„Krone“-Interview

Joe Bonamassa: „Ich übertreibe es in jeder Show“

Musik
20.05.2018 07:00

Joe Bonamassa wird gerne als der große Retter des Blues gesehen und hat sich über die Jahre hinweg längst auch außerhalb der Gitarrennerd-Schiene zum Kultmusiker gemeistert. Anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Live-Albums „British Blues Explosion Live“ haben wir mit dem Meister der sechssaitigen Axt auch über die schweren Jahre bei Black Country Communion, das kommende Studioalbum, seine zwei Persönlichkeiten und das Geheimnis seines Erfolgs gesprochen.

(Bild: kmm)

„Krone“: Joe, Wien mag dich und du magst Wien - das beweist nicht nur die Live-DVD „An Acoustic Evening At The Vienna Opera House“, die du 2013 veröffentlicht hast, sondern auch die vielen Konzerte, die du hier immer wieder gibst. Wie würdest du deine Beziehung als Künstler zu dieser Stadt bezeichnen?
Joe Bonamassa: Die Aufnahme der DVD war 2012 und im Jahr davor waren wir mit Black Country Communion in der Staatsoper zu Gast. Die Akustiksoloshow hat jedenfalls besser in diese Venue gepasst. Eine Stadt wie Wien oder Salzburg musst du als Musiker förmlich inhalieren, weil so viele große Komponisten von hier stammen. Hier ging früher die Post ab. So wie Austin in Texas der Untergrund für die Bluesgitarristen ist, war Wien der Boden für die Typen, die mit ihren Stöcken magische Orchester dirigierten.

Du springst als Künstler gerne zwischen akustischen und elektrischen Gitarrenshows. Was sind die größten Unterschiede und fühlst du dich in einem Metier sichererer als im anderen?
Es ist eine total andere Disziplin, die du akustisch aufbringen musst. Auf solchen Touren habe ich noch nicht einmal eine E-Gitarre im Gepäck. Wenn ich nicht völlig in diese Welt eintauche, dann werden die Shows nicht gut. Sobald ich eine E-Gitarre in meiner Nähe habe, bin ich für Akustikshows nicht fokussiert genug und die akustischen Songs klingen unbewusst elektrifiziert. Ich bin in erster Linie ein E-Gitarrist und deshalb muss ich mich davon lösen.

Für viele Menschen bist du derjenige, der den Blues erfolgreich und massentauglich ins 21. Jahrhundert transferiert hat. Wie siehst du selbst deine Rolle im Musikbusiness?
Musikalisch knüpfe ich sehr stark an all die Dinge an, die es bereits früher gab. Es gibt keine massiven Innovationen mehr - gute Musiker spielen gute Songs, das kann ich anbieten. Es ist mir aber offenbar gelungen, eine bereits bestehende Marke durch meinen Stil und meinen Zugang so zu erweitern, dass sie durch unterschiedlichste Genres kreuzt. Ich spiele nicht nur den Blues nach, das wäre mir zu langweilig. Wir machen jedes Jahr eine Kreuzfahrt und dort erzählen mir die Fans immer, dass ich so ein guter Bluesmusiker sei. Wir spielen aber oft in nur einem einzigen Song unterschiedliche Stile wie Americana, Blues Rock oder auch Hard Rock. Ich finde, dass diese Blues-Klassifizierung zu kurz greift. Du hörst ja auch nicht nur einen Musikstil. Das Problem der Musik in den letzten 20 Jahren ist diese Zwangskategorisierung. Jimi Hendrix, einer meiner größten Helden, spielte mal bluesiger, mal psychedelischer und manchmal wie Bob Dylan. Das große Ganze ist aber Musik und nicht nur Blues.

Die Außenperspektive dir gegenüber ist aber oft wesentlich limitierter. Ist es manchmal mehr Fluch als Segen, wenn man von den Medien und Fans als großer Retter des Blues bezeichnet wird?
Ich sehe mich überhaupt nicht so. Ich glaube daran, dass es sich für jeden auszahlt, wenn er in sich selbst und seine Marke investiert. Man erreicht mehr Menschen, wenn man sich dort bewegt, wo man gut ist und dabei noch authentisch ist. Tricks funktionieren nicht, das habe ich schon bei vielen Musikern gesehen. Es gibt so viele unbegangene Spuren da draußen - es geht immer darum, den großen Helden zu huldigen, aber auf eigene und einzigartige Art und Weise. Man muss sich vom Rest separieren und darf ihm nicht nachlaufen. Es ist nicht immer einfach, weil es oft nicht funktioniert, aber man muss einfach seinen Zielen und Träumen treu bleiben, dann wird es in gewisser Weise auch funktionieren. Außerdem kommt dazu, dass nicht jeder denselben Biss und Ehrgeiz besitzt.

Druck verspürst du ob deines Status, den du dir erspielt hast, also nicht?
Was ich jeden Tag geben kann, das sind 100 Prozent von der Leistung, die maximal möglich ist. Ich gebe immer mein Bestes. Ich bin nicht der beste Gitarrist und nicht der beste Songwriter, aber was ich kann, das mache ich mit größer Konzentration und Freude. Ich bringe das Publikum von A nach B und versuche zwei Stunden Show kurz wirken zu lassen. Das ist ein wichtiges Geheimnis, denn ich habe viele Shows gesehen, wo sich zwei Stunden wie zwei Wochen anfühlen - sie sollten sich aber wie 20 Minuten anfühlen. Wenn du im Publikum auf die Uhr schaust und dich wunderst, dass die zwei Stunden vorüber sind, dann habe ich meinen Job gut gemacht. Ein Konzert unterliegt vielen strategischen Überlegungen. Das Zusammenstellen einer Setlist ist zum Beispiel eine eigene Kunstform. Du kannst nicht alles durcheinanderwürfeln, sondern musst einen Spannungsbogen erzeugen. Auch wenn die Fans nicht selbst Musiker sind, reagieren sie auf bestimmte Schlüsselmomente in einem Set und diese Momente muss man richtig setzen. Es sollte niemals langweilen und keiner darf das Gefühl haben, alles klinge gleich. Das ist eine Wissenschaft für sich.

Nun erschien deine in Greenwich, London aufgenommene Liveplatte „British Blues Explosion Live“, auf der du den „großen drei“ Jimmy Page, Jeff Beck und Eric Clapton huldigst. War dir das ein besonderes Anliegen, den Urvätern des modernen Rock zu huldigen?
Es ist ein Teil des Zirkels, den wir seit Jahren verfolgen. Gestartet hat das damals mit den Akustikshows, die rund um die Wiener Staatsoper aufgebaut waren. Dann machten wir vier Jahre später eine weitere Akustiktour rund um die Carnegie Hall, die anders inszeniert und mit anderen Songs bestückt war. 2014 haben wir Muddy Waters und Howlin‘ Wolf gehuldigt, 2015 huldigen wir den drei Kings Freddie, Albert und B.B., wofür ich eine Grammy-Nominierung erhielt und jetzt folgen diese drei. Diese Sets haben ehrlich gesagt wenig mit meiner alltäglichen Arbeit zu tun, aber sie sind eine für mich sehr spezielle, wichtige Sache. Auch hier versuche ich, einen neuen Zugang zu bekannten Songs zu finden. Das braucht viel Zeit und wir werden dazu in Amerika eine Country-Tour machen mit einer anderen Band. Die Diversität in meiner Musik ist mir wichtig, außerdem habe ich mehr Möglichkeiten, bei Liveshows zu variieren und meinen Backkatalog aufzufetten. Bei jedem Tribute fühle ich mich als Musiker und Gitarrist etwas besser. „Sloe Gin“, einer meiner besten Songs, fühlt sich frisch an, weil ich ihn wieder im Set habe. Würde ich die Nummer aber sieben Jahre durchspielen, könnte ich sie nicht mehr hören. Man muss den Kopf immer freihalten für neue Dinge.

Ist so eine Huldigung, wie jene für die drei großen britischen Gitarristen, auch deine Art zu versuchen, sie neu zu entdecken oder ihrem bekannten Sound neue Facetten zu entlocken?
Das ist durchaus ein Ziel von mir. Im Gegensatz zu Howlin‘ Wolf oder auch B.B. King war es hier auch so, dass die Musiker noch am Leben sind und bestenfalls mitkriegen, was ich mit ihren Songs mache. Sie sind nicht nur absolute Größen, sondern in gewisser Weise auch meine Mentoren. Für mich ist das Herausforderndste immer, die richtigen Songs zu wählen. Natürlich könnte ich mir von Led Zeppelin „Stairway To Heaven“ oder „Kashmir“ raussuchen, aber das wäre doch zu offensichtlich. Also habe ich mich auf die anderen, weniger bekannten Nummern konzentriert, denn darin liegt die Herausforderung. Die Welt braucht nicht noch ein „Stairway To Heaven“-Cover, denn besser als das Original wird es nicht mehr. Dasselbe ist bei Jeff Beck oder Eric Clapton - man sollte die Songs wählen, die nicht jeder kennt.

Gibt es für dich bei deinen Eigenkompositionen Momente, in denen du denkst, dass dir hier etwas Ikonisches gelungen ist, dass die Leute auch in vielen Jahren noch zu ehren wissen?
Diese Jungs haben das Buch des Rock geschrieben. Dazu zählen auch Leute wie Hendrix, Pete Townshend von The Who oder Paul Kosoff von Free. Es ist schwierig, das Buch neu zu schreiben und es ist unmöglich die Magie der Bewegung in London 1966 wieder zum Leben zu erwecken. Jeder war damals innovativ, die Musiker befruchteten sich gegenseitig und haben den amerikanischen Blues verbritischt, sozusagen. Du kannst nur versuchen deinen Weg zu finden und dir möglichst wenig Gedanken darüber zu machen, ob du jetzt jemanden damit überbietest oder nicht. Diese Musiker haben den Blues in ihrer Art und Weise interpretiert, ich mache das in meiner Art und Weise mit ihren Songs.

Die englische und amerikanische Rock- und Bluesmusik hat sich über die Jahrzehnte immer gegenseitig befruchtet. Du klingst als Kalifornier dafür ziemlich britisch. Ist deine musikalische Heimat irgendwo zwischen diesen beiden Märkten?
Absolut, ich bin genau dazwischen. Ich bin E-Gitarrist, der hauptsächlich vom britischen Blues beeinflusst wurde, aber ich habe Songs, die direkt aus dem Herzen Amerikas stammen. Ich suche mir das auch nicht aus, es fließt so aus mir raus.

Du hast öfters betont, dass die Gitarre eine Erweiterung deiner Persönlichkeit wäre. Ist das immer noch der Fall? Hat sich dahingehend etwas verändert?
Die Gitarre gibt mir zusätzliches Selbstvertrauen. Ich kann sie spielen und ich weiß, wie ich mit ihr umgehen muss. Ich will nicht unbescheiden klingen, aber wenn ich eine Gitarre in der Hand habe, kommt eine andere Persönlichkeit zum Vorschein. Ohne sie bin ich etwas eigenartig und fühle mich oft unsicher, so bin ich als Mensch gestrickt.

Du verwandelst dich auf der Bühne oder im Studio zu jemand anderem?
Das ist richtig. Der Typ auf der Bühne ist ein anderer Charakter als jener, der dir gerade gegenübersitzt. Die Leute bezahlen für den Typen auf der Bühne. Das ist der, den sie von den DVDs kennen, dessen Sound sie mögen. Ich weiß auch sehr gut, was meine Fans hören wollen. Ich bin tatsächlich keiner, der bewusst rausgeht und die ganze Zeit Gitarrensolos spielen will - das wollen die Leute! Sie haben dafür bezahlt, dass ich dort herumstehe und minutenlang durch die Gegend spiele. Ich weiß in jeder Show, dass es Momente gibt, wo ich es übertreibe, aber offenbar kommt das gut an und die Leute wollen das so haben. Ich kenne meinen Platz. Ich bin der Typ mit der Les Paul, der zu viele Noten spielt. (lacht)

Natürlich wollen auch Künstler aus ihrem gängigen Schema herausscheren. Hast du nicht auch Abende, wo du einfach nicht den Erwartungen entsprechen willst und dich mehr von deinem inneren Egoismus leiten lässt?
Man muss aufpassen. Was ist der Sinn dahinter, wenn dich Leute dafür mögen, wie du spielst und wie sie dich kennen? Natürlich kann es sein, dass ich eines Morgens aufwache und mein wirklich loyales Publikum mit etwas völlig anderem auf die Probe stellen könnte, aber zahlt sich das aus? Eine gewisse Form von Pragmatismus ist notwendig. Ich kenne viele Künstler, deren Karriere fulminant gestartet ist, die sich eine Zeit lang daranhielten und plötzlich alles änderten - dann wundern sie sich, warum keiner mehr zu den Konzerten geht. Die Fans sollen nicht bereuen, wenn sie viel Geld für ein Konzert bezahlen. Das ist - neben all der künstlerischen Entfaltung - immer noch ein Geschäft.

Über die letzten gut 20 Jahre hast du mit so vielen mehr oder wenigen bekannten Musikern zusammengearbeitet. Was gefällt dir am besten an dieser Art von Zusammenspiel und Kooperation?
Dass man sich dadurch selbst immer verbessert. Es gibt natürlich Kooperationen, bei denen es nicht so gut fließt wie bei anderen, aber du lernst von jeder einzelnen. Ich bin sehr stolz auf all diese Möglichkeiten, die sich mir als Solokünstler oder auch in Projekten und Bands geboten haben. Teilweise spiele ich mit zehn anderen Musikern zusammen, manchmal sind wir auf der Bühne nur zu dritt. Das Gute ist, dass ich einen so großen Backkatalog habe, dass ich all diese unterschiedlichen Shows mit unterschiedlichen Besetzungen spielen kann. Es ist keine Frage, ob wir genug Talente finden, daran mangelt es niemals. Es geht eher darum, die richtigen Teams zusammenzustellen, die gut harmonieren.

Die Reunion von Black Country Communion und das letzten Herbst veröffentlichte Studioalbum kamen für viele Menschen ziemlich überraschend. Was habt ihr denn anders gemacht als früher, damit es jetzt plötzlich doch wieder funktioniert?
Wir mussten ehrlich mit uns selbst sein und haben wichtige Fragen geklärt. Was erwarten wir uns von dieser Band? Was wollen wir tun? Wie wollen wir es tun und wer sind wir als diese Band? Ich bin froh, dass wir das alles klären konnten und es war ein schöner Moment für uns alle. Ehrlich gesagt sind wir seit den Gründungstagen dieser Band nicht sehr gut miteinander ausgekommen. Wir haben im Jänner drei Shows gespielt, die vielleicht besser hätten sein können, aber wir alle lieben uns und haben uns super verstanden - ein Gefühl, dass ich nicht immer so kannte und das sehr wichtig ist. Ich glaube auch, dass die Band noch immer relevant ist. Es gibt einen Markt für diesen 70er-Rock, den man nur mehr sehr selten hört. Außerdem werden wir angeführt von einem echten Rock-And-Roll-Hall-Of-Fame-Rockstar. Es gibt Möchtegern-Rockstars und richtige Rockstars - Glenn Hughes ist definitiv zweites. Ich meine das ganz positiv. Seine Stimme ist immer noch unglaublich, obwohl er 66 ist. Ich muss immer lachen, wenn Leute ihn erstmals abseits der Bühne treffen, denn er ist dort der gleiche. Eben ein purer Rockstar.

Siehst du dich nicht als Rockstar? Du füllst auch Hallen.
Nein, ich bin ein Gitarren-Geek, der sein Handwerk ziemlich gut beherrscht. Echte Rockstars erscheinen in einem Raum und inhalieren die ganze Luft, die sich in ihm befindet. Davon bin ich weit entfernt. Ich sehe mich auch nicht als berühmt, sondern einfach als jemanden, der seine Leidenschaft so weit getrieben hat, dass er davon leben kann. Ich fühle mich aber immer noch unwohl dabei, wenn jemand um ein Autogramm fragt oder ich in einem Restaurant einen besseren Tisch bekomme. Das wird sich auch nie mehr ändern. Ich spiele Gitarre und kann davon leben - das ist die perfekte Ausrede um niemals einen normalen Job annehmen zu müssen. (lacht) Meine Optionen außerhalb meiner jetzigen Tätigkeit sind zudem mehr als limitiert.

Musste bei Black Country Communion jeder von euch einen Schritt zurückgehen, um diese Band wieder zum Leben bringen zu können?
In unserer fünfjährigen Abwesenheit konnte jeder einzelne über alles nachdenken und sich der Perspektiven gewahr werden - das war notwendig und wichtig. Es gibt nicht so viele Menschen, die in ihrem Leben die Möglichkeit haben Teil einer wirklich großen Band zu sein und wir haben diese Möglichkeit richtiggehend weggeworfen. Das war ein Fehler, das wissen wir alle - denn andere kämpfen ein ganzes Leben lang um diesen Status. Ich habe allen einen Brief geschrieben und mich dafür entschuldigt, wie ich mich oft verhielt und erklärt, dass ich der erste wäre, der an Bord sei, sollten die anderen wieder Lust dazu haben.

Ein mutiger Schritt, denn dafür muss man sich als erster eingestehen, dass man sich unkorrekt verhalten hat…
Es kommt der Zeitpunkt, wo man einfach wissen muss, wann es reicht oder wann man sich selbst zurückstellen muss. Niemand von uns ist von Natur aus unkooperativ und irgendwann müssen die Anschuldigungen aufhören und man muss von vorne beginnen. Das ist uns gelungen und bislang hat das ideal funktioniert.

Jetzt warten all die vielen Fans natürlich auf eine ordentliche Tour mit neuen Songs und alten Hits. Inwiefern ist diese Hoffnung realistisch?
Sie ist absolut nicht unrealistisch, aber wir haben alle unheimlich dichte Terminpläne. Glenn spielt gerade die 40-Jahre-Jubiläums Deep-Purple-Shows, Derek Sherinian spielt mit Sons Of Apollo und Jason Bonham ist, so wie ich, auch dauernd unterwegs. 2019 sieht aber nicht schlecht aus, dort könnte es schon eine Rückkehr der Band in großem Maß geben. Vielleicht schreiben wir nächstes Jahr auch ein weiteres Album, das ist durchaus möglich.

Zuerst kommt aber noch dein nächstes Soloalbum, das für September avisiert ist.
Die ersten vier Songs auf der aktuellen Tour werden sich darauf befinden. Das Label meinte, ich könne die doch nicht jetzt schon spielen, aber warum eigentlich nicht? Ich habe keine Geduld und ich will die Songs präsentieren. Die Leute mögen sie und sie passen in das Set. Meine Fanbase kauft das Album ja trotzdem, weil sie die bereinigte Albumversion hören wollen.

Deine Fans kaufen ja auch tatsächlich noch physische Produkte. Bei Weitem keine Selbstverständlichkeit in Tagen wie diesen.
Nicht mehr so viel, aber sie kaufen immer noch. (lacht) Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Aber ich bin selbst nicht besser. In meinem Rucksack vor mir habe ich einen Laptop, der längst kein CD-Laufwerk mehr hat, auch in den neuen Autos findest du diese Laufwerke nicht mehr. Selbst mein neuer Stand-PC besitzt das nicht mehr. Selbst wenn du CDs hören willst, macht es dir die Gesellschaft allgemein immer schwerer, das tun zu können. Es wird immer härter physische Produkte zu verkaufen und auch iTunes wird immer mehr zu einer Streaming-Plattform. Du musst heute darauf achten, die Leuten zu deinen Konzerten zu bringen und ihnen Dinge anzubieten, die man nicht runterladen kann. Wenn du zum Beispiel anbietest, du würdest Bier jetzt sofort um 20 Prozent billiger verkaufen oder es morgen gratis zur Verfügung stellen, dann werden exponentiell mehr Leute lieber extra noch einmal am nächsten Tag herfahren, um es gratis zu kriegen. So tickt die Menschheit mittlerweile und daran wird sich so schnell nichts ändern. Das Musikbusiness hat dasselbe Problem - wir haben irgendwann angefangen alles zu verschenken und kommen nicht mehr aus diesem Zirkel heraus.

2017 war das erste Jahr, wo der Hip Hop auch in den Verkaufs- und Downloadzahlen die Rockmusik in den USA überholt hat. Ist diese Tatsache für dich umso mehr eine Bestärkung, dass Leute wie du den Menschen handgemachte Rockmusik bieten müssen, um eine Trendwende zu schaffen?
Meine Position auf diesem Markt ist es, neue Musik im Stil der alten Klassiker zu kreieren und damit den Markt zu befüllen. Es gibt noch immer eine ganze Menge junger Kids, die eine Gitarre in die Hand nehmen und diese Musik mögen. Wenn du 100 Hip-Hop-Fans ein Album von mir vorspielst, werden 98 davon sagen, dass das scheiße klingt und sie lieber zu Jay-Z wechseln, aber bei zwei wird das Interesse geweckt und sie gehen selbst die nächsten Schritte in diese Richtung. Also musst du dich auf diese zwei Menschen konzentrieren, denn dort kannst du was holen. Rock-’n’-Roll ist seit Mitte der 50er-Jahre populär. Mein Vater kam 1954 auf die Welt und dort begann die Rock-Explosion. Das sind mehr als sechs Jahrzehnte und irgendwann muss alles ein Ende haben. Natürlich stirbt der Rock-’n’-Roll in gewisser Weise, alles andere wäre ja unnatürlich. Wenn ich heute junge Leute sehe, wie sie bei runtergekurbeltem Fenster und mit Zigarette im Mund im Auto laut Musik aufdrehen, wundere ich mich, warum sie so einen Mist hören. Und in dem Moment habe ich realisiert, dass ich jetzt zu den Alten gehöre. Ich klinge genauso wie meine Eltern, die nicht verstanden haben, als ich meine Musik als Teenager hörte. Es ist mit jeder Generation dasselbe, nur die Musik ist anders. Das ist das Hauptproblem und dafür gibt es keine Lösung. Es wird auch der Tag kommen, wo die Rapper nicht mehr cool sind. Niemand entert das Musikbusiness, weil es so nachhaltig ist.

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