Seine Hits „80 Millionen“ und „Wenn sie tanzt“ sind Hymnen für seine Fans. Max Giesinger, der Sänger mit der Gänsehautstimme, meldet sich nach vier Jahren mit einem neuen Album zurück. „Glück auf den Straßen“ heißt das Werk, über das wir mit ihm gesprochen haben und welches am Freitag erscheint. Außerdem erzählt er von Herzschmerz, schwierigen Zeiten, Social Media und einem ganz besonderen Traum ...
Wenn man den Namen Max Giesinger hört, fallen einem sofort zwei Songs ein: „80 Millionen“ und „Wenn sie tanzt“. Einer davon hat nach all den Jahren tatsächlich die 80 Millionen Streams auf Spotify geknackt, wie er sich das damals wünschte. 2011 stand Giesinger bei der ersten Staffel von „The Voice Of Germany“ auf der Bühne und sang „Sex On Fire“. Alle vier Juroren (Nena, The BossHoss, Rea Garvey und Xavier Naidoo) drehten sich um und waren begeistert von dem Sänger aus Waldbronn (Baden-Württemberg). Dass er Anfang 2012 im Finale den vierten Platz belegen würde, ahnte er nicht – und dass der große Durchbruch dann erst 2016 mit „80 Millionen“ kam, schon gar nicht. Mehr als zehn Jahre später sitzt er mir im grün-beigen Musterhemd gegenüber – leger, entspannt und noch immer bodenständig.
„Wie fühlt sich das Glück auf den Straßen für dich an, so kurz vor dem Release am Freitag?“, steige ich ein und warte auf seine Antwort. Er schaut erst nachdenklich, dann sagt er: „Ein kribbelndes Gefühl – eine Mischung aus Aufregung und Vorfreude. Das Glück ist wirklich in greifbarer Nähe. Mit dem Titel meine ich aber nicht nur das große Ziel, sondern vor allem die kleinen Momente auf dem Weg dahin. Die sind fast wichtiger. Beim Album habe ich versucht, die bewusst wahrzunehmen – so wie jetzt: Ich bin in Wien, meine Karriere läuft seit mehr als zehn Jahren, und trotzdem wollen die Leute noch mit mir quatschen. Das ist für mich Glück.“

Von Leichtigkeit und „Flugangst“
Seine Alben hatten immer einen roten Faden: „Laufen lernen“, „Der Junge, der rennt“, „Die Reise“, „Vier“ – alle erzählen vom Wachsen eines Musikers. Mit dem neuen Album wirkt es so, als sei der 37-Jährige endlich angekommen. „Das hat bei mir länger gedauert. Es ging schnell los mit der Karriere. Mein Privatleben blieb da oft auf der Strecke. Erst in den letzten drei Jahren habe ich gemerkt, wie wichtig Pausen sind – das hat mir geholfen.“ Diesmal nahm er sich bewusst mehr Zeit, seine Fans mussten fast vier Jahre auf das neue Werk warten. „Es hat sich einfach richtig angefühlt. Nach drei Alben in kurzer Folge brauchte ich Abstand und neue Erfahrungen. Ich wollte über mehr schreiben als nur über Touren und das Musikbusiness.“
„Glück auf den Straßen“ ist für ihn ein Roadtrip-Album – wie aus dem Bilderbuch. „Cabrio, Ausflüge, Musik und eine Leichtigkeit der Lieder. Genau so eine Musik habe ich früher mit meiner Mutter gehört.“ Doch auch wenn er von Leichtigkeit spricht, hört man ab der zweiten Hälfte viel Tiefe: Gefühle, Liebe, Schmerz. Ein Song heißt ‘Flugangst‘ – ein verstecktes Stück über seine Bindungsangst, über die er schon früher gesprochen hat. „Ja, da versteckt sich sicher die Bindungsangst. Es ist dieses Gefühl: Etwas ist wunderschön, man könnte sich festlegen – heiraten, Kinder, all das – aber irgendwas in mir sagt: Trau dich nicht. Ich will damit aufhören, sonst sitze ich irgendwann mit 60 alleine da.“
Liebe und Herzschmerz
Auch Songs wie „Bungalow“ oder „Du wärst es gewesen“ klingen sehr emotional – fast so, als würde er alle Baustellen in seinem Leben verarbeiten wollen? „Absolut. Während der Albumentstehung war ich noch in einer intensiven Beziehung. Ich war sehr verliebt und später sehr heartbroken. Die Platte begleitet diese ganze Reise, vom absoluten Glücksgefühl bis zur Trennung. Natürlich fragt man sich da im Nachhinein: War sie es vielleicht? Hätte ich mehr tun müssen? Aber ich blicke dankbar auf diese Zeit zurück. Ich weiß jetzt, dass ich lieben kann und irgendwann ein guter Boyfriend sein kann.“ Leider ging nicht nur Max’ langjährige Beziehung in die Brüche – er verlor auch eine geliebte Person, der er sehr nahestand. Ihr widmete er den Track „Mach’s gut“. „Meine Oma ist vor drei Jahren gestorben. Sie war eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ihre letzten Worte waren ‘Mach’s gut‘.“
Nach so viel Liebe, Herzschmerz, Trauer und der ganzen Album-Vorbereitung muss man irgendwann den Kopf frei kriegen. Als Musiker fließt vieles in die Songs, genau diese Gefühle sind der Stoff, aus dem Kreativität entsteht. Was passiert danach? Wenn die Platte fertig ist, die Emotionen raus sind – braucht es dann nicht etwas anderes, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen? „Sport“, lächelt der Musiker. „Alles mit Schläger und Ball: Tennis, Tischtennis, Beachvolleyball. Letztes Jahr war ich sogar im Beachvolleyball-Camp. Außerdem auch in der Natur Spazierengehen, Kaffee holen, Musik hören. Wenn ich aber auch einen neuen Künstler entdecke, der mich umhaut, kann ich mich da komplett verlieren.“
Im Zwiespalt von damals und heute
Da wir schon beim Thema neue Künstler sind – wen feiert er den gerade? „Sombr finde ich wahnsinnig gut. Ein Newcomer aus den USA, erst 20, mit unfassbarer Stimme und Songs, die unter die Haut gehen.“ Das zeigt, dass Max ein Gespür für junge und emotionale Musik hat. Eigentlich ganz passend zu seinem eigenen Stil. Als ich nach seinen musikalischen Vorbildern frage, muss er nicht lange überlegen: „Wenn Freddie Mercury noch leben würde, wäre es er. Ich habe jede Platte von Queen gekauft und durchgehört.“
Ein Satz, der sofort klarmacht, wie sehr Giesinger in der Oldschool-Welt von echten Bühnen-Ikonen verwurzelt ist. Und doch: Heute ist Musikmachen leider nicht mehr nur Musikmachen. Man muss auch Content Creator sein. Nervt das nicht? „Früher hat’s mich total genervt. Heute sehe ich’s entspannter. Wenn ich’s auf meine Art mache – ein bisschen Clown, ein bisschen ich selbst – dann macht’s sogar Spaß. Schwierig finde ich nur den Druck: den Algorithmen folgen und dauerpräsent zu sein, am besten viermal die Woche etwas posten. Aber ich nehme es nicht mehr so ernst.“
Einfach „nur“ mal Kaffee ausschenken
In der Gegenwart angekommen, versucht er, wie viele andere Musiker, lustige Videos zu drehen, um die Verbindung zu seinen Fans aufrechtzuerhalten. Wie viel Zeit steckt er in Social Media? „Mal mehr, mal weniger. Ich versuche den Algorithmus so zu füttern, dass mir inspirierende Sachen angezeigt werden – und achte darauf, dass es nicht zu viel wird.“ Natürlich gibt es neben all dem positiven Feedback auch Hass-Kommentare. Manche können damit umgehen, manche nicht. „Früher hat mich das verletzt. Du liest 99 positive und bleibst am einen negativen hängen, jetzt passiert mir das nicht mehr.“
So sehr Social Media dazugehört – am Ende bleibt für ihn die Musik selbst das wichtigste. Und diese führt ihn bald wieder zurück auf die Bühne: Im November und Dezember geht’s auf große Tour, dabei sind zwei besondere Release-Konzerte mit Streichern eingeplant. Eine neue Single kommt auch noch, nur Österreich geht diesmal leer aus: „Ihr müsst nach München kommen“, lacht er. Langfristig denkt er nicht in großen Plänen. Musik, sagt er, wird immer ein Teil seines Lebens sein. Trotzdem könnte er sich vorstellen, einmal eine längere Pause einzulegen: „Ich träume schon lange davon, für ein paar Monate Barista in Barcelona zu sein. Einfach Kaffee ausschenken, ohne dass meine Person im Mittelpunkt steht.“
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