Hugo Portisch

Zeitlose Worte: „Dürfen keine Marionetten sein“

Österreich
02.04.2021 18:02

Im Mai 2020 traf die „Krone“ Hugo Portisch zum Interview. Nun ist er 94-jährig verstorben. Gedanken an ein unvergessliches Gespräch mit einem wahrhaft Großen.

Ein Termin mit Hugo Portisch mitten in Corona-Zeiten. Hugo Portisch, Jahrgang 1927, besteht auf einen persönliches Treffen. Der 93-Jährige hat noch immer den Schalk im Nacken.

Er hat viel Schlimmeres mitgemacht als Corona. 30. März 1945. Maturafeier in einem Nachtklub in seinem Geburtsort Bratislava (Preßburg), wo eine wichtige Raffinerie der Wehrmacht steht. „Wir waren zu viert. Der Ober hat uns hinter einer Säule platziert, wir waren nicht wichtig genug. Das war unser Glück.“ Man spielt den Schlager „Stern von Rio, du könntest mein Schicksal sein …“ - „In dem Moment kracht es und der Plafond stürzt ein. Ein Bombardement der Russen.“

Ein Großer im kleinen Österreich
Portisch lacht über sein Glück. Ein volksnaher Mensch. ÖVP und SPÖ wollten ihn gemeinsam einst als Bundespräsident installieren (das sagt schon viel aus über die Massentauglichkeit des Mannes). Er lehnte ab. Journalismus würde ihm fehlen. Mit „Österreich I“ und „Österreich II“ brachte der ehemalige „Kurier“-Chef und ORF-Journalist das Zeitgeschehen den Menschen nahe. Obwohl er kein Historiker, sondern Zeitungswissenschaftler war.

Hugo Portisch zählte zu jener seltenen Spezies, die nicht nur im Todesfall ausschließlich anerkennende Worte erhalten. Ein Großer im kleinen Österreich.

Der Spitzbub als Geschichtenerzähler
Nach dem Krieg verschlug es ihn nach Wien. Fand ein Studentenzimmer. „Eine ältere Dame hat es mir gegeben. Sie hatte sich einen neuen Ehepartner erwartet. Ich habe da nicht mitgemacht. War auch zu jung. Sie hätte mich wegschicken müssen“, sagt Portisch im Gespräch spitzbübisch. Er erzählt Gescheites, man hört gebannt zu. Einen besseren Zeitzeugen könnte man sich nicht wünschen.

Anekdoten zuhauf: etwa zu Karl Renner, der noch vor Kriegsende eine Regierung mit Duldung der Sowjets bildete. Als die Rote Armee nach Österreich kam und man Stalin sagte, dass Renner ein Verhandlungspartner sei, sagte der Diktator: „Was, den gibt es immer noch?“ Der begnadete Geschichtenerzähler Portisch verbrachte seine Pension mit Bücherschreiben und Pilzesammeln.

Wichtiges Fazit: „Wir dürfen untereinander nicht gegeneinander sein wie in der Ersten Republik. Wir haben aus der Geschichte gelernt.“ Nachsatz: „Wir dürfen uns nicht spalten lassen und auch keine Marionetten sein.“ Worte, die sich - gerade heutzutage - alle Politiker aller Lager verinnerlichen sollten.

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