Bald Weltkulturerbe

Kult um die Kellergassen im schönen Weinviertel

Reisen & Urlaub
04.05.2019 08:00

„Köllamauna“ und in die „Grean gehen“ - alte, noch immer gelebte Tradition aus dem Weinviertel. Jetzt soll es zum UNESCO-Kulturerbe werden.

Hallo Frühling!, rief dereinst Simon Polt vulgo Erwin Steinhauer, als er mit seinem alten Waffenrad das Pulkautal mit seinen malerischen Kellergassen erkundete. Hallo Frühling!, rufen auch wir, als wir am Galgenberg von Wildendürnbach eintreffen. Vermutlich eines der schönsten Ensembles ohne Rauchfang im Weinviertel, wo es über 1000 dieser architektonisch archaisch anmutenden Gebäude im Hintaus gibt. Hintaus deshalb, weil Kellergassen immer außerhalb des Ortes angelegt worden sind.

Weinverkostung im Presshaus
Begonnen hat die Kellergassen-Kultur mit Joseph II., der 1781 die Leibeigenschaft lockerte. Weinbau und Vermarktung wurden erlaubt. Die Gasse hinter dem Dorf, die sich von der Wachau bis ins Alpenvorland ausbreitet, war geboren. Über den kunstvoll errichteten Kellerröhren wurden meist einfache Presshäuser errichtet, in denen ein schlichter Tisch, mit Wachstuch bedeckt, und ausgemusterte Sesseln zum Verkosten einluden. Eine Kerze im Drahtleuchter – und schon stand der Verkost-Stimmung nichts mehr im Wege.

Der geübte Winzer holt bis heute noch Grünen Veltliner, Riesling oder Blauen Portugieser mit dem Weinheber aus dem Bauch großer Holzfässer. Mitunter auch noch den einfachen Haustrunk: Dieser zumeist in Dopplern abgefüllte leichte Wein wurde im Kellerzega, einer von Hand gefertigten Ledertasche, nach Hause befördert.

Ein Zuhause, in dem die Frauen der Winzer oft warten mussten. War doch die Welt unter der Erde den Männern vorbehalten. Oder wie es der Autor Michael Krickl in seinem Essay ausdrückt: „Wenn es gegen vier Uhr Nachmittag geht, dann wird der Bauer unruhig. Er legt die häusliche Arbeit zur Seite und richtet sich den Kellerzega, eine kleine Jause, ein Scherzl Brot und eine kalte Leberwurst. Nimmt den schweren Schlüssel vom Haken und sagt zur Bäuerin wie zum Gruß: ,Ich geh jetzt in den Keller‘, wartet keine Antwort ab und ist bei der Tür draußen. Schließt mit ruhiger Hand die Schlösser der grünen Holztür auf, schneidet seine Jause mit dem Veredelungsmesser, welches er stets mit abgetragenem Kalmuk-Janker trägt. Holt mit dem Heber, der am rostigen Haken hängt, wie es schon der Großvater gemacht hat, Wein – genießt langsam mit allen Sinnen. Nichts stört das Tun. Er gewährt seinen Gedanken Audienz.“

Und das sind die echten „Köllamauna“, die die Tradition des täglichen Kellerganges hochhalten. Sich um ihre Presshäuser und um deren Erhalt kümmern. Um die Weinqualität sowieso. Um die kümmert sich seit jeher auch die geheimnisvolle Kellerkatze. Die uralte Symbolfigur, soll sich immer auf dem Fass, in dem der beste Wein lagerte, niedergelassen haben.

Wir hingegen haben uns niedergelassen vor dem malerischen Presshaus von Johann: Kellerkalter Grüner Veltliner und eine zünftige Jause werden serviert. Geselchtes, Käse, Kümmelbraten, Brot – alles aus der Region. Haben wir uns auch verdient. Hat uns doch der aus Südtirol stammende Kellergassenführer Manfred Monetti fast zwei Stunden lang durch die romantische Kellergasse von Wildendürnbach geleitet.

Allerlei Wissenswertes vermittelt. Dass wir nur einen Steinwurf von der tschechischen Grenze entfernt sind. Der 253 Meter hohe Galgenberg nur so heißt – gehängt wurde niemand. Eine Besonderheit bildet in der Kellergasse die Kirche. Nachdem der Kirchturm abgebrochen war, wurde er wieder aufgesetzt. Allerdings bis heute ohne Kreuz. 184 Presshäuser stehen hier. Nebenerwerbsbauern und Hobbywinzer betreiben rund ums Dorf 40 Hektar Weingärten.

Die Hauptsorten sind Grüner Veltliner, Welschriesling, Weißburgunder, aber auch Chardonnay. Bei den Rotweinen setzt man hier – im Land um Laa – hauptsächlich auf Zweigelt, Blauburger und Blauen Portugieser. Wir erfahren aber auch vom uralten Brauch, in die „Grean gehen“, der gerade zu Ostern seinen Höhepunkt hat – und jetzt zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden soll.

„Die Weinviertler Gelassenheit entsteht im Gehen“, so unser Kellergassenführer Monetti. Beim gemeinsamen Spaziergang mit dem Winzer durch die Rieden, dem Verkosten jungen Weines – gerade im Frühling bekommt man ein spezielles Gefühl für diesen Brauch. Ein Brauch, der sich ursprünglich aus dem biblischen Emmausgang herleitet.

Damals wurde in den Kellergassen von den Winzern für die Ernte gedankt – Wein getrunken und für Energie für das kommende Jahr gebetet. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sagten dann die Winzer ihren Lesehelfern am Ostermontag Danke. „In die Grean gehen“ ist aber heute nicht mehr nur Lesehelfern vorbehalten. Bis Anfang Mai freuen sich Besucher auf den gemeinsamen Genuss im Keller und Weingarten, wo jetzt schon die knorrigen Stöcke austreiben. Rosen Knospen tragen, Flieder duftet – und so manche Philosophie ausgetauscht wird. Etwa: Zuerst riecht man ihn, den Frühling. Die langen Nächte neigen sich endlich dem Ende. Der Boden befreit sich aus eisiger Umklammerung. Die Tierwelt erwacht. Vögel zwitschern das Frühjahr herbei. Löwenzahn und Gänseblümchen sind bunte Tupfer im ersten zarten Grün des Bodens.

Und dann kommt ein Winzer aus seinem Keller und sagt nicht „Grüß Gott“ – sondern „Trink ma wos“! Der wahre, eigentliche Gruß im Weinviertel.

Ingrid Altermann, Kronen Zeitung

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