch den Sport zum Staatssport gemacht. Dass sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit den dortigen Machthabern eines Schreckensregimes arrangiert, ist besonders übel. Der Weltfußballverband FIFA macht dasselbe mit den Scheichen in Katar. Weil Diktatoren sich weder um Mehrheitsmeinungen noch um Frauenrechte, Arbeitsbedingungen oder Umweltschutz scheren. So lassen sich Großveranstaltungen leichter organisieren.

6. Es fehlt zunehmend das demokratische Bewusstsein, wie wichtig die zeitraubende und in ihrem Ergebnis unsichere Mehrheitssuche für politische Vorhaben ist. Ja, viele wünschen sich irgendwann, dass etwas „schneller geht“. Sei es eine Steuerreform, ein Autobahnbau oder eine Impfpflicht. Doch zum Glück kann eben nicht ein Diktator „Das machen wir!“ anschaffen und es mit Gewalt durchsetzen. Demokratien haben Spielregeln, wer – das gewählte Parlament und die Regierung – was beschließen darf und wie Höchstgerichte es kontrollieren.

7. Solche Spielregeln sind nicht immer gleich gestaltet. Großbritannien etwa ist eine Konkurrenzdemokratie mit einem Mehrheitswahlrecht. Dem Namen entsprechend führt das im Regelfall zu klaren Mehrheiten für eine Partei. Das Ziel ist, dass dadurch Regierungen „rasch“ und möglichst ungehindert ihre Vorhaben umsetzen können. Der skandalträchtige Premierminister Boris Johnson hat gezeigt, dass das die Gefahr von Machtmissbrauch in sich birgt.

8. Demgegenüber steht Österreich als Konsensdemokratie, die auf dem Verhältniswahlrecht beruht. Alle Parteien mit einem bestimmten Stimmenanteil sollen anteilig an der Volksvertretung vulgo Parlament teilhaben. Koalitionsregierungen mit Kompromisszwang sind gewollt. Eine Schwerfälligkeit des Entscheidungsverfahrens wird in Kauf genommen.

9. Die beiden skizzierten Demokratiemodelle haben jeweils Vor- und Nachteile. Genauso gibt es Pro und Kontra, wie viel Basisdemokratie – etwa durch mehr Bürgerinitiativen oder Volksbefragungen – politische Entscheidungen sachlicher oder populistischer, zügiger oder langsamer, klarer oder verwaschener macht. Hier sind mehrere Standpunkte zulässig.

10. Nur eine Meinung ist schlicht dumm: dass Diktaturen besser seien. Die harmlose Variante so einer Ansicht sind nostalgische Restbestände von Kaiserzeiten und Königreichen. Wie durch den Kult rund um Sisi in Österreich oder bei der Queen. Elisabeth hat politisch nichts zu sagen. Wenn sie die Regierungserklärung von Herrn Johnson verliest, darf sie nicht einmal „Guten Tag“ hinzufügen. Solche Pseudoherrscherinnen tun keinem weh. Diktatorische Herrscher hingegen bringen Leute um. Hören wir also bitte auf, uns ihnen anzubiedern oder gar unsere Demokratie infrage zu stellen!

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