Unberührt

Albanien – vergessene Perle an der Adria

Reisen & Urlaub
15.01.2018 09:00

Unberührte Berglandschaften bereisen und das Mittelmeer aus einem neuen Blickwinkel betrachten – warum nicht einmal Albanien entdecken?

Europa hat kaum noch Geheimnisse. Eines der letzten ist Albanien. Bis 1985 hatte der kommunistische Präsident Enver Hoxha das kleine Land im Südwesten der Balkanhalbinsel von der Welt abgeschottet. Jede Religion war verboten. Im fortschreitenden Verteidigungswahn ließ der Diktator Albanien mit Bunkern übersäen. Bis zu 700.000 soll es geben. Wenngleich nicht immer sichtbar, die Relikte sind überall – in Gemüsefeldern, Olivenhainen, Gärten, am Strand. Jetzt werden die „Pilze“, wie Einheimische Hoxhas in Beton gegossenes Erbe nennen, als Weinkeller, coole Bar oder hippes Hotel genutzt.

Heute zeigt sich das Land offen, fast unverdorben
Mit Gastfreundschaft werden interessierte Besucher überrascht – aufrichtig, herzerfrischend. Mutter Teresa, eine der berühmtesten albanischen Persönlichkeiten, hätte ihre Freude daran. Und dort, wo sich die Weltreligionen einst kreuzten, werden seit dem Ende der Hoxha-Ära alte Klöster und Moscheen herausgeputzt. Kirchtürme stehen neben Minaretten. „Das ist der albanische Weg“, sagt Reisebegleiter Jetmir. Sein Vorname bedeutet „gutes Leben“. Ein Omen.

Die Antike offenbart sich in Apollonia
... unweit der Stadt Fier. Unter den Römern war die dorische Siedlung ein bedeutendes Handelszentrum an der Küste Illyriens. Auf Geheiß seines Onkels Julius Caesar kam Octavian hierher, um Rhetorik, Kriegskunst und Griechisch zu studieren. Er ging als späterer Kaiser Augustus in die Geschichte ein. Überreste von Apollonias Tempeln, Theater und Marktplatz lassen sich noch besichtigen. Von listigen Handwerkern zeugen im nahen Kloster lebensgroße Statuen, meist ohne Kopf mit einem Loch zwischen den Schultern. Den Grund dafür verrät Jetmir: „Weil damals die Herrscher oft wechselten, mussten Aufträge rasch erledigt werden. So legten sich Bildhauer einen Vorrat an steinernen Figuren an, das fehlende Haupt wurde bei Bedarf hergestellt. Wer nicht rechtzeitig fertig wurde, hätte selbst den Kopf verloren.“

Mediterranes Flair versprüht die Küstenregion
Von der Hafenstadt Vlora an der Straße von Otranto, der engsten Stelle der Adria, führt die Route vorbei an der idyllischen Halbinsel Karaburun. Später schlängelt sich der Asphalt durch dicht bewachsenes Gebirge bis auf über 1000 Meter. Ein beliebtes Naherholungsgebiet, durchzogen vom frischen Duft der Kiefern und Tannen. Auf dem höchsten Punkt, dem Llogara-Pass, lichtet sich das dunkle Grün und gibt den Blick frei auf tiefes Blau. Jetmir zeigt auf eine weiße Linie im Wasser am Horizont – dorthin, wo Adria und Ionisches Meer aufeinandertreffen. Bald darauf liegt der Llogara-Nationalpark hinter und die albanische Riviera vor uns. Saranda ganz im Süden ist das Dorado von Badegästen. In Sichtweite der griechischen Insel Korfu breiten sich die archäologischen Stätten des 3000 Jahre alten Butrint aus. Ein Weltkulturerbe, das Vergil seinerzeit als zweites Troja besungen hat.

Gut zu Fuß sollten Besucher von Gjirokastra sein
In der „Stadt der Steine“ gibt es kaum eine Straße ohne Steigung. Ein Spaziergang durch die verwinkelten Gassen und auf die mächtige Burg lohnt sich aber. Silbern schimmern im Sonnenlicht die Dächer der Häuser, die mit Steinplatten aus den nahen Gebirgen gedeckt sind. Die Bewohner gelten als die Schotten Albaniens. Gerne wird über ihre Sparsamkeit gewitzelt. Beispiel gefällig? Fragen zwei Passanten einen Taxler, was die Fahrt kostet. 3000 Lek (22,5 Euro) gibt ihnen der Mann am Steuer zur Antwort. „Fahren Sie los! 2000 Lek sind okay“, sagen die Kunden. „Warum 2000 Lek?“, will der verblüffte Taxler wissen. „Kommen Sie nicht mit uns?“, erwidern die Fahrgäste.

Die „Stadt der 1001 Fenster“
Auf der Liste architektonischer Kostbarkeiten der UNESCO steht neben Gjirokastra auch Berat. Die „Stadt der 1001 Fenster“ ist berühmt für ihre weißen Häuser, die sich an zwei Talhängen dicht aneinanderreihen. Auf dem Bergrücken im Hintergrund prangt in riesiger Schrift das englische Wort Never, zusammengesetzt aus den Buchstaben von Hoxhas Vornamen Enver: nie (wieder)! Ein Symbol der historisch gewachsenen Liebe zur Freiheit, die im meist besetzten Albanien allgegenwärtig ist. Wie ein Nationalheld wird Skanderbeg verehrt. Vom Bergdorf Kruja aus verteidigte er im 15. Jahrhundert das Land gegen die Osmanen. Enver Hoxhas Tochter entwarf für ihn ein Museum, nachempfunden einer mittelalterlichen Burg. Vor Ort erfahren wir: „Helm und Schwert, die Skanderbeg zugeschrieben werden, bewahrt das Kunsthistorische Museum in Wien auf.“

Tirana
In der Hauptstadt stoßen wir erneut auf einen „Pilz“ aus Hoxhas Zeiten. Mitten im Zentrum der Hauptstadt stehen wir am Eingang zu Bunk’Art. Begleitet vom Sirenengeheul wie bei einem Luftangriff, führen Stiegen hinab in ein unterirdisches Museum, das Kunstinstallationen beherbergt und eine dunkle Vergangenheit aufzeigt, als etwa perfide Spitzelmethoden auf der Tagesordnung standen. Hochinteressant! Jetmir über den Status quo: „Nicht alles funktioniert perfekt. Albanien ist ein Land im Umbruch, das wartet, in Europa anzukommen.“ Dazu gehört auch der Tourismus.

Karl Grammer, Kronen Zeitung

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