Bis hin zum Klingelton

EU-Staaten für umfassende Vorratsdatenspeicherung

Digital
17.08.2019 11:14

Bereits vor fünf Jahren hat der europäische Gerichtshof die anlasslose Überwachung der Bürger durch die sogenannte Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt und von einem „schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte“ gesprochen. Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten halten im europäischen Rat allerdings bis heute am Wunsch nach einer Vorratsdatenspeicherung fest und prüfen Möglichkeiten, sie wieder einzuführen. Unter österreichischem Ratsvorsitz entstand gemeinsam mit Europol ein Papier, laut dem künftig selbst die Klingeltonvorlieben der Handynutzer gesammelt werden könnten.

Das berichtet das IT-Portal „Heise“ unter Berufung auf Dokumente, die von der Datenschutz-NGO Digitalcourage gesammelt wurden. Die Datenschützer haben eine Liste mit insgesamt 487 Kategorien von Vorratsdaten - von der IP-Adresse über WhatsApp-Korrespondenz bis hin zu Infos zum Klingelton - in die Finger bekommen, die 2018 bei Europol-Workshops entwickelt worden sein soll. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft kam nach den Arbeitstreffen zum Schluss, dass diese ausgesprochen umfangreiche Liste nicht mehr reduziert werden sollte, heißt es in dem Bericht.

Auch WhatsApp-Chats sollen gesammelt werden
Laut dem Bericht waren sich die Teilnehmer an den Europol-Workshops einig, dass man im Zuge einer Vorratsdatenspeicherung nicht nur Netzbetreiber zur Sammlung von Daten verpflichten wolle, sondern auch Anbieter wie Facebook, Microsoft oder Google, die mit Messenger-Diensten wie WhatsApp und Skype oder sozialen Netzwerken massenhaft private Daten generieren. Überdies will man offenbar alles sammeln, was es im Zusammenhang mit Handys zu sammeln gibt - bis hin zu Klingelton-Präferenzen. Als Grund führen die Teilnehmer an den Europol-Arbeitsgruppen an, dass Klingeltöne in der organisierten Kriminalität wie Morsezeichen für die Kommunikation eingesetzt würden.

Europol-Papier enthält 487 Kategorien auf 45 Seiten
Die 487 Kategorien von Vorratsdaten, die Europol auf einem 45 Seiten umfassenden Papier ausbreitet, seien bereits eine „gefilterte“ Version des technisch Machbaren und beruhen im Kern auf den Standards des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen, berichtet „Heise“. Bei den zu sammelnden Daten sind Europol und der EU-Rat offenbar wenig kompromissbereit. Man sehe zwar eine „gewisse Möglichkeit“, einzelne Datenkategorien herauszunehmen, ohne dass die Möglichkeiten einer Vorratsdatenspeicherung leiden, prinzipiell habe es aber potenziell „abträgliche Auswirkungen“, wenn weniger Daten gesammelt würden, als von den Europol-Arbeitsgruppen erdacht.

Von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft wurde das Europol-Papier offenbar fast wortgleich übernommen. In einer Zusammenfassung zum Stand der Dinge in puncto Vorratsdatenspeicherung hieß es, es sei „schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, von Vornherein weiterhin eine signifikante Anzahl an Datenkategorien von der Speicherung auszunehmen“, da der Europol-Vorschlag ohnedies bereits die gefilterte Version der laut Institut für Telekommunikationsnormen sammelbaren Daten sei. Damit handle es sich auch nicht um eine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung“, wie sie der EU-Gerichtshof 2014 gekippt hatte.

Bei Datenschützern schrillen die Alarmglocken
„Heise“ zitiert einen Datenschutz-Experten von Europol, der in einer Präsentation erklärt haben soll: Nachdem die alte Richtlinie für eine Vorratsdatenspeicherung vom EU-Gerichtshof gekippt wurde, sei jede eingeschränkte und „gezielte“ neue Vorgabe für die Sammlung von Vorratsdaten besser als gar keine. Bei Datenschützern schrillen indes die Alarmglocken: Wenn die EU-Staaten künftig jeden Bürger auf Basis von 487 Kategorien von Vorratsdaten anlasslos überwachen, dann würden „die Grenzen des Rechtsstaats“ übertreten, warnt Digitalcourage. Dann baue man „Rechte ab, ohne die eine Demokratie nicht existieren kann.“

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