Ungesundes Essen

So ködern Konzerne Kinder mit „Junkfluencern“

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17.02.2021 13:33

Sie sitzen im Milka-Kostüm vor der Kamera oder lassen sich beim Pizza-Kauf im Supermarkt filmen: Lebensmittelkonzerne setzen nach Einschätzung von Foodwatch gezielt auf junge Social-Media-Stars, um ungesunde Produkte an Kinder und Jugendliche zu vermarkten. Die deutsche Verbraucherorganisation, die für ihre Untersuchung Tausende Beiträge in sozialen Medien untersuchte, spricht daher auch von „Junkfluencern“, die mit mithilfe der Industrie „an der elterlichen Aufsicht vorbei“ direkt ins Kinderzimmer gelangen.

Für seinen Report hat Foodwatch im vergangenen Jahr über einen Zeitraum von mehreren Wochen Tausende Posts, Storys und Videos bekannter Social-Media-Stars auf YouTube, Instagram und TikTok untersucht. Einige Beiträge sind sichtbar als „Werbevideo“ gekennzeichnet, andere geben einen scheinbar ganz normalen Einblick in den Alltag der Influencerinnen und Influencer. Diese sitzen dann bei McDonald‘s, trinken Coca-Cola oder Red Bull oder preisen eine Box mit Sackerln von Haribo an.

Unter den untersuchten Influencern befanden sich mit Viktoria und Sarina auch zwei Österreicherinnen. Mit 1,77 Millionen Abonennten zählen sie zu den erfolgreichsten heimischen YouTuberinnen. Zu sehen sind sie auf dem Videoportal etwa dabei, wie sie eine Tiefkühltorte mit noch mehr Süßigkeiten verzieren oder „Keksteig zum Löffeln“ präsentieren.

Influencer genießen hohe Glaubwürdigkeit
Die Influencer genießen dabei laut Foodwatch häufig sehr viel Vertrauen und hohe Glaubwürdigkeit oder werden sogar von ihren Fans als Freunde wahrgenommen. „Diesen Einfluss machen sich Lebensmittelunternehmen zunutze, um für ihre süßen Limonaden, Torten und Schokoriegel zu werben“, sagt Heidi Porstner, Leiterin von Foodwatch Österreich.

„Die Industrie agiert mit dem Online-Marketing an der elterlichen Aufsicht vorbei. Sie gelangt somit direkt ins Kinderzimmer und auf die Handys von Kindern und Jugendlichen und untergräbt so die Bemühungen von Eltern, ihre Kinder für gesunde Lebensmittel zu begeistern“, gab die zweite Leiterin von Foodwatch Österreich, Lisa Kernegger, zu bedenken.

Bereits viele Kinder adipös
Scheinbar mit Erfolg, denn Kinder können noch nicht oder nur schwer erkennen, dass Werbung darauf abzielt, ihr Konsumverhalten zu beeinflussen. So ergab eine Studie der Universität Wien mit der Münze Österreich 2018, dass Kinder hierzulande ihr Taschengeld gerne für Essen, Fast Food und Süßigkeiten ausgeben.

Die Folgen: Im Schnitt ist etwa jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen in Österreich im Alter von acht Jahren übergewichtig oder adipös, wie aus einer Studie der WHO hervorgeht, an der Österreich 2017 zum ersten Mal teilnahm. Übergewicht im Kindes- und Jugendalter erhöht das allgemeine Risiko, an Adipositas und anderen Stoffwechselerkrankungen im Erwachsenenalter zu erkranken.

Selbstregulierung statt gesetzte Beschränkungen
Rechtlich seien den Unternehmen wenig Grenzen gesetzt, wenn sie mit Influencern Lebensmittel an Minderjährige bewerben wollen, so Foodwatch. Im Gegensatz zu Ländern wie Norwegen, Schweden oder Großbritannien gebe es in Österreich nach wie vor keine direkten gesetzlichen Verbote oder Einschränkungen von Kindermarketing für unausgewogene Lebensmittel, kritisiert die Verbraucherschutzorganisation.

Das Ziel sollte sein, die Einwirkung von Werbung für Lebensmittel und Getränke, die einen hohen Gehalt an Salz, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren oder Transfettsäuren aufweisen, auf Kinder wirkungsvoll zu reduzieren. Doch die seit Jahresanfang geltenden neuen Werberegeln für Rundfunkveranstalter und Mediendiensteanbieter - darunter fallen auch YouTuber - im Audiovisuelle Mediendiensteanbieter-Gesetz und im ORF-Gesetz setzten auf Selbstregulierung statt auf konkrete gesetzliche Beschränkungen, betonte Foodwatch.

„An Absurdität kaum zu übertreffen“
Die neuen Vorschriften verlangen demnach lediglich, dass sich Mediendiensteanbieter selbst Richtlinien auferlegen müssen, welche Bewerbung von unausgewogenen Lebensmitteln im Umfeld von Kindersendungen sie für unangebracht befinden.

„Als Gesetzgeber Unternehmen vorzugeben, sich selbst die Regeln zu schreiben, ist an Absurdität wirklich kaum zu übertreffen. Das ist bei einem so wichtigen Thema, bei dem es um die Gesundheit der Kinder geht, einfach viel zu wenig“, stellte Heidi Porstner fest. „Es braucht dringend eine gesetzliche Beschränkung des Kindermarketings, die sich streng an den Nährwertempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO orientiert.“

Diese hat bereits im Jahr 2015 ein Nährwertprofil für Kinder ausgearbeitet, auf dessen Basis Marketingbeschränkungen eingeführt werden sollen.

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