Neue Ministerin

Ist es das, was Sie wollten, Frau Köstinger?

Österreich
29.12.2017 06:00

Die neue Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger (39), spricht über Klimapolitik und Klimaleugner, die heile Welt des Jungbauernkalenders und ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck.

An den Türen des ehemaligen "Ministeriums für lebenswertes Österreich" am Wiener Stubenring picken gelbe Post-its mit den Namen der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Alles ist noch im Umbau", entschuldigt sich Elisabeth Köstinger, "auch mein Büro." Deshalb findet das "Krone"-Interview in einem sterilen Besucherzimmer statt. Na ja, wenigstens die zwei üblichen Fahnen von Österreich und Europa bringen ein wenig Farbe in den Raum. Und die neue Ministerin: Sie trägt eine azurblaue Seidenbluse mit Schleife, dazu große Silberohrringe, eine rotgoldene Uhr und zwei dünne Lederarmbändchen. Während des gesamten Gesprächs verliert die Kurz-Vertraute und gebürtige Kärntnerin nur einmal ihr freundliches Lächeln.

Krone: Frau Minister, an den Wänden draußen hängen Ihre Vorgänger, alles Männer. Ist es wichtig, dass jetzt eine Frau dieses Ressort übernimmt?
Elisabeth Köstinger: Auf jeden Fall. Weil es um eine Gesamtstrategie geht, zu der auch zählt, genügend Frauen und Expertinnen in der Regierung zu haben. Zum ersten Mal in 150 Jahren steht eine Frau diesem Ressort vor, das ist schon eine schöne Geschichte.

Wird der Name "Lebensministerium" bleiben?
Nein. Es wird Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus heißen, wobei Landwirtschaft, Umwelt und Energie unter dem Thema Nachhaltigkeit zusammengefasst sind. Und dann kommt noch Bergbau zu mir. Das finde ich auch sehr schön, weil es ja ursprünglich das Ackerbau- und Bergbauministerium war. Zum ersten Mal nach 150 Jahren, fast auf den Tag genau, ist das wieder so.

Nach dem anstrengenden Wahlkampf und den Regierungsverhandlungen: Wieviel beträgt momentan Ihr Schlafpensum?
Es ist nach wie vor sehr gering. Ich hatte immer gehofft, dass das Leben nach dem 15. Oktober wieder etwas normaler wird. Das Gegenteil war der Fall. Die Regierungsverhandlungen waren eine extrem intensive Zeit, letzten Montag war dann die Angelobung und die Übernahme des Ressorts hat auch nicht dazu geführt, dass das Arbeitspensum weniger geworden ist. Also um Ihre Frage zu beantworten, mein Schlafpensum beträgt vier bis sechs Stunden, meistens tendiert es eher zu vier.

Sind Sie glücklich, jetzt hier zu sein? Ist es das, was Sie wirklich wollten?
Das ist mein Lieblingsministerium. Wir haben es unter dem Themenschwerpunkt "Zukunft" verhandelt, und ich glaube, dass man unsere Lebensgrundlagen als Zukunft sieht, ist schon einmal ein sehr großer Paradigmenwechsel. Ich werde das mit sehr viel Leidenschaft und auch Liebe erfüllen. Trotzdem ist mir die Entscheidung, in die Regierung zu wechseln, sehr schwer gefallen.

Sie sind dafür auch heftig kritisiert worden. Sich als erste Nationalratspräsidentin angeloben zu lassen, um dann doch Ministerin zu werden, war das nicht eine Missachtung des Parlaments?
Als diese Entscheidung, mich dort zur Wahl zu stellen, fiel, war ja noch nicht einmal klar, ob wir überhaupt eine Regierung zustande bringen, da hatten die Gespräche ja erst begonnen.

Naja, es war ziemlich vorhersehbar.
Die ersten Wochen waren schon sehr intensiv, weil wir mit den Dissenspunkten begonnen haben.

Hätte es auch schiefgehen können?
Es hätte immer schiefgehen können. Es hat sehr viele Bereiche gegeben, wo wir uns gut verstanden haben, wo es große Einigkeit gab. Aber auch viele Bereiche, wo es für beide Seiten eine wirklich große Überwindung war, zuzustimmen. Wenn Sie meine Zeit als Nationalratspräsidentin verfolgt haben, wissen Sie, dass sie da sehr ambitioniert war, etwa, indem ich eine Anlaufstelle für sexuelle Übergriffe initiiert habe. Aber als es die Chance gab, ein echtes Nachhaltigkeitsressort zu übernehmen, was perfekt zu mir und meiner Expertise passt, habe ich mich doch schweren Herzens entschieden, in mein Fachressort, zu meinen Herzensthemen zurückzukehren. Dieser Mammutaufgabe werde ich mich jetzt stellen.

Parteipolitik vor Staatspolitik. Kein Zeichen der Geringschätzung?
Für mich nicht. Ich habe versucht, einen guten und konstruktiven Übergang zu schaffen. In persönlichen Gesprächen ist die Sichtweise oft eine andere als man öffentlich zu hören bekommt, speziell vonseiten der Opposition.

Musste Sebastian Kurz Sie überhaupt fragen?
Natürlich musste er fragen. Und der Frage ist ein langer Diskussionsprozess vorausgegangen.

Die österreichische Klimapolitik steht nicht gut da, in Österreich steigen die CO2-Emissionen, es gibt bis heute keine Klima- und Energiestrategie. Wie wollen Sie das ändern?
Wir haben tatsächlich große Herausforderungen, das ist mir absolut bewusst. Es ist jetzt erstmals der Fall, dass wir Klimaschutz als klares Ziel im Regierungsprogramm verankert haben. Diese Klima- und Energiestrategie zustande zu bringen, wird für mich einer der ganz großen Schwerpunkte sein. Alle meine Vorgänger sind bisher daran gescheitert. Ich sehe es als riesengroße Chance. Ich werde das mit viel Energie und Leidenschaft vorantreiben.

Der US-amerikanische Präsident ist ja aus dem weltweiten Klimaabkommen ausgestiegen. Sind Sie Arnold Schwarzeneggers Meinung, dass das keine Rolle spiele?
Nicht ganz, weil dieses Abkommen ein extrem wichtiger Schritt für die nächsten Generationen war. Ich finde es sehr bedauerlich, dass die USA da Rückschritte gemacht haben. Wir beweisen mit unserem Regierungsprogramm das Gegenteil. Klimaschutz und die Umsetzung der Paris-21-Ziele sind klar verankert. Natürlich mit dem Wissen, dass es eine schwierige Aufgabe wird. Das zeigt, dass diese Regierung sehr ambitioniert ist.

Klimaleugner wie Donald Trump gibt es ja auch bei uns, zum Beispiel bei Ihrem Koalitionspartner FPÖ. Wie werden Sie mit denen umgehen?
Das Klima- und Umweltthema war bei den Regierungsverhandlungen ein großes und zentrales Thema. Vieles der Kritik seitens der FPÖ war auch immer dem Ausbau der Atomenergie auf europäischer Ebene geschuldet. Da sind wir nicht weit auseinander. Wir haben ein klares Bekenntnis zum Atomkraftausstieg.

Heinz-Christian Strache hat Trumps Kurs sogar gelobt.
Ich denke, jeder Mensch ist lernfähig. Dass wir zu viel CO2-Ausstoss haben, dass unsere Emissionen dazu beitragen, den Klimawandel zu beschleunigen, darüber gibt es wenig Zweifel. - Elisabeth Köstinger schaut das erste Mal ernst.

Werden Sie ihn überzeugen?
Wir sind da auf einem sehr guten Weg. Das Umweltkapitel war sogar als erstes fertig, obwohl es eines der umfangreichsten ist. Entscheidend wird sein, dass wir alle zusammenarbeiten. Auch im Verkehrsbereich, wo Infrastruktur- und Verkehrsminister Hofer ein sehr verlässlicher Partner und ein Garant dafür sein wird, dass wir unsere Ziele auch erreichen.

Er will das Tempo auf Autobahnen erhöhen. Das ist doch keine umweltfreundliche Maßnahme?
Ja, aber es geht immer um eine Gesamtstrategie.

Hat auch das Thema Ernährung Klimarelevanz?
Das ist natürlich ein erheblicher Faktor. Wir haben da ein echtes Leuchtturmprojekt in Planung, einen Paradigmenwechsel weg vom Billigstbieterprinzip hin zum Bestbieterprinzip. Das bedeutet, dass in Zukunft, speziell auch in der Bundesbeschaffung, nicht mehr das Billigste gekauft wird, sondern es können auch regionale Erzeuger den Zuschlag bekommen, wenn sie bessere Qualität liefern. So werden wir regionale Wirtschaftskreisläufe ankurbeln und auch unsere bäuerlichen Familienbetriebe unterstützen.

Das Heile-Welt-Bild, das die Lebensmittelwerbung vom Alltag der Bauern zeigt, hat mit der Realität nicht viel zu tun. Das sprechende Schweinderl zum Beispiel oder auch der Jungbauernkalender. Sehen Sie da eine Gefahr?
Diese Entwicklung haben wir leider seit Jahren. Wenn ich heute glaube, dass ich um wenige Euro ein Kilo Fleisch kaufen kann und dieses Tier vorher glücklich auf der Weide gestanden ist, dann ist das eine Verlogenheit, die es aufzuklären gilt. Auf der anderen Seite müssen wir die Ursprünglichkeit in der Produktion noch stärker unterstützen.

Hängt bei Ihnen zu Hause ein Jungbauernkalender?
Nein, aber ich glaube, er war ein sehr gutes Instrument, dieses verstaubte Image der Jungbäuerinnen und -bauern ein bisserl geradezurücken. Das ist mit einem Augenzwinkern passiert. Die Jungbauernschaft hat damit Preise gewonnen und sehr viel Aufmerksamkeit erreicht, und das ist per se ja nichts Schlechtes.

War das ein schwarzer Tag, als sich die EU-Staaten über mehr als 1,3 Millionen Europäer hinweggesetzt haben, die ein Aus für Glyphosat gefordert hatten?
Na ja, es war eine Mehrheitsentscheidung, 19 Staaten haben für eine weitere Zulassung von Glyphosat gestimmt. Österreich war dagegen. Wir sind auch im Regierungsprogramm übereingekommen, dass es jetzt eine Machbarkeitsstudie und einen klaren Plan zum Ausstieg für Glyphosat geben soll. Wir starten einen ähnlichen Prozess wie Frankreich. Ich bin überzeugt, dass es keine weitere Zulassung mehr geben wird und wir werden darauf vorbereitet sein, das wirklich auch so zu begleiten. Das ist eine Übereinkunft der Bundesregierung, alle stehen zu 100 Prozent dahinter.

Und TTIP?
TTIP ist tot.

Frau Köstinger, wissen Sie eigentlich, wie Ihr ökologischer Fußabdruck aussieht?
Den CO2-Verbrauch hab' ich nicht im Kopf, aber er ist sicher hoch, weil ich in den Jahren als Europaabgeordnete unfassbar viel geflogen bin. Dabei bin ich eine leidenschaftliche Zugfahrerin, weil man da nebenbei großartig arbeiten kann. Aber ich bin auch sehr viel auf der Straße unterwegs. Allerdings fahre ich ein Hybridauto. Was meinen ökologischen Fußabdruck noch verbessert, ist mein Bewusstsein für regionale Ernährung, für den Wert, den Nahrung hat.

Wie äußert sich das?
Ich komme ja selber von einem Biobauernhof. Ich bin damit groß geworden, dass Brot etwas extrem Kostbares ist. Etwas, das man nicht wegschmeißt, nur weil es hart ist. Deshalb würde ich nie zehn Semmeln kaufen, wenn ich nur drei brauche. Lieber weniger, dafür sehr hochwertige Qualität.

Sie haben bei unserem letzten Interview gesagt, Ihre dicke Haut sei irgendwo zwischen Elefant und Wildschwein angesiedelt. Geht das mittlerweile schon eher Richtung Elefant?
Meine Haut ist definitiv nicht dicker geworden. Sicher: Wenn ich mir alles zu Herzen nehmen würde, dann könnte ich meinen Job nicht mehr machen. Aber mir ist auch extrem wichtig, für Kritik offen, einfach berührbar zu bleiben.

Eine Kärntner Bauerntochter
Geboren am 22.11.1978 in Wolfsberg, aufgewachsen auf einem Bauernhof in St. Paul im Kärntner Lavanttal, den heute ihre um zwei Jahre jüngere Schwester Martina führt. Der kleine Bruder starb mit zehn Jahren an einer Stoffwechselerkrankung. Abgebrochenes Studium, politisch aktiv seit 1995 (Landjugend, Jungbauern), ÖVP-Mitglied seit 2007, Mitglied des Europäischen Parlaments seit 2009, Präsidentin des Ökosozialen Forums Europa. Im Mai wurde Köstinger ÖVP-Generalsekretärin, im November Kurzzeit-Nationalratspräsidentin.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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