Finanzminister Markus Marterbauer hat eine Lebensmittelpreis-Debatte vom Zaun gebrochen, ohne ein „konkretes Modell im Kopf“ zu haben. Obwohl noch keine Maßnahmen formuliert wurden, geht der Handel bereits auf die Barrikaden. Direkte Preiseingriffe seien „unmöglich“ ...
Die Wirtschaftskammer spricht erzürnt von „Symbolpolitik“ und von „kurzfristigem Aktionismus“ – passiert ist aber noch gar nichts. Denn Finanzminister Marterbauer muss selbst erst über konkrete Schritte nachdenken, wie die Preise in Supermärkten abgefangen werden können.
Ausgeschlossen hat der Sozialdemokrat, die Lebensmittelpreise über eine Mehrwertsteuersenkung zu drücken – das gebe die aktuelle Budgetlage nicht her. Konkret nannte der SPÖ-Mann jedoch Spanien als Vorbild, wo genau das gemacht worden ist. Anfang 2023 wurden dort null Prozent Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel wie Brot, Eier, Gemüse und Obst eingeführt, später auch für Olivenöl. Die Inflation purzelte innerhalb weniger Monate auf 1,9 Prozent. Fest steht nur: So soll es in Österreich nicht laufen.
Marterbauers Verantwortung als Finanzminister sei es, auf die Gefahr der anziehenden Inflation hinzuweisen, erklärte er kürzlich. Von der ÖVP kommt nun Zurückhaltung, die NEOS machen aus ihrer Ablehnung hingegen kein Geheimnis. „Der wichtigste Eingriff der Politik in den Markt ist hier aus unserer Sicht, endlich für mehr Wettbewerb und Transparenz zu sorgen und den Reformmotor in den nächsten Gang zu schalten“, heißt es in einem Statement. „Staatliche Brotpreise werden dieses Problem nicht lösen können.“ Es darf also behauptet werden, dass hier noch einiges in der Schwebe liegt.
Handel sieht Jobs gefährdet
Der Handel schließt sich den Pinken an. „Von Preiseingriffen bei Nahrungsmitteln halten wir nichts. Denn Ungarn hat es vorgemacht, wie es nicht geht. Dort hat ein Eingriff dazu geführt, dass die Lieferanten nicht mehr geliefert haben“, erklärte Handelsverband-Obmann Rainer Will im Ö1-„Morgenjournal“ am Mittwoch.
Will warnt davor, mit der Nahversorgung sorglos umzugehen. „Es hängen so viele Jobs daran – nämlich 140.000, allein im Handel.“ Es müsse zudem auf die alternde Bevölkerung geachtet werden, die auch in der „hochalpinen Region“ versorgt werden müsse. „Wenn man beim Regalpreis eingreift, ist das ungefähr so, wie wenn man dem Postboten den schlechten Steuerbescheid vorwirft.“
Will sieht Hebel in anderen Sektoren
Doch auch im „steinernen Österreich“ gebe es Reformmöglichkeiten. Viel mehr sollte die Regierung die Energiepreise ins Visier nehmen, um Belastungsfaktoren im vorderen Teil der Versorgungskette abzufedern. Zudem seien die Gehälter sehr stark gestiegen, was Preisstopps „unmöglich“ mache. Seine Branche hätte sich nie ein „Körberlgeld“ verdient, so Will. Im Gegenteil: In Krisenzeiten hätte der Handel zeitweise sogar „inflationsdämpfend“ gewirkt. Die Gewinnspanne liege lediglich bei 1,5 Prozent – und zwar im Durchschnitt.
Mangelnde Preistransparenz, also wie sich dieser zusammensetzt, sieht der Lobbyist nicht. Der Handel weise alles so aus, dass eine „mündige“ Kaufentscheidung getroffen werden könne. Hinter den Regalpreisen stünden in vielen Fällen globale Giganten wie Nestlé, Mondelez und Co., die sich Europa untereinander aufteilen. Hier wäre auf EU-Ebene „am meisten“ zu holen.
„Konkret ist es so, wenn sich ein österreichischer Händler beispielsweise einen Haarspray kaufen möchte, dann zahlt er 3,20 Euro für dasselbe Produkt, das ein deutscher Händler um zwei Euro bekommt“, so Will. Das würden viele Menschen nicht wissen.
Internationale Beschränkungen als Grundübel
Die Arbeiterkammer (AK) nannte den Debattenanstoß von Finanzminister Marterbauer „sinnvoll“ und fordert „eine Preisdatenbank, ein wirksames Preisgesetz und eine unabhängige Anti-Teuerungskommission“.
Ähnlich wie Lebensmittelhandelsbranche, Handelsverband und Bauernbund wurde auch von der AK auf das Problem der sogenannten territorialen Lieferbeschränkungen hingewiesen.
Diese von bestimmten großen Herstellern auferlegten Verbote in der EU fungieren häufig als Preistreiber. In der Praxis heißt das: Unternehmen können Händler daran hindern, Produkte aus anderen Regionen zu beziehen, selbst wenn diese dort günstiger erhältlich wären. Dies kann dazu führen, dass für das gleiche Produkt in Österreich höhere Preise gefordert werden als beispielsweise in Deutschland.
Bauernbundchef und Parlamentarier Georg Strasser (ÖVP) betonte: „Solange entlang der Wertschöpfungskette so wenig Transparenz darüber herrscht, wer wie viel vom Kuchen bekommt, brauchen wir nicht über staatliche Markteingriffe zu diskutieren.“
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