Telefon abgehört

Fahnder kamen Mladic dank eigener Familie auf die Spur

Ausland
29.05.2011 13:50
Dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic sind die serbischen Fahnder erst durch intensivere Observierung seiner engsten Familienangehörigen auf die Spur gekommen. Wie die Belgrader Tageszeitung "Danas" am Samstag unter Berufung auf inoffizielle Quellen berichtete, seien die Telefongespräche der Familie Mladic fast ein Jahr lang mitgeschnitten worden, bis man zur konkreten Information über das Versteck des ehemaligen Militärchefs gekommen sei. Mittlerweile wurde auch bekannt, dass er sich einige Zeit lang in einem Kloster versteckt hatte.

Innenminister Ivica Dacic teilte am Freitag mit, dass sich Mladic zumindest ein Jahr in Lazarevo, einer Ortschaft in der Vojvodina etwa 60 Kilometer nordöstlich von Belgrad, versteckt habe. Er wurde am Donnerstag im Haus seines Cousins festgenommen. Wie die Zeitung „Blic“ am Sonntag berichtete, soll sich Ratko Mladic außerdem nach einem Herzinfarkt einige Zeit lang in einem Frauenkloster versteckt haben. Anfang Oktober 2006 sei er ins Kloster der Heiligen Melanie bei der nordserbischen Stadt Zrenjanin gebracht worden. In der Nähe von Zrenjanin befand sich auch das Haus, indem der ehemalige Militärchef geschnappt wurde.

Die Schwestern des Klosters hätten den mit dem Tod ringenden Mladic in einer Zelle abgeschirmt und mit ärztlicher Hilfe versorgt, berichtete „Blic“ weiter unter Berufung auf Quellen aus dem für das Kloster zuständigen Bistum. Da man mit dem Ableben des Ex-Generals gerechnet habe, sei die Kirchenkrypta als Grab hergerichtet worden. Nach einem Monat habe sich Mladic allerdings weitgehend erholt und sei mit unbekanntem Ziel abgereist.

Mann 2009 wegen Ähnlichkeit mit Mladic verhaftet
Für einen im Belgrader Vorort Ripanj lebenden Mann ist die Festnahme Mladics wohl eine besonders große Erleichterung. Endlich könne er ruhig auf die Straße gehen, erklärte Aleksandar Isailovic gegenüber "Blic". Wegen seiner großen Ähnlichkeit mit Mladic war er vor zwei Jahren auf offener Straße festgenommen worden und war erst nach einer DNA-Analyse wieder freigekommen. Unter den Nachbarn ist Isailovic seitdem nur noch als "General" bekannt.

Er ist allerdings nicht der einzige, der in den letzten Jahren Unannehmlichkeiten wegen der Ähnlichkeit mit Mladic hatte. Die Wiener Polizei hatte im November nach einem anonymen Hinweis, dass sich Mladic dort aufhalten solle, eine Wohnung in der Bundeshauptstadt aufgesucht. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem 62-jährigen Bosniaken lediglich um einen Doppelgänger handelte. Als falscher Mladic entpuppte sich zuvor in der belgischen Stadt Sint-Truiden ein pensionierter Maler. Der Mann, der im September ins Visier der Polizei gekommen war, hatte eine serbische Freundin und eine Zeitlang in Kroatien gelebt. Ein Jahr zuvor war in Kenia ein 63-jähriger Kroate vorübergehend hinter Gitter gekommen, wieder einmal ein falscher Mladic.

Serbischer Staatsanwalt will mit Del Ponte feiern
Der serbische Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, und die frühere Chefanklägerin des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag, Carla del Ponte, haben bereits vor Jahren festgelegt, wie sie die Festnahmen der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Radovan Karadzic feiern wollen. In seinem Büro stünden dafür zwei Flaschen Cabernet Sauvignon des Jahrgangs 2005 mit Abbildungen der beiden Männer auf den Etiketten bereit, sagte Vukcevic am Samstag der Nachrichtenagentur AFP.

Die Flaschen habe Del Ponte ihm einst geschenkt - nachdem nun auch Mladic festgenommen worden sei, wolle er sie wie vereinbart zusammen mit ihr trinken. "Es ist nun Zeit, auf unsere Arbeit zu trinken, wir stoßen auf die Gerechtigkeit an", sagte Vukcevic. "Ich werde Carla Del Ponte anrufen, damit wir die beiden Flaschen zusammen öffnen können."

Mladic von Parlamentspräsidentin untersucht
Einen weiteren Sonderwunsch hat Ratko Mladic am Samstag geäußert: Er wolle durch die Parlamentspräsidentin und Psychiaterin, Slavica Djukic-Dejanovic, untersucht zu werden. Der Wunsch wurde erfüllt. Djukic-Dejanovic hat laut dem Sender "B-92" in der Ambulanz der Gefängnisabteilung vom Sondergericht für Kriegsverbrechen am Abend die Untersuchung vorgenommen. Ergebnisse waren zuerst unbekannt. Laut einem am Freitag angefertigten ärztlichen Gutachten leidet der Haager Angeklagte zwar an mehreren chronischen Erkrankungen, sein Gesundheitszustand lasse jedoch die Überstellung an das UNO-Kriegsverbrechertribunal zu.

Die Familie von Mladic ist einer anderen Meinung. Sein Sohn Darko bekundete am Samstag erneut den Wunsch nach einer unabhängigen ärztlichen Untersuchung. Sowohl die Familie wie auch ihr Anwalt Milos Saljic behaupten, dass Mladic nicht in der Lage sei, sich zusammenhängend zu äußern.

Anwalt will gegen Auslieferung berufen
Saljic hat für Montag eine Berufung gegen die Gerichtsentscheidung angekündigt, durch welche am Freitag der Überstellung von Mladic an das UNO-Tribunal zugestimmt wurde. Er werde sie wahrscheinlich per Post in letzter Minute zustellen, erklärte der Anwalt am Samstag. Das heißt, er muss seinen Einspruch bis zur Schließung aller Postfilialen bis 19.00 Uhr am Montag abschicken. Der Brief, in dem ein psychiatrisches Gutachten beantragt wird - zur Feststellung der Prozessunfähigkeit von Mladic -, kann nach Erfahrungswerten zwei Tage benötigen, bis er bei Gericht eintrifft.

Ab Mittwoch läuft dann für den dreiköpfigen Richterausschuss eine dreitägige Frist, über den Widerspruch endgültig zu entscheiden. An einer Ablehnung des Einspruches ist nicht zu zweifeln, weil die Richter nach amtsärztlichen Untersuchungen schon früher festgestellt hatten, Mladic könne körperlich und geistig seinem Prozess folgen. Nach Verwerfung des Mladic-Einspruchs muss Justizministerin Snezana Malovic die Auslieferung unterschreiben.

Proteste gegen Auslieferung Mladic' weiten sich aus
Die ultranationalistische Serbische Radikale Partei und einige extremnationalistische Gruppen haben für Sonntagabend Proteste im Belgrader Stadtzentrum einberufen. Mladic soll laut Anwalt Saljic am Samstag an die Demonstranten appelliert haben, auf Gewalt zu verzichten. Innenminister Ivica Dacic versicherte am Samstag, dass die Polizei Ausschreitungen verhindern werde. Dutzende Polizisten waren bei einem Protest der Ultranationalisten nach der Festnahme des einstigen Präsidenten der Serbischen Republik Radovan Karadzic im Juli 2008 in Belgrad verletzt worden. Ein Demonstrant erlag wenige Tage später seinen Verletzungen.

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