"Krone"-Interview

Personalberater: “Politik ist schlechter Leumund”

Österreich
31.08.2014 08:00
Munterer Ringelreigen in der Regierung: Minister kommen, gehen und wechseln wie wild. Kommt da noch jeder mit? Wäre das auch im Berufsleben denkbar? Ein Personalberater gibt Antwort.

Einer kommt, einer geht, heute noch für das Gesundheitssystem zuständig, morgen schon für Schiene und Verkehr. Kann wirklich jeder alles? Sind unsere Politiker allesamt Universalgenies, während das AMS gut ausgebildete Angestellte und Arbeiter sonst für jede noch so kleine berufliche Veränderung in jahrelange Umschulungen und Fortbildungen steckt?

Dr. Hans Jorda (57) zählt zu den Top-Personalberatern des Landes und ist Miteigentümer des global tätigen Unternehmens Neumann & Partners. Er vermittelt als Headhunter internationale Spitzenmanager und Führungskräfte. Für die "Krone" beurteilt er die Qualifikationen und Fähigkeiten unserer Politiker. Wie gut sind sie?

"Krone": Ist das Wechseln von Ministern und Funktionären wirklich seriös? Bundeskanzler Werner Faymann hat neulich erklärt, Fachkompetenz sei "nicht unbedingt" nötig, gefragt sei vielmehr "analytische Begabung, nicht Scheuklappen einer bestimmten Berufssparte".
Dr. Hans Jorda: Viele Besetzungen sind in der Tat nicht ganz nachvollziehbar. In der Wirtschaft geht es um Ausbildungen, vorweisbare Praxis, Hearings, Referenzen und Auswahlverfahren. In der Politik wird hingegen gescannt: Gehört der Kandidat zum richtigen Lager, der richtigen Landespartei, passen Alter und Geschlecht? Dann wird der Kandidat angerufen und besetzt. Politiker setzen mehr auf Freunderln, Loyalitäten und "Günstlinge", weil sie sich so besser gegen Angriffe geschützt fühlen.

"Krone": Einige Minister haben nicht einmal die nötigen Abschlüsse, um im eigenen Ministerium als Beamter aufgenommen zu werden...
Jorda: Auch in der Wirtschaft sagt ein Lebenslauf nur bedingt etwas aus. Es zählen auch Persönlichkeit, Referenzen und Professionalität.

"Krone": Was unterscheidet Politiker und Manager?
Jorda: Manager leben von Leistung und Erfolg. Sie müssen entscheiden und umsetzen. Politiker wollen beliebt sein, es allen recht machen und wiedergewählt werden. Das verhindert Entscheidungen. Dabei arbeiten Politiker gleich viel wie Manager. Nur werden sie schlechter bezahlt und sind dann auch noch im Dauerfeuer der Öffentlichkeit. Spitzenkräfte gehen aus diesen Gründen heute kaum noch in die Politik. Wir haben kaum noch Durchlässigkeit und Austausch. Das wäre aber wichtig! Die meisten Politiker sind ein Leben lang Funktionäre oder Politiker, die wenigsten haben Erfahrung außerhalb des Systems.

"Krone": Der Wechsel wird aber auch seitens der Wirtschaft nicht gerade forciert. Wie schwer fällt es Ihnen, Politiker an Unternehmen zu vermitteln, wenn sie nicht in staatsnahen Betrieben versorgt werden?
Jorda: Politik ist heute schon fast wie ein schlechter Leumund. Da muss ich als Berater oft schon sehr genau erklären, warum ich den einen oder anderen Ex-Politiker für eine gute Personalwahl halte. Selbst, wenn die Kompetenzen passen würden: Viele Firmen haben Angst davor, in der Zeitung zu stehen, wenn sie einen Politiker nehmen. Prominente Namen sind da nicht viel wert. Im Gegenteil. Aber man tut Politikern pauschal oft unrecht. Sie bringen hohe Konfliktmanagement-Kompetenz mit, die Fähigkeit, sich schnell einzuarbeiten und zurechtzufinden. Und viele haben ein Netzwerk, von dem andere träumen.

"Krone": Können Politiker nun alles? Ist es wirklich möglich, von heute auf morgen von der Außenpolitik ins Finanzministerium zu wechseln oder von der Gesundheit in die Infrastruktur?
Jorda: Auch wenn Sie das jetzt nicht so gern als Antwort hören. Aber auch im Topmanagement wechseln Vorstände die Metiers. Da geht es um grundlegende Fähigkeiten. Was die Wirtschaft allerdings von der Politik unterscheidet, ist das professionelle Auswahlverfahren. Hier wird strenger geprüft. Aber bei beiden ist es nicht nur eine Frage der Qualifikationen und Lebensläufe, sondern der richtigen Persönlichkeiten. Da geht es unter anderem auch um Leadership. Wissen Sie, was ich einmal wirklich gern machen würde?

"Krone": Nein. Was?
Jorda: Ich würde die Politik das nächste Mal gern bei der Personalauswahl beraten. Im Sinne von uns Wählern und des Landes.

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