Seuchen und Hunger: Vor 75 Jahren war das Alltagsleben der Steirer von Entbehrungen und Nöten geprägt. Im Dezember 1945 appellierte Landeshauptmann Anton Pirchegger für Zusammenhalt im Land.
„Wir stehen vor einer Katastrophe des Hungers und der Seuchen." Es war die erste Sitzung der provisorischen Landesregierung der Steiermark zu Pfingsten 1945, als Staatskanzler Karl Renner diesen denkwürdigen Satz sprach. Jetzt, 75 Jahre später, hat dieser Ausdruck tiefer Sorge besondere Aktualität bekommen.
Die Steiermark war zu jener Zeit fünffach besetzt: Sowjets, Briten, Amerikaner, die bulgarische Armee und jugoslawische Tito-Partisanen teilten sich die Gebiete auf. Das Alltagsleben der Menschen war von harten Entbehrungen und existenziellen Nöten geprägt.
Plünderungen und Einquartierungen, vor allem durch sowjetische Soldaten, standen auf der Tagesordnung. „In Graz weideten Pferdehorden der Roten Armee die Heuwiesen ab“, berichtet Barbara Stelzl-Marx, die sich als Leiterin des Grazer Ludwig Boltzmann Instituts mit Kriegsfolgenforschung beschäftigt.
„Hamsterfahrten“ aufs Land
Zudem blühte der Schwarzmarkt - und viele Steirer unternahmen „Hamsterfahrten“ auf das Land. „Die größte Sorge der Landesregierung aber war es, die Beschlagnahmungen von Industrieanlagen und Maschinen zu reduzieren“, weiß Stelzl-Marx.
Wie auch heute, wenn unsere Kinder Corona-bedingt mit Homeschooling zurande kommen müssen, konnten viele Schüler bis Anfang 1946 nur einmal pro Woche die Schule besuchen. Es gab kaum Heizmaterial in den Schulgebäuden, viele Lehrer waren gefallen oder in Kriegsgefangenschaft.
„Tut mehr, als ihr müsst!“
Am 25. November 1945 schließlich fanden die ersten freien Wahlen in Österreich seit 1930 statt; die Kommunisten errangen dabei gerade einmal fünf Prozent - ein herber Schlag für die Sowjets. Die Rote Armee war übrigens Ende Juli aus der Steiermark abgezogen.
Bei der Angelobung der steirischen Landesregierung kurz nach Weihnachten 1945 spendete Landeshauptmann Anton Pirchegger den Steirern, so Stelzl-Marx, „Hoffnung durch gemeinsame Kraftanstrengung“: „Tut mehr, als ihr müsst!“
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