Selbstversuch

So schnell wird man zum Terrorverdächtigen

Web
13.12.2015 20:07

Ein Schweizer hat demonstriert, wie leicht man für Geheimdienste zum Terrorverdächtigen wird. Hernani Marques, Student der Computerlinguistik an der Uni Zürich, analysierte in einem Selbstversuch sein Kommunikationsverhalten und musste feststellen, dass nicht nur er selbst, sondern auch seine Freundin höchst verdächtig erschienen.

Der 30 Jahre alte Schweizer hat mit Extremismus nichts zu tun, engagiert sich privat aber gegen Massenüberwachung, wie sie etwa Geheimdienste betreiben, indem sie mit bestimmten Suchbegriffen elektronische Kommunikation durchforsten.

Schweiz bekommt neues Nachrichtendienstgesetz
Der Selbstversuch von Marques hat auch einen aktuellen Anlass, denn in der Schweiz wurde ein neues Nachrichtendienstgesetz entworfen, gegen das derzeit ein Referendum läuft. Sollte es in Kraft treten, dürfte der Schweizer Geheimdienst die Kommunikation der Eidgenossen pauschal nach verdächtigen Inhalten filtern.

Im Rahmen seiner Uni-Abschlussarbeit untersuchte Marques Chancen und Gefahren von derartigen massenhaften Kommunikationsanalysen. Zehn Tage lang ließ er sein Surf-Verhalten und auch das seiner Freundin überwachen und protokollieren, weil er wissen wollte "ob wir durch unser normales Verhalten unter Verdacht geraten könnten, politische Extremisten zu sein", berichtet der "Spiegel".

Ernüchterndes Ergebnis
Das Ergebnis fiel ernüchternd aus: "Von 700 übermittelten Inhalten wurden 232 als verdächtig angezeigt", berichtete Marques. In diesen Fällen wurden angeblich extremistische Inhalte konsumiert. In Wahrheit aber sahen sich Marques oder seine Freundin nur harmlose Berichte oder Texte zu wissenschaftlichen Themen an. Einen Text - einen soziologischen Aufsatz - hatte der Schweizer sogar selbst verfasst und danach wieder aufgerufen. Laut Marques hatten nur zwei der 232 angeblich verdächtigen Inhalte auch extremistisches Potenzial.

Trotzdem wäre er aber in den Fokus des Geheimdienstes geraten. Marques nimmt zwar an, dass Geheimdienste wesentlich raffiniertere Methoden verwenden als er selbst, kritisiert aber ein gewisses "Restrisiko, das bei solchen Verfahren nie auszuschließen ist". Eine automatisierte Analyse könne so schnell zur Massenüberwachung führen.

Video aus dem Archiv: NSA-Gegner wollen Geheimdienst Wasser abdrehen

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