Schlagfertig

Grubinger: „Das politische Klima ist angespannt“

Salzburg
05.05.2019 16:01

Meine Kolumne in der Vorwoche hat sehr viele Leserreaktionen erbracht. Dafür möchte ich Ihnen, liebe Leser, recht herzlich danken. Jene Leser, die vor zwei Jahren Kanzler Kurz gewählt haben und sein politisches Programm unterstützten, tun dies - meiner Beobachtung nach - in weiten Teilen inhaltlich auch heute noch. Nur gerät da einiges ins Wanken, weil weniger über politische Initiativen gesprochen wird, sondern mehr verbale Fehlleistungen die Tagespolitik dominieren.

Nun habe ich Anfang dieser Woche mit guten Freunden darüber diskutiert. Das ist für mich wichtig, damit ich meine Standpunkte überdenken kann und neue Eindrücke gewinne. Ideal ist es, das mit Diskussionspartnern zu tun, die einen freien, halbwegs unverstellten Blick auf die Lage haben. Einig waren wir darin, dass das politische Klima in Österreich derzeit nervös und angespannt ist und es möglicherweise ganz neue, unerwartete Schritte bräuchte, damit politisch etwas weitergehen kann und unser Land gleichzeitig nicht an Ansehen und Zusammenhalt verliert.

Somit habe ich am vergangenen Dienstag mit Spannung den Auftritt des Kanzlers in der „ZiB 2“ bei Armin Wolf erwartet. Als Kurz die Pläne seiner Steuerreform erklärte, war ich durchwegs positiv überrascht und angetan. Ein großer Schritt, der tatsächlich eine spürbare Entlastung für viele Bürger bringen kann. Natürlich ist das alles von der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Monaten und Jahren abhängig. Sollte uns daraus ein neues Sparpaket drohen, wird aus einer guten politischen Idee ein Taschenspielertrick. Doch, so dachte ich, während der Bundeskanzler seine Steuerpläne offenbarte, ist das zuallererst eine verdammt gute Sache. Dies ist eine Reform, die auch von der SPÖ in großen Teilen mitgetragen werden sollte. Denn: Die politische Situation in Österreich erfordert es, dass vernünftige Kräfte zusammenrücken. Wir müssen aus den negativen internationalen Schlagzeilen rauskommen und da dürfen persönliche Eitelkeiten und Verletzungen aus vergangenen Zeiten keine Rolle spielen. Sebastian Kurz muss jetzt bald täglich ausrücken und das Unerklärliche erklären. Er muss dabei seine roten Linien regelmäßig überschreiten und, zum Schutz seines wild gewordenen Regierungspartners, selbst bizarre und teils unhaltbare Vorwürfe gegen die Opposition lancieren. Dabei gerät seine politische Agenda in den Hintergrund. Das kann niemand wollen. Denn gewählt wurde ein politisches Programm - keine Daueranpatzerei.

Aus meiner Sicht sollte die SPÖ nun interne Unstimmigkeiten, resultierend aus den vergangenen Jahren des gegenseitigen Wadlbeißens, endlich überwinden und das Gespräch mit der von Kanzler Kurz geführten ÖVP suchen. Ich bin sicher, ein gemeinsames Programm, das vernünftige Schritte der Modernisierung mit einem sozialpolitischen Ausgleich verbindet, wäre höchst an der Zeit. Dazu müsste das gegenseitige Misstrauen beiseite geschoben werden und eine Basis des Vertrauens geschaffen werden. Möglicherweise auch mit Mitstreitern aus beiden Parteien, die aus der Vergangenheit nicht belastet sind und, so träumerisch naiv will ich auch wieder sein, einfach das Beste für unser Land wollen. Auch die SPÖ hat Politiker in ihren Reihen, die große Wahlerfolge errungen haben und großen Rückhalt in der Bevölkerung genießen. Jetzt könnte der Zeitpunkt gekommen sein, um respektvoll und auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen.

Mein Beruf erfordert es, dass ich fast wöchentlich im Ausland unterwegs bin und da muss man ununterbrochen erklären, warum Teile unserer Regierung keinen glaubwürdigen Abstand zum Extremismus schaffen, die freie Presse konstant attackiert und infrage gestellt wird und Minister mit Vokabeln der Ultrarechten ihre Pressekonferenzen bestreiten. Das versteht eigentlich niemand mehr.

Zurück zum Kanzlerinterview in der „ZiB 2“: Zum Ende des Gesprächs musste Sebastian Kurz wieder den Verteidiger seines Regierungspartners spielen. Und aus einem grandiosen Auftritt zum Thema Steuerreform wurde ein Kanzler, der sichtlich keine große Lust darauf hatte, wiederum der politische Notarzt für den Regierungspartner sein zu müssen. Ich kann das gut verstehen. Ein zu Beginn fulminanter Konzertauftritt endet mit vielen falschen Tönen. Frustrierend!

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