Das große Interview

Herr Löger, was ist da passiert?

Österreich
17.11.2019 06:02

Sein Rückzug aus der Politik fällt mit einer Razzia in der Casino-Affäre zusammen: Mit Conny Bischofberger spricht Ex-Finanzminister Hartwig Löger (54) über Hintergründe, Aktennotizen und einen monatelangen Prozess der Entscheidung.

Das Prückel am Wiener Stubenring hat gerade aufgesperrt und füllt sich erst langsam. Hartwig Löger legt seine Winterjacke und den blau-gestreiften Schal ab, darunter trägt er ein sportliches, graues Wollsakko. „Seit ich nicht mehr Minister bin, bewegt es sich angenehmer“, lacht er. Nichtsdestotrotz grüßen ihn manche Passanten noch immer mit: „Guten Tag, Herr Finanzminister!“

Vergangenen Dienstag hat seine Karriere - Löger war auch sechs Tage Vizekanzler und sechs Tage in der formalen Funktion des Bundeskanzlers - mit der Hausdurchsuchung in der Casino-Affäre einen Knacks bekommen. Just in dieser Woche gab der frühere Versicherungsmanager auch bekannt, als Minister nicht mehr zur Verfügung zu stehen und sich wieder in die Privatwirtschaft zurückzuziehen.

„Krone“: Sie waren 18 Monate lang Finanzminister der Republik, hatten sehr hohe Beliebtheits- und Vertrauenswerte. Nun werden Sie als Beschuldigter in der Causa Casino geführt. Haben Sie sich Ihren Abschied so vorgestellt?
Hartwig Löger: Ich trenne das eine vom anderen. Ja, dass ich in dieser Causa eine Rolle spiele, ist äußerst unangenehm. Nicht nur für mich persönlich, sondern auch für meine Familie. Deshalb hoffe ich, bald persönlich Stellung nehmen zu können, nachdem ich spät, aber doch erfahren habe, was konkret der Vorwurf ist. Ich habe ja seit Monaten nur indirekte Informationen, großteils von Journalisten.

Heißt das, in dieser Republik haben Journalisten mitunter mehr Informationen als die Beschuldigten selbst?
Im Sommer habe ich das so wahrgenommen, ja. Da fließen offenbar seit Monaten Informationen, die ich selbst gar nicht hatte. Faktum ist auch, dass ich bis heute noch kein einziges Mal zu dieser Causa befragt wurde.

Zum Verdacht der Bestechung und des Amtsmissbrauchs haben Sie ja diese Woche bereits Stellung genommen. Belastet werden Sie vor allem durch eine Aktennotiz, wo der Casino-Chef schreibt, dass Sie sich für einen FPÖ-Mann als Casino-Finanzchef ausgesprochen hätten. Ist das nicht sehr belastend?
Ich kann diese Aktennotiz nicht wirklich interpretieren. Für mich ist sie ein Teilfakt, das jetzt in einen völlig anderen, politischen, Zusammenhang gestellt wird. Ich bin aber sicher, dass sich das sehr rasch aufklären wird.

Aber wieso wurde da ein FPÖ-Bezirksrat in die Chefetage gehievt, den Experten als unqualifiziert bezeichnet haben? Das ist doch Postenschacher.
Nein, das kann ich in dem Fall ausschließen. Peter Sidlo war der Vorschlag der Novomatic, sie ist wie die Sazka Group Miteigentümer der Casinos AG. Da hat man einfach eine gemeinsame Linie gesucht. Meine Aufgabe als Vertreter der Republik, die ebenfalls Miteigentümer ist, war es, dafür Sorge zu tragen, dass die Casinos AG eine stabile, sichere Zukunftsbasis bekommt. Dafür waren entsprechende Abstimmungen nötig. In diesem Rahmen erfolgten auch alle meine Gespräche. Darüber hinaus lagen mir keine Informationen vor, die seine Qualifikation infrage stellten.

Und im Gegenzug für den Wunschkandidaten der Novomatic versprach die FPÖ Lizenzen?
Das hoffe ich nicht, kann dazu aber nichts sagen, weil ich darüber nichts weiß.

War Sebastian Kurz, der ja für seine „Message Control“ bekannt ist, über diese Vorgänge informiert?
Von mir nicht. Umgekehrt hatte ich kein einziges Anzeichen, dass es hier einen Austausch von Information gegeben hätte. Das war eine Sache dreier Aktionäre innerhalb der Casinos AG.

Am Dienstag kam es bei Ihnen zur Hausdurchsuchung. Wie muss man sich das vorstellen? Kommen da wie im Film Dutzende Beamte und nehmen alles mit?
Das sind überzogene Vorstellungen. Es war sieben Uhr morgens, ich war gerade im Bad, als es an der Tür läutete. Meine Frau öffnete. Zwei Personen von der Staatsanwaltschaft und drei Polizisten haben sich vorgestellt und gefragt, ob ich bereit bin, ihnen entsprechende Informationen zu geben. Was ich natürlich zugesagt habe. Dann wurden mein Büro, der Computer und mein Mobiltelefon durchsucht. Später kam noch eine Frau dazu, und auch ich habe einen Anwalt dazugebeten. Das Ganze hat knapp drei Stunden gedauert.

War es ein Schock?
Nein, denn es kam ja nicht ganz unerwartet. So komisch es klingen mag, ich hatte mir die Hausdurchsuchung schon fast herbeigesehnt, damit ich endlich zur Aufklärung beitragen kann.

Trinkt man da auch Kaffee?
Ich habe es angeboten, aber es war nicht gewünscht. Deshalb habe ich für jeden ein Glas hingestellt und eine Karaffe mit Wasser.

Können Sie ausschließen, dass etwas Belastendes gefunden wurde?
Ja. Das schließe ich aus. Deshalb gibt es von meiner Seite auch keine Befürchtungen, zum Beispiel was eine mögliche Anklage betrifft.

Trotzdem wirft die Affäre ein schlechtes Licht auf die Politik. Was sagen Sie Menschen, die sich in ihrem Vorurteil bestätigt fühlen, dass das letztendlich ein schmutziges Geschäft sei?
Ich kann nur sagen, meine Zeit in der Politik war die mit Abstand interessanteste, spannendste, herausforderndste, aber auch intensivste Phase meiner Karriere. Schmutziges Geschäft? Da wurde in einer anonymen Anzeige aus Teilfakten und Halbwahrheiten eine große Geschichte konstruiert. Das Motiv dahinter wäre interessant.

Haben Sie einen Verdacht?
Ich habe Interpretationen, aber keine Antwort. Tatsache ist, dass hier jemand Behauptungen aufstellt, und dass die Staatsanwaltschaft deshalb ermitteln muss.

Wenn Sie so gerne in der Politik waren, verwundert es umso mehr, dass Sie nicht mehr zur Verfügung stehen. Was ist da passiert?
Es war ein durchaus längerer - monatelanger - Prozess. Seit die Regierung gesamthaft abgewählt wurde, war ich immer wieder mit Sebastian Kurz in Kontakt. Er hat mir deutlich signalisiert, dass er mich, vorausgesetzt, das Wahlergebnis ist entsprechend, wieder als Finanzminister bestellen möchte. Ich habe die Partei dann im Wahlkampf unterstützt, mich aber bewusst entschieden, nicht auf der Liste zu kandidieren.

Sie hätten auch steirischer Spitzenkandidat werden können.
Ich lebe ja seit über 30 Jahren nicht mehr in der Steiermark. Da hätte ich ein seltsames Gefühl, im Wahlkampf plötzlich so zu tun, als wäre ich jetzt der Steirer, der die Landsleute in Wien vertritt. Das wäre nicht ehrlich und authentisch gewesen. Letztlich war es eine Fülle von Themen, die in den letzten Wochen für mich in der Überlegung waren, auch privater Natur. Ich hatte viele vertrauliche Gespräche mit Sebastian Kurz, er wusste um meine Skepsis und wollte mich als Minister auch halten. Aber letztlich hat er meine Gründe respektiert. Ich wollte ihm meine Entscheidung auch geben, bevor er in Regierungsverhandlungen geht.

Könnte es sein, dass es eine schleichende Entfremdung zwischen Ihnen und der Politik gegeben hat?
Als Mann der Finanzwirtschaft hatte ich ja vor 2017 überhaupt keinen Zugang zur Politik. Aber ich habe es sehr gerne gemacht. Trotzdem gab es Situationen - FPÖ-Einzelfälle, der Ibiza-Skandal - in denen die Glaubwürdigkeit der Politik sehr, sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ibiza ist für mich noch immer ein grausliches Elementum. Das alles hat meine Stimmung nicht gerade positiv beeinflusst. Auch im Erkennen, wie labil alles sein kann …

Meinen Sie den Misstrauensantrag?
Ja. Bildhaft verglichen mit der Privatwirtschaft wurde ich dort fristlos entlassen ohne Begründung, was an meiner Tätigkeit so kritisch gesehen hätte werden müssen. Ich hatte, wie Sie angesprochen haben, hohe Vertrauenswerte, und dann kommen drei Oppositionsparteien und entscheiden über dich aus parteitaktischen Gründen. Das macht nachdenklich. Aber Entfremdung würde ich es nicht nennen.

Ärgern Sie sich, dass keiner glaubt, dass Ihr Rückzug nichts mit der Casino-Affäre zu tun hat?
Es war tatsächlich eine unangenehme Verknüpfung und hat unsere Kommunikation natürlich komplett über den Haufen geworfen. Sebastian Kurz und ich wollten es noch vor Start der Regierungsverhandlungen kommunizieren. Zufall oder nicht, aber dann kam die Hausdurchsuchung. Ich sehe ein, dass der Zusammenhang hergestellt wird. Trotzdem ist es die Wahrheit, dass es keinen Zusammenhang gibt. Ich weiß es, meine Frau weiß es, Sebastian Kurz weiß es, das genügt mir.

Was werden Sie jetzt machen?
Ich gehe davon aus, dass ich wieder in der Privatwirtschaft tätig sein werde. Aber es gibt diesbezüglich noch keine Entscheidung.

Haben Sie ein Rückkehrrecht zu Uniqa?
Nein, das ist in der Privatwirtschaft auch unüblich.

Beziehen Sie noch Ihr Politikergehalt?
Nachdem ich nach der Abwahl der Regierung von einem Tag auf den anderen in der Luft hing und überhaupt keine wirtschaftliche Basis mehr hatte - ich konnte ja nicht wie ein Beamter einfach in meine alte Funktion zurückkehren -, habe ich das Anrecht auf Entgeltfortzahlung in Anspruch genommen. Das sind 75 Prozent des früheren Gehalts, auf sechs Monate. Es läuft Ende dieses Monats aus.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie die derzeitigen Regierungsverhandlungen beobachten?
Ich habe in den letzten Wochen auch bei all meinen Kontaktgesprächen gespürt, dass es hier von beiden Parteien, sowohl von der ÖVP als auch von den Grünen, eine wirklich sehr ernsthafte Bemühung und Anstrengung gibt, eine neue, zukunftsgestaltende Regierung zu bilden. Ich werde nicht dabei sein, und da ist natürlich auch ein kleiner Abschiedsschmerz dabei. Sich entscheiden heißt immer, Abschied zu nehmen von einer Möglichkeit. Vorherrschend ist aber das Gefühl, dass meine Arbeit in der Politik wertvoll und gut war.

Ihrer Einschätzung nach: Wird es etwas mit Türkis-Grün?
Die Chance ist groß, wenn wir uns die beiden anderen Alternativen anschauen. Die eine Partei ist in der Selbstzerstörung, die andere in der Selbstfindung. Die Zuordnung überlasse ich Ihnen! (Lacht.)

Halten Sie es auch für möglich, dass die Causa Casino zu Neuwahlen oder zum Scheitern der Regierungsverhandlungen - Stichwort Untersuchungsausschuss - führen könnte?
(Seine Stirn legt sich in Falten, er schaut verwundert.)
Zweimal nein. Die Diskussion über einen Untersuchungsausschuss oder eine Sondersitzung des Nationalrats sehe ich als parteitaktisches Manöver. Auch wenn es viele glauben wollen, es wird keinen Einfluss auf die künftige Regierung haben.

Haben Sie einen Wunschkandidaten für Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger?
Nein, aber ich bin überzeugt, dass Sebastian Kurz und die ÖVP genügend Potenzial haben.

Könnte es auch eine Grüne, ein Grüner werden?
Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

Zur Person
Geboren am 15. Juli 1965 in Selzthal, Steiermark. Löger wollte Pilot werden, konnte aber aufgrund einer Knieverletzung die Ausbildung beim Bundesheer nicht fortsetzen. 1985 kam er in die Versicherungsbranche, seit 2002 war er bei der Uniqa, ab 2011 Generaldirektor der Uniqa Österreich. 2017 holte Sebastian Kurz ihn als Finanzminister in die türkis-blaue Regierung. Verheiratet seit 1989 mit Claudia, am Sonntag feiert das Paar seinen 30. Hochzeitstag. Zwei Kinder (Christoph ist 29, Bettina 28), zwei Enkel (Leonie und Joao). Die Lögers leben in Wien.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung 

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