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“Alpen-Maradona” Liendl: “Gibt üblere Spitznamen!”

Sport
30.04.2015 02:11
"Er ist schwierig", "er braucht viel Nestwärme", "er läuft wenig" und "wenn er läuft, ist er langsam" – Michael Liendl hat in Österreich lange mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt. Spätestens als er von der Austria zum WAC wechselte, trauten ihm nicht mehr viele den Durchbruch zu. Doch 2,5 Jahre später kann der inzwischen 29-Jährige als Spielmacher des deutschen Traditionsklubs Fortuna Düsseldorf mit Genugtuung nach Österreich auf seine Kritiker blicken.

Mit sportkrone.at philosophierte Liendl über die Position des "Zehners", die vielen falschen Schubladen, in die man ihn im Verlauf seiner Karriere bereits gesteckt hat und auch darüber, was er vom Spitznamen "Alpen-Maradona" hält. Im Video oben gibt’s als besonderes Zuckerl noch einen 90-sekündigen Wordrap mit Liendl – auf dass sie genauso viel Spaß damit haben, wie der Alpen-Maradona beim Dreh…

sportkrone.at: 30 Mal im Kader, 28 Mal in der Startelf und zweimal eingewechselt, nach Rechtsverteidiger Julian Schauerte die meiste Einsatzzeit, de facto Passgeber Nummer eins, drittbester Torschütze (7) und zweitbester Assistgeber (6) – wo stünde Fortuna Düsseldorf ohne ihre Nummer 10, Michael Liendl?
Michael Liendl: (lächelt milde) Das ist schwer zu sagen... (überlegt kurz)... Wenn ich nicht da wäre, gäbe es eben einen anderen, der eine genauso gute Performance hinlegt. Klar ist, dass ich mich hier sehr wohl fühle und dass ich ganz genau über meine Qualität Bescheid weiß, wie ich der Mannschaft helfen kann. Ich glaube, das hab' ich auch schon des Öfteren gezeigt.

sportkrone.at: "Alles ist möglich, nichts ist unmöglich. Wir werden versuchen, oben mitzumischen" - vor Saisonbeginn wurde von Düsseldorf-Sportchef Helmut Schulte der Ball flach gehalten. Von einer Pflicht zum Aufstieg war nicht die Rede – wie fällt im Lichte dieser Aussagen dein Fazit zur bisherigen Saison der Fortuna-Saison aus?
Liendl: Ich glaube schon, dass sich hier jeder insgeheim ein bisschen mehr erwartet hat. Ganz klar: Wenn man davon spricht, dass wir vorne mitspielen wollen, heißt das nicht, unter die ersten sieben, sondern unter die ersten drei zu kommen. Tatsächlich sind wir mit einem Respektabstand weg vom Fenster, das ist für die Ansprüche von Klub und Mannschaft und für unsere Qualität viel zu viel.

sportkrone.at: Wenn es am Ende nicht reichen sollte für den Aufstieg, wovon ja durchaus auszugehen ist: Woran wird man den Nicht-Aufstieg festmachen müssen?
Liendl: In erster Linie haben wir einfach keine Konstanz in unser Spiel gebracht. Wir hatten zwei, drei gute und dann wieder zwei, drei schlechte Spiele. Wenn du ganz vorne dabei sein willst, musst du aber konstant gut spielen. Das haben wir in der ganzen Saison nie geschafft - und deswegen haben wir ganz oben auch nichts verloren.

sportkrone.at: "Spiele ich so wie im Moment, dann kann ich der Mannschaft nicht helfen" - diese Aussage von dir hat zum Ende der Herbstsaison im Dezember 2014 im deutschen Blätterwald ob deiner Selbstkritik für Überraschung gesorgt. Woran lag's, dass du in den letzten Monaten der Regentschaft von Coach Oliver Reck an Dominanz verloren hast?
Liendl:(überlegt kurz) Das ist schwer zu sagen! Ich habe einfach nicht die Form gehabt, wie die, als ich nach Düsseldorf gekommen bin. Es gibt bei jedem Spieler Situationen, in denen es nicht so gut läuft - und die Phase habe ich da gehabt. Und zur Selbstkritik: Ich habe schon ein paar Jahre auf dem Buckel und von dem her hab' ich nicht so die Probleme mit der Selbsteinschätzung. Ich spreche aus, wie ich es mir denk' und mein', da muss ich nix verheimlichen.

sportkrone.at: Wer ebenfalls nichts verheimlicht, das sind eure Fans, die im Verlauf der Saison schon das eine oder andere Pfeifkonzert über euch ergehen haben lassen...
Liendl: Die Fans tragen einen Teil dazu bei, dass die Stimmung bei uns nicht immer so gut war. Klar ist: Wir haben richtig geile und gute Fans, die Stimmung machen können. Aber ganz ehrlich: Es bringt selten etwas, wenn man ausgepfiffen wird. Davon wird das Selbstvertrauen der Spieler auch nicht unbedingt gestärkt.

sportkrone.at: Oliver Reck ist inzwischen Geschichte – und mit ihm auch deine Rolle an der Flanke: Wie siehst du den Wechsel auf der Trainerposition auf Taskin Aksoy, der dir zuletzt die zentrale Position zurückgegeben hat?
Liendl: (atmet tief durch) Der Trainerwechsel, der ist ja nicht meine Entscheidung gewesen, wir haben einfach die Ergebnisse nicht geliefert. Und deswegen war der Verein der Meinung, reagieren zu müssen. Ich habe mich unter "Oli" sehr gut gefühlt und zu ihm ein super Vertrauen gehabt. Ja, ich habe unter ihm viel auf der Flanke gespielt, aber es ist für mich nie ein echtes Thema gewesen, dauerhaft auf der Seite zu spielen. Ich sage ganz offen und ehrlich, dass ich im Zentrum am besten bin und der Mannschaft dort am besten helfen kann. Ich bin kein Flügelflitzer, der nach einem 50-Meter-Sprint eine Flanke reinschlägt - das bin ich nicht, auch wenn ich kein Problem damit habe, mal auf der Seite zu spielen. Ich interpretiere die Position dann wahrscheinlich anders, als ein richtiger Flügelspieler.

sportkrone.at: Was macht für dich persönlich die Position des Zehners eigentlich begehrenswerter als eine an den Flanken?
Liendl: Weil ich im Zentrum einfach mittendrin im Spiel bin! Du kannst viel mehr mit dem Ball arbeiten, dich freier bewegen, dich fallen lassen, dir Bälle holen und bist mehr anspielbar als auf der Seite. Ich bin der Typ, der Ballkontakte braucht und sich nicht scheut, den Ball immer noch zu fordern, auch wenn's schlecht läuft. Das ist auf der Seite nicht so der Fall, da musst du auf den Ball warten, da ist man schon eingeschränkt.

sportkrone.at: Stichwort Zehner – wenn man sich die Zahlen zu deiner durchschnittlichen Laufleistung anschaut, sieht man, dass du der viertfleißigste Fortune bist. Der Blick zurück zu deinen Anfängen beim GAK zeigt freilich, dass klassische Zehner früher auch schon mal das Laufen anderen überlassen konnten. Bist du also gar kein klassischer Zehner?
Liendl:(lächelt) Mir wurde in Österreich immer unterstellt, dass ich zu wenig laufe. Ich weiß nicht, ob das immer gerecht war... (hält inne)... Es hat immer geheißen: "Der könnte mehr rennen!" Aber klar: Die Zehner-Position hat sich zu 100 Prozent verändert, du musst mehr laufen als früher. Wenn sich heutzutage ein oder zwei Spieler rausnehmen bei der Laufarbeit, wird es gegen jeden Gegner schwer. Dann wird's so sein, dass man Gegentore kassiert bzw. man zu keiner Torchance kommt. Deswegen muss man sich bewegen, wenn man Torchancen kreieren will – und es ist ein schönes Gefühl, wenn du weißt, es ist körperlich kein Problem, wenn du elf, zwölf Kilometer laufen kannst...

sportkrone.at: Mit den Sprints hast du es laut Statistik übrigens nicht unbedingt so. Von daher: Spielst du vorzugsweise im Zentrum, weil man da nicht so viel sprinten muss oder sprintest du nicht so viel, weil du im Zentrum spielst?
Liendl: Das kann man so nicht sagen! Ich bin ein Spieler, der den Ball am Fuß haben will und keiner, der großartig in den Raum geht. Für das sind andere Spieler da. Natürlich mach' ich meine Sprints und Laufwege, aber ich glaube, ich bin einer, der die Situation mehr antizipiert und schaut, wie er den Ball auf den Fuß bekommt.

sportkrone.at: In Österreich hat man früher als leise Kritik an dir vernommen, dass du umso besser "funktionierst", je mehr Nestwärme du in einem Klub verspürst, je weniger du eine austauschbare Nummer unter vielen bist. Wie begegnest du solchen Bewertungen?
Liendl: Ich glaube, dass es für jeden Spieler einfacher ist, wenn er weiß: Er spielt und hat das Vertrauen des Vereins, des Trainers sowie der Mannschaft. In Österreich hat man mich in so viele Schubladen gesteckt... Ich glaube, dass ich in den eineinhalb Jahren in Düsseldorf gezeigt habe, dass diese Schubladen allesamt falsch waren! Somit ist es schon eine Art Genugtuung für mich, wie es in Düsseldorf läuft.

sportkrone.at: Stichwort Heimeligkeit: Mit Erwin Hoffer und Christian Gartner hast du zwei österreichische Teamkameraden – wie lebt es sich in der kleinen Düsseldorfer Österreicher-Kolonie?
Liendl: Ganz gut! Es ist immer angenehmer, wenn du ein paar Landsleute um dich hast. Vor allem als Neuankömmling ist es gut, wenn du schon ein paar Spieler von früher kennst (Anm. Liendl kam als dritter Österreicher nach Gartner und Hoffer zur Fortuna). Wir verstehen uns sehr gut und unternehmen auch viel in der Freizeit. Da passt das Klima und ich bin froh darüber, dass wir alle drei hier sind.

sportkrone.at: Leidet man mit einem Landsmann eigentlich eher mit, wenn der nicht und nicht so recht auf Touren kommen will?
Liendl: (zögert kurz) Natürlich ist es so, dass du in der Mannschaft zwei, drei Leute hast, mit denen du dich wirklich gut verstehst – so ist es auch beim "Jimmy". Es ist so, dass ich mich am Platz richtig gut, ja direkt blind mit ihm verstehe – und natürlich wäre ich froh darüber, wenn er mehr Einsatzzeit hätte.

sportkrone.at: Kaum eine TV-Übertragung eines Düsseldorf-Spiels vergeht, ohne dass du mindestens dreimal als "Alpen-Maradona" bezeichnet wirst. Ist so etwas eher Auszeichnung oder Fluch? Weniger wegen der "Alpen" als wegen "Maradona"…
Liendl:(lacht) Es ist natürlich eine schöne Spielerei von der Presse, es gibt schließlich schlimmere Spitznamen. Aber die Erwartungshaltung wird dadurch auch höher. Ich bin hierhergekommen und habe auf Anhieb sehr gute Spiele gemacht. Inzwischen merkt man aber schon, dass zwei gute Pässe nicht mehr reichen – es müssen jetzt schon vier, fünf sein. Aber ich sehe das locker und mache mir da keinen Druck. Ich freue mich über diese Anerkennung und es bleibt ein schöner Nebeneffekt.

sportkrone.at: Stichwort Maradona: Wer war in deiner Kindheit/Jugend so etwas wie ein fußballerisches Vorbild für dich? Gibt's irgendjemanden, an dem du dich seit jeher orientiert hast?
Liendl:(überlegt lange) Ich habe in meiner Jugend eigentlich kein Idol gehabt, dem ich jeden Tag nachgeeifert hätte. Für mich war aber schon eine prägende Figur der Zinedine Zidane – den hab' ich sehr, sehr bewundert und dem hab' ich sehr gerne zugeschaut. Er ist einfach ein unglaublicher Kicker und für mich einer der komplettesten Spieler, die es je gegeben hat.

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(Bild: KMM)



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