Unter den Journalisten bei der spätabendlichen Pressevorführung in der Wiener Millennium-City befand sich überraschenderweise auch ein Geistlicher. So ernst nimmt es die Kirche also mit dem brisanten Stoff, den Dan Brown vor drei Jahren erstmals veröffentlichte. Andererseits kein Wunder: Mit einer Mischung aus historisch profunden Fakten und einer guten Prise Fantasie legt sich „Sakrileg“ mit dem Allerheiligsten der Christenheit an, mit der Geschichte der Figur des Jesus.
Über „Sakrileg“ lässt es sich mindestens so lange diskutieren wie über die Kirche selbst. Den Film zu boykottieren rief der Vatikan in Presseaussendungen auf. Ihr verteidigt Erfundenes gegen anderes Erfundenes, hieß es von den schärferen Kritikern. Nun ja, es klingen beide „Versionen“ der Geschichte Jesu – nüchtern betrachtet – mehr oder weniger gleich fantastisch. Allerdings ist die eine zweitausend Jahre alt, die andere eben nur drei…
Der Film
Filmisch betrachtet, bietet „The DaVinci Code“ in erster Linie Unterhaltung, schauspielerische Extravaganzen und Spannung. Obwohl in Sachen Suspense das Buch der Leinwand vorzuziehen ist – was jetzt aber nicht so sehr gegen den Film, sondern eher für Dan Browns Schreibstil spricht.
Tom Hanks als Robert Langdon
Schauspielerisch glänzt „The DaVinci Code“ zunächst mit Tom Hanks, der als Robert Langdon eine für seine bisherige Karriere wirklich ungewöhnliche Rolle spielt. In Sachen Witz muss er relativ sparsam bleiben und ganz anders als in Forrest Gump oder als Viktor Navorski in Terminal spielt er hier keinen schrägen Vogel.
Für die Leinwand hat man die Figur des Robert Langdon aber ein bisschen auf „Held“ getrimmt. Anders als im Buch trägt Tom Hanks kein Tweed-Sakko mit Aufnähern in der Ellbogengegend, sondern ein modisches Jackett in Schwarz. Er wirkt auch um einen Tick selbstsicherer als der Langdon im Buch, klaustrophobisch und leicht zu erschrecken ist aber hier wie dort.
Göttliche Audrey Tautou
Viele Fans der „Amélie“ waren zunächst skeptisch, als bekannt wurde, dass Audrey Tautou die Rolle der Polizei-Kryptografin Sophie Neveu spielen soll. Das hätte aber keine andere besser machen können! Aus ihrem Mund klingen haarsträubende Verschwörungstheorien wie vereidigte Treueschwüre und, abgesehen von ihrem Äußeren, kauft man ihr die kühle Französin auch schauspielerisch ab.
Einzig ihre autofahrerischen Stunts bringen das ansonsten recht kohärente Erscheinungsbild ein bisschen durcheinander. Dass sie in einem kubikmetergroßen Smart ein waghalsiges Wendemanöver nach dem anderen hinlegt und mit „quietschenden Reifen“ vor der Polizei flieht, las sich aber bereits im Buch ein bisschen schräg.
Silas und ein Sir, wie er im Buche steht
In der Rolle des hühnenhaften Mönchs Silas gibt Paul Bettany sein Bestes. Die Selbstgeißelungen und das knirschende Festzurren des Bußgürtels sorgen für die raren „Augen zu!“-Momente im Film. Man erinnert sich aber interessanterweise ungewollt an ähnliche Szenen aus Mel Gibsons „Passion Christi“.
Sir Leigh Teabing wird von „Gandalf“, Ian McKellen verkörpert. Der graue Brite spielt die Rolle mit einer Hingabe, die fasziniert. Er ist es auch, weswegen man „The DaVinci Code“ wenn möglich in Originalfassung, also auf Englisch, konsumieren sollte.
Fast gleichgültig und relativ unspektakulär spielt Alfred Molina die Rolle des Erzbischofs Aringarosa. Ganz anders geschieht dies bei Jean Reno, der den streng gläubigen Kriminalisten Bezu Fache in all seiner Verzweiflung zum Leben erweckt.
Regisseur Ron Howard hat dem Film ebenfalls einige seiner Stempel aufgedrückt: Wenn sich Robert Langdon aus Zahlen und Buchstaben Zusammenhänge strickt, geschieht dies mit denselben Leuchteffekten wie in „A Beautiful Mind“. Bedient hat er sich aber auch an epischen Szenerien, die in Rückblenden die Geschichte der Templer rekapitulieren, im Film stellenweise aber etwas fad wirken.
Großes Kino, aber die Welt wird’s nicht verändern
Trotz der gelungen Drehbuch-Umsetzung – die Handlung wurde nur mit wenigen Kniffen auf erweiterte Spielfilmlänge gekürzt, wenn auch zum Schluss etwas ein klein wenig anders läuft… – ist „The DaVinci Code“ aber nicht der vielerorts als „ketzerischer Film“ bezeichnete. Es ist eine spannende Theorie, die einen Denkanstoß gibt, die Geschichten, die religiösen Glauben begründen, zu überdenken. Historie neu schreiben, das kann der Film unmöglich.
Großes Kino, dafür steht „The DaVinci Code“ aber allemal. Schon allein, weil der Stoff von „Sakrileg“ von Anfang an polarisierte, scheinbar Unantastbares antastete und uns jetzt als Film aufs Neue beweist, auf welch wackeligem Fundament viele unserer Grundpfeiler gebaut sind und wie leicht sie sich ein klein wenig aus dem Gleichgewicht hebeln lassen.
Christoph Andert
Alle Bilder © 2006 Sony Pictures Releasing GmbH
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