Radikalisierung im Web

Studie warnt vor digitalen Parallelgesellschaften

Web
31.01.2020 08:42

Rechtsextreme radikalisieren sich in digitalen Parallelgesellschaften. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Studie der antirassistischen Amadeu Antonio Stiftung, die dafür zwei Jahre lang mehr als 300 verschiedene YouTube-Kanäle, 200 Telegram-Kanäle und -Gruppen sowie mehr als 150 Facebook-Gruppen auswerte. Online-Radikalisierung ist demnach „der stärkste Antrieb für den internationalen Rechtsterrorismus“.

Die Stiftung verwies in diesem Zusammenhang auf die Anschläge im neuseeländischen Christchurch, in Halle in Sachsen-Anhalt und im texanischen El Paso im vergangenen Jahr: „Die Täter berufen sich bei Anschlägen auf eine ähnliche Ideologie, wählen ähnliche Anschlagsformen, beziehen sich in Erzählungen und Manifesten aufeinander, motivieren sich damit gegenseitig und werben um Nachahmungstäter.“

Populäre Netzwerke wie Facebook, YouTube und Instagram gingen zwar zunehmend gegen rechtsextreme Inhalte vor und verbannten diese von ihren Plattformen, dies führe jedoch letztlich dazu, dass Rechtsextreme ihre Aktivitäten in weniger restriktive Online-Räume verlagerten.

Alternative Online-Welt
Dazu gehörten alternative Plattformen und ‚Dark Social‘ - geschlossene oder halb-öffentliche Medien und Messengerdienste wie Telegram und das vor allem bei Gamern populäre Discord. Gleichzeitig sei eine Radikalisierung von Nutzern zu beobachten, die den Rechtsextremen auf diese Ausweichkanäle folgten, so die Stiftung.

„Rechtsextreme nutzen heute mehrere Plattformen gleichzeitig, um in ihren Zielgruppen Menschenhass und Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Über ein eng verästeltes Netz von Angeboten werden unterschiedlichste Zielgruppen angesprochen und in eine alternative Online-Welt gezogen. Das wachsende generelle Misstrauen gegenüber etablierten Medien begünstigt die Entstehung von rechts-alternativen Echokammern“, erklärt Miro Dittrich, Experte für Online-Monitoring bei der Amadeu Antonio Stiftung.

„Kollektiver Wahn“
Die zunehmende Abschottung und gegenseitige Bestätigung des eigenen Weltbildes verschiebe letztlich die Wahrnehmung der Wirklichkeit innerhalb dieser Online-Communities und es entstünden alternative Wirklichkeiten, die gegen Fakten resistent seien und in denen keine Gegenrede stattfinde.

„Wenn man die Radikalisierung in diesen digitalen Parallelgesellschaften beobachtet, bekommt man den Eindruck eines kollektiven Wahns, in den sich die Nutzer in den Chatgruppen hineinsteigern“, so Dittrich. Aus den Überzeugungen heraus ergebe sich schließlich ein Handlungszwang, mit dem in letzter Konsequenz Taten begründet würden.

Strategien gegen Online-Radikalisierung nötig
Um insbesondere Jugendliche gegen Strategien zur Meinungsmanipulation zu immunisieren, empfiehlt die Stiftung die flächendeckende Förderung von Medienkompetenz im inner- und außerschulischen Bereich. Konspirative Hass-Communities könnten nur mit höherem Verfolgungsdruck durch Netzwerkbetreiber und besser geschulte Sicherheitsbehörden aufgelöst werden. Technische Lösungen wie die automatisierte Einbindung von Informationen gegen Desinformationsstrategien oder Algorithmen zugunsten sachlicher anstatt populistischer Inhalte könnten zudem den Einstieg in Hass-Communities erschweren.

Zugleich brauche es eine aufmerksame digitale Zivilgesellschaft, die Gegenrede und Widerspruch gegen Hass-Narrative leiste, so die Stiftung.

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