Durchschnittlich 376 Mal am Tag werden die Daten europäischer Internetnutzer ohne deren Wissen geteilt, wenn Unternehmen Online-Werbeplätze ersteigern. Das geht aus einer aktuellen Studie der irischen Bürgerrechtsorganisation Irish Council for Civil Liberties (ICCL) hervor. Sie spricht von einem „epischen Datenverstoß“.
Laut ICCL werden die Daten über die Surf-Gewohnheiten europäischer Nutzer im Rahmen sogenannter Real Time Biddings (RTB, siehe Erklärvideo unten) pro Jahr 71 Milliarden Mal zwischen Maklern ausgetauscht, die - noch während die Website vor dem Nutzer lädt und somit in Echtzeit - Werbeplätze bzw. -flächen an Werbetreibende verkaufen.
Im Vergleich zu Internetnutzern in den USA stehen wir damit laut ICCL noch vergleichsweise gut da: Dort würden die Daten, darunter Informationen zum Gerät, auf dem die Seite geladen wird, dem Standort sowie über die zuvor besuchten Websites und deren Inhalt, eines jeden einzelnen Nutzers im Schnitt 747 Mal pro Tag geteilt - macht 107 Billionen Mal pro Jahr, wie die BBC unter Verweis auf die Studie berichtet.
„Größte Datenpanne“
Die Daten werden demnach verwendet, um den relevantesten Bieter für den Werbeplatz auf der Seite zu finden. Dies alles geschiehe automatisch, in einem Bruchteil einer Sekunde - und zwar ohne, dass jemals jemand ausdrücklich in diese Praxis eingewilligt habe, kritisiert die ICCL. Personenbezogene Informationen werden zwar nicht erfasst, die schiere Menge der Daten stellt nach Auffassung der Organisation aber dennoch eine Verletzung der Privatsphäre dar.
„Jeden Tag verfolgt die RTB-Industrie, was Sie sich ansehen, egal wie privat oder sensibel, und sie zeichnet auf, wohin Sie gehen. Dies ist die größte Datenpanne, die je verzeichnet wurde. Und sie wiederholt sich jeden Tag“, so Dr. Johnny Ryan von der ICCL, die derzeit einen Rechtsstreit mit der digitalen Werbeindustrie führt, gegenüber der BBC.
Der Organisation nach werden die privaten Daten europäischer und US-amerikanischer Internetnutzer „an Unternehmen auf der ganzen Welt, auch in Russland und China, übermittelt, ohne dass kontrolliert werden kann, was mit den Daten geschieht". Offenbar ein lohnendes Geschäft: Laut ICCL erwirtschaftete die RTB-Branche im vergangenen Jahr in den USA und Europa schätzungsweise 117 Milliarden Dollar (rund 112,4 Milliarden Euro).
Undurchdringlicher Daten-Dunst
Tech-Reporter Parmy Olson schrieb für Bloomberg: „Wenn man die Abgase unserer persönlichen Daten so sehen könnte wie die Umweltverschmutzung, wären wir von einem fast undurchdringlichen Dunst umgeben, der immer dichter wird, je mehr wir mit unseren Telefonen interagieren.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB).