Die „Krone“ traf Skibergsteigerin Johanna Hiemer (30) im Olympiazentrum Rif, sprach mit der gebürtigen Steirerin über ihr Leben in Deutschland, ihre Doppel-Rolle als Mama und Profisportlerin und die Olympia-Premiere ihrer Sportart kommenden Winter in Bormio.
Kommenden Februar stehen die Skibergsteiger im Rampenlicht, wird diese Sportart erstmals Teil der Olympischen Winterspiele. Am Zielhang der Stelvio in Bormio stehen insgesamt drei Bewerbe an, je ein Damen- und Herren-Sprint sowie ein Mixed. Speziell die Steirerin Johanna Hiemer, mittlerweile in Deutschland beheimatet, rechnet sich Chancen auf Edelmetall aus und ordnet diesem Ziel alles unter – die „Krone“ traf sie zum Sommergespräch.
„Krone“: Johanna, wie lebt es sich als Steirerin in Deutschland?
Johanna Hiemer: Ich fühle mich sehr wohl dort. Aber in meinem Herzen bleibe ich Österreicherin, das wird sich auch nie ändern. Mein Mann kommt von dort, er hat vor fünf Jahren das Familienunternehmen von drei Fitnesscentern übernommen - ich wusste also, worauf ich mich einlasse (lacht). Aber ich muss oft kämpfen: In Deutschland sagen sie: Was, wieso startest du für Österreich? Und in meinem Team werde ich immer als Halb-Deutsche gemobbt.
Mit welchen deutschen Wörtern kommst du gar nicht klar?
Das Wort „Schorle“ bleibt für mich das Schlimmste, das geht gar nicht. Oder wenn die Kinder „ne“ sagen – schrecklich. An andere Wörter habe ich mich gewöhnt, Brotzeit finde ich zum Beispiel ganz nett.
Welche Staatsbürgerschaft haben die Kinder?
Beide. Sie haben das gute Los gezogen: Wenn es sie später mal in den Sport zieht, was ich nicht anstrebe, haben sie freie Wahl.
Du bist auf der einen Seite zweifache Mutter, auf der anderen Profisportlerin – wie lässt sich das vereinen?
Manchmal schaffe ich es besser, manchmal weniger. Ich habe in den letzten vier Jahren gemerkt, dass ich oft an meine Grenzen gestoßen bin. Man kann einfach nie beidem vollends gerecht werden. Auf der einen Seite will man eine Top-Athletin sein, auf der anderen eine Mutter mit Ansprüchen an sich selbst. Ich holte meine Kinder zum Beispiel jeden Tag zu Mittag ab, koche ihnen was Frisches zum Essen. Da könnte ich mir das Leben sicher einfacher machen, aber ich lebe eben in einem inneren Perfektionismus. Ich lebe dieses Leben gerne, aber es muss absehbar sein – das geht nicht auf Dauer.
Skibergsteigen wird kommendes Jahr olympisch ...
Das war der Grund, wieso ich zurückgekommen bin. Ich wollte es unbedingt probieren, mir nie vorwerfen müssen, wieso ich es nicht gemacht habe. Da dabei zu sein, ist das größte sportliche Ziel meines Lebens. Körperlich war ich nach den Geburten der Kinder so fit wie nie zuvor. Ich habe es jetzt vier Jahre gemeistert, werde es auch die letzten Monate noch schaffen.
Mit welchen Ambitionen?
Dadurch, dass wir in den letzten Jahren oft am Podium waren, ist das große Ziel natürlich eine Medaille. Man darf nie aufhören zu träumen, ich stelle mir das jeden Tag vor – das ist mein großer Ansporn im Training.
Wie läuft die Vorbereitung auf die kommende Saison?
Ich bin sehr zufrieden – in den letzten Jahren habe ich oft zu viel trainiert, heuer habe ich bislang eine gute Balance gefunden. Die Werte stimmen, das ist ein guter Beleg. Derzeit lege ich den Fokus auf Schnelligkeit und Kraft. Ich komme eigentlich über die Ausdauer, aber die olympischen Disziplinen sind kurz und schnell. Das ist nicht der Ursprung des Skitourengehens, aber ich werde bestmöglich gerüstet sein.
Ich komme aus einem Skiort, bin ein Winterkind. Für mich gibt es nichts Schöneres als eine weiße, verschneite Winterlandschaft – da geht mein Herz auf.
Johanna HIEMER über ihre Leidenschaft
Was fasziniert dich an deiner Sportart?
Diese Naturverbundenheit, nur mit den Skiern unter den Füßen eigenständig den Berg raufzugehen, ist für mich was ganz Besonderes. Ich komme aus einem Skiort, bin ein Winterkind, mit sieben Jahren meine erste Tour über den Dachstein gegangen. Früher war ich auch großer Fan von Benni und Marlies Raich, bin zu ihren Rennen mit Plakaten gefahren. Für mich gibt es nichts Schöneres als eine weiße, verschneite Winterlandschaft – da geht mein Herz auf. Leider kommt man wegen des Klimawandels nicht mehr so oft in den Genuss, der Schnee wird sichtlich weniger. Von dem her ist der Klimawandel etwas, was mir Sorgen bereitet.
Wenn du für einen Tag Bundeskanzlerin wärst, was würdest du ändern?
Es muss ein Umdenken her, in Politik und Gesellschaft – es darf nicht immer nur um schneller, höher, weiter gehen. Einzelne allein haben wenig Chancen, dagegen anzukämpfen. Ich selbst bin keine, die sich an die Straße kleben würde, aber versuche, nachhaltiger zu leben: Ich esse seit 15 Jahren kaum mehr Fleisch, außer das selbst erlegte Wild meines Vaters, oder verzichte auf Pappbecher. Ich versuche meinen Teil dazu beizutragen, auch wenn es als Sportlerin mit den vielen Reisen nicht immer einfach ist. Aber das Thema beschäftigt mich, liegt mir sehr am Herzen und bereitet mir große Sorgen. Wenn es nicht bald ein Umdenken gibt, sehe ich für den Wintersport keine Zukunft.
Sind das Dinge, die du auch deinen Kindern vermitteln willst?
Ja, auch, dass materielle Dinge vergänglich sind, nur von kurzer Dauer glücklich machen.
Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als Eltern zu sehen, die ihre Kinder vor dem Tablet oder dem Handy ruhigstellen. Mir ist wichtig, dass man Zeit mit seinen Kindern verbringt, gemeinsam Dinge erlebt.
Johanna HIEMER über ihre Mutter-Rolle
Welche Werte sind dir zudem wichtig, weiterzugeben?
Die Kinder sehen bei meinem Mann und mir, dass nichts von Nichts kommt, man hart arbeiten muss. Werte wie Disziplin, im Sinne von Ausdauer und Sachen zu Ende bringen sowie Ehrlichkeit sind mir wichtig. Und die Kinder sollen sich begeistern können, Sachen entdecken. Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als Eltern zu sehen, die ihre Kinder vor dem Tablet oder dem Handy ruhigstellen. Mir ist wichtig, dass man Zeit mit seinen Kindern verbringt, gemeinsam Dinge erlebt.
Zu deinen Hobbys zählt auch kochen – was ist die Leibspeise im Hause Hiemer?
Natürlich viel Vegetarisches, im Sommer gibt es oft eine Salatbowl. Die Kinder bekommen natürlich Fleisch, wenn sie es wollen. Im Winter macht mein Mann gerne selbstgemachte Pizza – wichtig ist uns, dass fast jeden Tag frisch gekocht wird.
Du bist Mutter, Profisportlerin, legst jedes Jahr 260.000 Höhenmeter zurück. Dazu bist du auf Social Media sehr aktiv, hast Jus studiert, trainierst beim FC Füssen die G-Jugend – würdest du dich selbst als Powerfrau bezeichnen?
Es ist immer schwierig, so etwas über sich selbst zu sagen ...
Würde es dein Mann über dich sagen?
(lacht) Ja, ich denke schon. Ich merke selbst, dass ich außergewöhnlich viel Energie habe. Aber das ist gut so – wenn ich keine Energie habe, bin ich schlecht gelaunt, das wird zum Leidwesen der Familie.
Auf deiner Homepage steht, du trinkst sechs Kaffees pro Tag?
(lacht) So viele sind es nicht mehr, aber vier schon. Einen Tag ohne Kaffee gibt es bei mir nicht, das ist eine kleine Sucht. In der Früh trinke ich nach dem Aufstehen immer einen – wenn er im Körper fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Aber Koffein hat ja nicht nur negative Effekte. Daran glaube ich (lacht).
Hast du bei den Rennen Glücksbringer dabei?
Meine Kinder geben mir immer Kuscheltiere mit – von Elch über Hund und Teddybär, da war schon alles dabei. Dann fällt mir das Heimweh nicht so schwer. Bei den Rennen lasse ich meine Ringe immer an – wenn ich die nicht oben habe, fühle ich mich komplett nackt.
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