Auch Bartl wird in Berufung gehen. Er empfindet die Strafe als viel zu hart: "Der vom Ankläger angegebene Betrugsschaden ist am Ende gleich um mehr als 90 Prozent reduziert worden! Ich kenne keinen Fall, bei dem bei so geringem Schaden und Unbescholtenheit ein 'Unbedingt' verhängt wurde."
Dass das mit der Rechtskräftigkeit dauern könnte, bestätigt auch Gerichtssprecher Helmut Krischan. "Wenn der Fall beim Obersten Gerichtshof landet, dann könnten zwei Jahre vergehen, danach kann ein Aufschubantrag ein weiteres Jahr bringen." Und dann gibt's immer noch die Amnestie-Chance durch den Bundespräsidenten oder ärztlich bestätigte Haftunfähigkeit.
272.657,18 Euro Geldstrafe
15 Monate Haft, davon fünf unbedingt, so lautete das Urteil für Andrea Herberstein. Zusätzlich muss sie eine Geldstrafe von 272.657,18 Euro bezahlen. Ursprünglich hatte Staatsanwalt Johannes Winklhofer einen Betrugsschaden von 73.764,23 Euro angenommen, den er während der Verfahrens auf 519.148 Euro erhöhte. Der Schöffensenat senkte den Betrag aber beträchtlich und nahm nur noch einen tatsächlichen Schaden von 38.468,55 Euro an, der dem Land Steiermark durch ungeschriebene Rechnungen entstanden sein soll.
Beim ehemaligen Gutsverwalter Heinz Boxan, dessen Selbstanzeige bei der Finanz entscheidend für die Anklage war, ging der Staatsanwalt zunächst von einem Schaden in der Höhe von 70.548,66 Euro aus, und erhöhte diesen dann auf 328.336 Euro. Der Schöffensenat befand allerdings, dass 35.552,92 Euro als Schadenssumme angemessen sind. Boxan kam daher auch mit einer bedingten neunmonatigen Haft davon, seine Geldstrafe beträgt 101.384,96 Euro.
Freispruch von Max sollte bald rechtskräftig sein
Andrea Herbersteins Sohn Maximilian wurde vom Vorwurf der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen freigesprochen. In diesem Fall hat der Ankläger allerdings keine Erklärung abgegeben, was bedeutet, er kann innerhalb von drei Tagen noch Rechtsmittel anmelden. Tut er das nicht, wird zumindest dieses eine Urteil rechtskräftig. Meldet er jedoch Berufung an, dann ist die Sache auch für Maximilian nicht abgeschlossen, denn dann könnte er in zweiter Instanz immer noch verurteilt werden.
Zunächst muss Richterin Elisabeth Juschitz ein schriftliches Urteil ausfertigen, dann geht der Fall an das Oberlandesgericht. Bis dort jemand den sehr umfangreichen Akt studiert hat und es tatsächlich zu einer Berufungsverhandlung kommt, werden mit Sicherheit Monate vergehen. Bis dahin muss Andrea Herberstein nicht ins Gefängnis und auch keiner der Angeklagten seine Geldstrafe bezahlen.
Der - vorerst - letzte Tag
Der 28. Tag im steirischen "Prozess des Jahres" begann mit dem letzten Plädoyer. Candidus Cortolezis, Anwalt des mit angeklagten Ex-Verwalters Heinz Boxan, feuerte die letzten Breitseiten gegen die "Gräfin" ab, dann zog sich der Schöffensenat zur vierstündigen Beratung zurück.
Es war mucksmäuschenstill, als Richterin Elisabeth Juschitz am Mittwoch um exakt 14.54 Uhr die Urteile im Herberstein-Prozess verkündete. Die Strafe für die angeklagte Schlossherrin löste bei den meisten Anwesenden billigendes Nicken aus: 15 Monate Haft, davon fünf unbedingt, dazu eine saftige Geldstrafe. Andrea Herberstein verließ danach beinahe fluchtartig den Saal.
Das sagte die Richterin
"Sie waren für mich die alleinige Geschäftsführerin", wendet sich die Richterin an die Verurteilte, die mit steinernem Gesicht zuhört. Kein Stirnrunzeln, kein Kopfschütteln. "Sie wollten den Betrieb so rasch wie möglich auf Vordermann bringen, haben Kredite aufgenommen und um Förderungen angesucht. Wenn man kein Geld hat, dann muss man halt schauen, dass man welches kriegt. Mehrere Projekte wurden gleichzeitig verwirklicht - dabei haben Sie den Überblick verloren." Und das Land etwa mit umgeschriebenen Rechnungen getäuscht. "Dort ging man davon aus, dass der Geförderte ehrlich ist."
Das sagte Andrea Herberstein
"Mein einziges Ziel war es stets, Herberstein zu erhalten. Dass auf diesem Weg auch Fehler passiert sind, gebe ich zu und ich habe sie hier auch zu verantworten. Es war ein Prozess der Emotionen, die vor allem auch durch die mediale Begleitung geschürt wurden. Das hat sehr viel in mir ausgelöst. Ich bin anders als jene Person, die nicht zuletzt auch durch das Zerrbild entstanden ist, das Heinz Boxan aus Rache und Vergeltung von mir gezeichnet hat. Mir geht es um die Wahrheit, und ich habe alles getan, um sie zu finden."
Das sagte Max Herberstein
"Das Unternehmen ist erst 2001 für mich relevant geworden, als meine Schwester den Besitz aufgeteilt hat und ich Geschäftsführer geworden bin. Ich lebe ja in London und war daher anfangs kaum in der Lage, mich wirklich um die Geschäfte zu kümmern. Das hab ich erst später tun können. Was nach 2005 passiert ist, hat dann ja zu einer ordentlichen Lösung geführt, mit der alle gut leben können. Das Bild, das in diesem Prozess von meiner Mutter gezeichnet wurde, ist falsch - sie hat stets nur im Interesse der Kinder gehandelt."
"Krone"-Kommentar: Auch die Politik war angeklagt
Man hat, nach dem BAWAG-Prozess in Wien, auch in Graz bewiesen, dass es vor Gericht keinen Promi-Bonus gibt. Im Falle von Schlossherrin Andrea Herberstein lagen schwerer gewerbsmäßiger Betrug samt Steuerhinterziehung auf der einen Waagschale und auf der anderen 15 Monate Haft, von der fünf Monate abzusitzen sind, sowie 272.657,18 Euro in bar für das Finanzvergehen. Die Balance dürfte stimmen. Trotzdem bleibt ein schaler Geschmack. Denn eigentlich saß auch die Politik mit Freunderl-Wirtschaft und Förderungs-Füllhorn auf der Anklagebank. Bleibt nur zu hoffen, dass nun das eintritt, worauf auch die Richterin hofft: ein politischer Reinigungs-Prozess.
Zitate aus dem Gerichtssaal
"Frau Herberstein hat eine charmante Seite - wir sollten uns aber die andere in Erinnerung rufen." - Candidus Cortolezis, Anwalt des Ex-Verwalters
"Andrea Herberstein war wie ein Staubsauger im Land unterwegs und hat Förderungen aufgesaugt." - Candidus Cortolezis
"Man betakelt den, der einen großzügig unterstützt - so, als ob das Enkerl, das von der Oma fürs Zeugins fünf Euro bekommt, ihr aber dann einen weiteren Fünfer stiehlt." - Candidus Cortolezis
"Man wollte bei Herberstein den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen, aber den Buchhalter wollte man hängen sehen." - Candidus Cortolezis
"Sprechen Sie ein bissl lauter - da hinten sehe ich schon Spitzohren!" - Richterin Elisabeth Juschitz zu Max Herberstein
"Sie haben immer geschaltet und gewaltet, wie Sie es für richtig hielten!" - Richterin Juschitz zu Andrea Herberstein
"Die größte Strafe als Frau und Mutter habe ich schon bekommen - ich muss meinen Sohn neben mir auf der Anklagebank sehen." - Andrea Herberstein
"Mein einziges Ziel war es, Herberstein zu erhalten. Auf dem Weg dorthin sind mir auch Fehler passiert." - Andrea Herberstein
"Ich habe in diesem Prozess alles getan um die Wahrheit zu finden!" - Andrea Herberstein
"Die Frau, die während des Prozesses als meine Mutter beschrieben wurde, die kenne ich nicht!" - Maximilian Herberstein
"Bei Ihnen war es wie bei jemandem, der jahrelang im Auto eine unübersichtliche Kurve schneidet und sich denkt, es kommt eh keiner - eines Tages ist dann aber doch einer entgegen gekommen!" - Richterin Juschitz zu Andrea Herberstein
"Wenn ich auf der einen Seite hoch spiele, dann muss ich mich auf der anderen reduzieren - das haben Sie nicht gemacht!" - Richterin Juschitz zu Andrea Herberstein
"Der Staatsanwalt und Boxans Verteidiger haben mich als eine Person dargestellt, die ich nicht bin." - Andrea Herberstein
von Werner Kopacka ("Steirerkrone") und steirerkrone.at
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