Weltfrauentag-Serie

„Gott nur als männlich zu sehen, macht ihn klein“

Österreich
07.03.2019 06:00

Jedes Jahr am 8. März wird der Weltfrauentag gefeiert. Doch: Braucht es so einen Tag in Österreich überhaupt noch? Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen im Jahr 2019? Und wie ist es, als Frau in männerdominierten Bereichen zu arbeiten und zu wirken? Darüber hat krone.at in einer Serie zum Weltfrauentag mit spannenden Frauen in Österreich gesprochen. Zu Gast im krone.tv-Studio war auch Maria Katharina Moser, die erste Frau an der Spitze der Diakonie.

Maria Katharina Moser hat unter anderem interkulturelle Frauenforschung studiert. Dieses Fach beschäftigt sich mit Lebenssituationen von Frauen auf der ganzen Welt, die je nach Lebensort, Kultur und wirtschaftlichen Möglichkeiten deutlich voneinander abweichen können. Auch mit dem internationalen Vergleich im Hinterkopf ist sie überzeugt: „Wir brauchen auch in Österreich unbedingt noch einen Weltfrauentag.“

Ausnahmeerscheinung Frau
„Als ich Pfarrerin geworden bin, haben viele mich gefragt: ,Was machst du eigentlich besser als deine männlichen Kollegen?‘, und als ich dann Diakoniedirektorin geworden bin, bin ich oft gefragt worden: ,Was machen Sie anders als Ihr männlicher Vorgänger?‘ Alleine diese Frage, was Frauen anders machen, was sie besser machen - dass das überhaupt auffällt, wenn sie bestimmte Positionen übernehmen -, das zeigt uns, dass das in Österreich nicht selbstverständlich ist, dass Frauen Managerinnen sind, Pfarrerinnen sind, vielleicht auch Mechanikerinnen sind. Genauso, wie es immer noch nicht selbstverständlich ist - und das ist mir sehr wichtig -, dass Männer Kindergärtner sind oder alte Menschen pflegen“, erzählt Moser.

Als Direktorin der Diakonie weiß Moser, wie es den hilfsbedürftigsten Menschen in unserer Gesellschaft ergeht. Hier sieht sie: Besonders Altersarmut ist ein frauenspezifisches Problem. „Das hängt damit zusammen, dass Frauen ihr ganzes Leben lang weniger verdienen, oft in Teilzeit arbeiten, und das wirkt sich dann eben im Alter in der Pension so aus, dass Frauen öfter von Armut betroffen sind als Männer“, weiß Moser. Tatsächlich sind laut Zahlen der Statistik Austria 22 Prozent der allein lebenden Pensionistinnen armutsgefährdet, bei allein lebenden Pensionisten sind es hingegen nur 13 Prozent. „Dies erklärt sich zum Teil durch den hohen Anteil von Frauen beim Bezug einer Mindestpension, deren Richtsatz unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt“, heißt es im Bericht der Statistik Austria.

Wie man das ändern kann? Moser ist überzeugt, es gehe im Wesentlichen um die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit. „Der Kern ist das Verhältnis von Hausarbeit und Erwerbsarbeit, das gerecht zwischen den Geschlechtern verteilt werden muss. Aber auch im bezahlten Bereich: Die Sorgearbeit - in der Pflege, die Sorge für Kinder, die Sorge für Menschen mit Behinderung -, all das sind ganz wichtige, schöne Aufgabenfelder, und die sollten auch mehr für Männer offen sein bzw. interessanter werden.“

Auch das Personal in der Diakonie ist vorwiegend weiblich, Soziales und Pflege sind klassische Frauenbereiche. Ob es da eine Männerquote braucht? „Quoten in der Pflege wären schwierig, weil man nicht sagen kann, wenn man keinen Mann findet, bleibt die Stelle eben unbesetzt. Pflege ist wichtig und wird immer gebraucht, die Menschen müssen immer versorgt werden“, sagt Moser. „Wir müssen schon früher ansetzen, bei der Erziehung von Kindern, in der Bildung, in der Ausbildung für den Pflegebereich - und natürlich auch in Fragen der Bezahlung.“ Ihrer Erfahrung nach würde bei Männern aufgrund gewisser gesellschaftlicher Wertungen und Selbstverständlichkeiten das Interesse an sozialen Berufen fehlen: „Man glaubt immer, für Beziehungsarbeit, für Sorgearbeit sind Frauen zuständig, und das sind dann solche Selbstverständlichkeiten, die sich auf uns alle im Alltag auswirken.“

„Viele weibliche Gottesbilder in der Bibel“
Promoviert hat Moser im Bereich der feministischen Theologie. Auch im Bereich des Glaubens setzt sie sich für einen reflektierten Umgang mit vermeintlichen Selbstverständlichkeiten ein. „Was bedeutet das für uns, wenn wir hauptsächlich in männlichen Bildern von Gott sprechen? Nur in männlichen Bildern zu sprechen, würde letztlich, sagt die feministische Theologie, Gott auf Männlichkeit reduzieren, Gott klein machen, Gott nicht gerecht werden.“ Dabei, so Moser, entspreche das gar nicht unbedingt der religiösen Lehre: „Ganz schön finde ich, dass es in der Bibel viele weibliche Gottesbilder gibt. Wir finden Gott zum Beispiel als Adlermutter, die auf ihren Schwingen die Kinder zum Fliegen ermächtigt und in die Luft hebt und trägt. Oder auch als Henne, da sind dann die Flügel so ein schützendes Bild. Freiheit und Schutz. Ich glaube, das brauchen wir beides, und das ist schön, wenn das im Gottesbild auch in weiblichen Bildern präsent ist.“ In der evangelischen Kirche herrsche volle Gleichberechtigung, so Moser, aber selbst hier bestehe noch Aufholbedarf in der Frage von Frauen in Leitungsämtern.

Heldinnen des Alltags als Vorbild
Auf die Frage nach ihren Vorbildern nennt Moser keine berühmten Namen: „Ich muss sagen, dass meine Vorbilder eigentlich immer die Heldinnen des Alltags sind. Mir ist noch eine Frau aus der Pfarrgemeinde in Erinnerung, die mit einer schweren Krebserkrankung im Krankenhaus war. Ich habe sie besucht, und sie hat mir von einer anderen Dame drei Zimmer weiter erzählt, die mit Demenz lebt und manchmal etwas verwirrt auf den Gängen herumirrt. Sie hatte ihr wieder ins Zimmer geholfen und sich ein bisschen um sie gekümmert. Diese Heldinnen des Alltags, die es schaffen, in Situationen, die für sie selber sehr schwierig sind, immer noch Energie und Aufmerksamkeit für andere zu haben - die bewundere ich.“

Sonntags um 10 Uhr vormittags ist Moser im Gottesdienst. Samstagvormittags arbeitet sie oft, oder sie geht einkaufen.

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