Alarm per Handy

Flieger-Frühwarn-App soll vor Bomben-Tod schützen

Web
17.09.2018 12:35

Das russische Kampfflugzeug hebt um 16.47 Uhr vom Luftwaffenstützpunkt Hmeimim im Westen Syriens ab und fliegt nach Osten. Ein Beobachter am Boden tippt Ort, Flugzeug-Art und Richtung in die entsprechenden Felder einer App auf seinem Handy ein. Vierzehn Minuten später und 100 Kilometer entfernt sieht Abdel Rassak den Jet über seinem Dorf Maaret al-Numan. Auch er öffnet sein Mobiltelefon und hält fest, was für ein Flugzeug er von wo aus in welche Richtung fliegen sieht. Die App leitet all diese Daten an ein Programm mit dem Namen „Sentry“ (Wachposten) weiter. Es berechnet aus ihnen die Flugroute des Jets und schickt eine Warnung heraus, die zu einer Kaskade aus Facebook-Einträgen, Tweets und Telegram-Botschaften führt. Noch wichtiger: Sie sorgt dafür, dass in den syrischen Rebellengebieten die Sirenen heulen.

Bomben-Frühwarnsystem
„Sentry“ wurde von zwei US-Bürgern ins Leben gerufen, John Jaeger und Dave Levin. Jaeger arbeitete früher für das US-Außenministerium mit syrischen Zivilisten zusammen. „Mir wurde klar, dass die größte Bedrohung für den Frieden innerhalb von Syrien die wahllose Bombardierung von Zivilisten ist“, sagt er. „Wir waren einfach der Meinung, dass die internationale Gemeinschaft mehr tun sollte und kann, um Zivilisten vor dieser wahllosen Bombardierung zu schützen.“

Die Firma der beiden Männer, Hala System, beschreibt „Sentry“ als ein Frühwarnsystem, das mithilfe von künstlicher Intelligenz in Echtzeit und verlässlich Bedrohungen erfasst. Zahlreiche Staaten fördern demnach Hala, darunter die USA und Großbritannien.

Lebensrettende Sekunden
Die Benutzer von „Sentry“ werden von Freiwilligen in der Anwendung der App unterrichtet. Eine von ihnen, Naela, macht Frauen als eine der wichtigsten Zielgruppen aus. „Frauen tragen immer ihr Handy bei sich“, sagt sie. „Deswegen erhalten sie die Botschaften, wo immer sie sich auch aufhalten, ob sie zu Hause sind, in der Küche, beim Nachbarn.“

Naela bringt auch Schulkindern bei, wie sie sich unter die Tische werfen und dort klein machen müssen, wenn die Sirenen heulen. Kommt die Warnung früh genug, dann ist noch genug Zeit für die Lehrer, die Kinder in den Keller zu bringen.

„Es war sinnlos, noch irgendwas zu tun“
Zeit sei genau das, was „Sentry“ den Menschen gebe, sagt die 50-jährige Omayya. Ihre sechs Enkel gehören zu den Kindern, die ausgebildet werden. Omayya spricht davon, dass früher die erste Warnung vor einem Bombardement das Geräusch der Kampfjets selbst gewesen sei. Dann sei es zu spät gewesen: „Es war sinnlos, noch irgendwas zu tun.“ Man habe dann nur noch mit ansehen können, wie die aus Öl-Fässern gebauten Bomben herabfielen.

„Wir haben zugeschaut, wie die Fässer niedergegangen sind“, sagt sie. „Und die Kinder haben geweint.“ Drei von Omajjas Enkeln haben keinen Vater mehr.

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