Kindsmord auf YouTube

Moderator: „Das kriege ich nie mehr aus dem Kopf“

Digital
27.11.2019 16:56

Schwere Vorwürfe gegen die Google-Schwester YouTube: Der Internetgigant lagert die Überprüfung hochgeladener Videos in Deutschland an ein externes Unternehmen aus, bei denen Content-Prüfer Tag für Tag in die Abgründe der menschlichen Natur blicken, Videos von Hinrichtungen, Kindsmorden und Tierquälerei ansehen - und miserabel dabei verdienen.

Irgendjemand müsse es ja machen, erzählt Alexander S., ein Mitarbeiter des US-amerikanischen IT-Dienstleisters Cognizant in Hamburg, dem Computermagazin „c‘t“. Terrorpropaganda, Tötungen und andere verstörende Videos: „Es wäre Wahnsinn, wenn solche Inhalte ungefiltert rausgehen“.

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Die Bilder bekomme ich mein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf!

Alexander S., YouTube-Moderator bei Cognizant

Doch es hinterlässt Spuren, wenn man sich beruflich mit solchen Inhalten belastet. Einmal habe er die Misshandlung und Tötung eines einjährigen Kindes ansehen müssen. „Die Bilder bekomme ich mein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf“, sagt der Moderator.

28.000 Euro brutto im Jahr für die digitale Drecksarbeit
Schon gar nicht, wenn man sich dauernd um die ökonomische Existenz sorgt und der Arbeitsplatz nicht allzu sicher ist. 28.000 Euro brutto verdient ein YouTube-Moderator bei dem Unternehmen in Hamburg jährlich - bei strenger Kontrolle und in befristeten Verträgen. Bedingungen, von denen auch andere der rund 120 Mitarbeiter gegenüber „c’t“ berichten.

Wer zu wenig schafft, muss um Stelle bangen
Etwa 100 bis 150 mitunter verstörende Videos prüfe jeder Mitarbeiter pro Tag - entweder auf Verletzungen der YouTube-Benutzungsvereinbarungen oder auf strafrechtlich relevante Inhalte nach dem Netzwerkdurchsuchungsgesetz. Wer weniger schafft oder Inhalte falsch kategorisiert, wird automatisch von einer Software erfasst - und beeinflusst damit etwaige Beförderungen oder Gehaltserhöhungen.

Die Überwachung am Arbeitsplatz in Kombination mit den verstörenden Inhalten hält nicht jeder aus - auch, wenn man in Hamburg bemüht ist, den Mitarbeitern psychologische Betreuung zukommen zu lassen. Wer etwas sehe, was ihn nachhaltig verstöre, könne sich in Ruheräume zurückziehen oder nach Hause gehen. Wer einen brauche, bekomme einen Termin beim Psychologen. „Das funktioniert relativ gut“, sagt der „c’t“-Informant.

IT-Riesen lagern die Drecksarbeit aus
Weniger gut findet er, dass IT-Konzerne wie Google oder Facebook, wo ganz ähnliche Zustände dokumentiert wurden, die Moderations-Drecksarbeit überhaupt auslagern. Der US-Konzern Cognizant, der angekündigt hat, aus dem Geschäft mit Content-Moderation aussteigen zu wollen, ist weltweit tätig und beschäftigt 280.000 Menschen - die meisten von ihnen zu Billiglöhnen in Indien. Aber auch in Industrieländern wird schlecht gezahlt.

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Google sollte es selbst machen, statt die Aufgabe an irgendwelche Dumping-Firmen auszulagern.

Adrian K., YouTube-Moderator bei Cognizant

„Das Unfaire ist: Würden wir direkt bei Google arbeiten, würden wir alle das Doppelte verdienen. Google sollte es selbst machen, statt die Aufgabe an irgendwelche Dumping-Firmen auszulagern“, klagt der Informant an. Er mutmaßt, dass der Internetkonzern die digitale Putzarbeit an externe Firmen auslagere, damit die eigenen Mitarbeiter durch die extreme psychische Belastung nicht „durchdrehen“.

Externe Moderation laut Google notwendig
Google selbst erklärt in einer Stellungnahme, dass die Zusammenarbeit mit Fremdfirmen nötig sei, um YouTube als freie Plattform zu erhalten und den Nutzern ein sicheres Umfeld zu bieten. Man setze auch eigene Moderatoren und Algorithmen ein, um schädliche Inhalte zu identifizieren.

Wie viele der laut Google 10.000 Mitarbeiter im „Trust & Safety“-Team tatsächlich direkt bei dem Internetriesen beschäftigt sind, der seinem Personal am Firmenhauptsitz in Kalifornien durchschnittlich 200.000 US-Dollar (rund 180.000 Euro) Jahresgage zahlt, verrät man aber nicht.

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