„Krone“-Interview

Rea Garvey: Rockstar mit einem Hang zu Hip-Hop

Musik
06.04.2018 07:00

Nach dem durchschlagenden Erfolg seines Albums „Prisma“ musste Rea Garvey erst wieder in die kreative Spur finden. Das gelang ihm nicht im Ausland, sondern direkt vor der Berliner Haustür - mit Hip-Hop-Produzent Abas und Deutsch-Rapper Kool Savas. Im ausführlichen „Krone“-Interview schildert der gebürtige Ire zudem, was für ihn Heimat bedeutet, wieso ihm Gleichberechtigung ein Anliegen ist und wie sehr er sich auf seinen Auftritt in Wien freut.

(Bild: kmm)

Seiner Tochter haben wir es zu verdanken, dass das neue Album von Rea Garvey „Neon“ heißt, denn der Künstler selbst hatte eine viel finsterere Zugangsweise zum Titel, wie er uns im „Krone“-Interview verrät. „Ursprünglich war als Titel ,Blacklight‘ geplant, um damit metaphorisch eine Perspektive zu eröffnen, die man nur durch das Album sehen kann. Als ich meiner Tochter davon erzählte hat sie mir gleich eine bessere Idee geliefert.“ Mit dem sehr rockigen, thematisch eher dunkel gelagerten Vorgänger „Prisma“ kam er vor zweieinhalb Jahren bis auf Platz zwei der deutschen Albumcharts - für Garvey war aber von Anfang an klar, dass er sich nicht an das Erfolgskonzept klammern würde. Zu viel ist in der Zwischenzeit passiert, zu sehr hat sich das Leben des 43-Jährigen verändert.

Runderneuerung im kleinen Stil
„Ich habe mich damals klar zu Themen wie Social Media oder der Gesellschaft im Allgemeinen positioniert. Es war mir klar, dass ich damit mein Publikum spalte. Ich hatte zwar immer das Gefühl, eine positive Aussage anzubieten, aber das Album ging schon an die Grenze.“ Für „Neon“ wollte Garvey neue Inspirationen, andere Perspektiven und Blickwinkel. Eine Runderneuerung im kleinen Stil sozusagen, denn dass man den gebürtigen Iren als Interpreten wiedererkennt, ist in keiner Sekunde des Albums anzuzweifeln. „Bevor ich bei diesem Album ankam, habe ich erst einmal sehr gelitten. Beim Songwriting ging fast ein Jahr lang nichts weiter und ich wusste schon nicht mehr wohin.“

Wie die meisten Musiker suchte auch Garvey sein kreatives Seelenheil im Ausland, reiste nach Island, Schweden, in die USA, nach Großbritannien und sogar in seine Heimat Irland, um wieder in die Spur zu finden. „Für mich ist jedes Album eine Reise und jede Reise beginnt erst einmal mit dem Zusammenpacken und Abschiednehmen. Für die Psyche ist es sehr wichtig, etwas hinter dir zu lassen, dich in ein Auto oder Flugzeug zu setzen und auf eine Sache zu fokussieren. Ich habe das auch dieses Mal gemacht, in dem Fall aber gemerkt, dass alles, was ich suche, eigentlich genau vor meiner Tür lag. Ich habe in verschiedensten Ländern etwas geschrieben, aber nie den richtigen Weg gefunden. Es waren nur kleine Bausteine, aber das große Ganze, das passierte in Berlin.“

Danke, Rammstein
Einen wichtigen Moment im Songwritingprozess hatte Garvey in Island aber doch - und der ist direkt mit Rammstein konnotiert. „Ich war gerade auf dem Weg in eine Naturtherme, als ich auf einem Riesenplakat sah, dass Rammstein in Reykjavik spielen würden. Ich habe Till gleich angetextet und wir sind Abendessen gegangen. Till ist ja aus Berlin und für mich war das eines von vielen Zeichen, dass ich eben nach Hause gehen müsste. Solche Zeichen habe ich auch in London und den USA erlebt. Es hat nur etwas gedauert, bis ich sie auch wahrgenommen und richtig gedeutet habe.“

Der einschneidende Punkt war die Single „Beautiful Life“, die Garvey mit dem bekannten Hip-Hop-Produzenten Imran „Abaz“ Abbas schrieb. Hip-Hop-Produzent? Richtig gelesen, denn der Ire machte sich auf die Suche nach neuen Ufern, nach einer künstlerischen Umwandlung seiner Selbst, ohne aber die Marke Rea Garvey darunter leiden zu lassen. Der Wahl-Berliner hatte im Vorfeld das ungute Gefühl, bereits alles einmal gemacht zu haben, wodurch als letzter Ausweg nur mehr die Flucht in die Offensive blieb. Absolutes Neuland hat er auch mit der Single „Is It Love?“ gewagt, die er sich mit dem legendären - und früher durchaus skandalumwitterten - Deutsch-Rapper Kool Savas teilt. Eine mehr als interessante Kooperation.

Hip-Hop-Rocker
„Ich habe das weder geplant noch erwartet, aber es hat sich so ergeben. Kool Savas kennt Abas, hat dort meinen Song gehört, fand ihn gut und so hat sich alles ergeben. Ich war anfangs etwas vorsichtig, in diese Hip-Hop-Welt einzutreten und mich dort zu bewegen, versuche aber überall meinen Stempel anzubringen und bin auch bei dieser Urban-Beats-Nummer klar herauszuhören. Ich will auch zu keiner Sekunde damit suggerieren, dass ich jetzt ,einer von ihnen‘ wäre, damit würde ich nur kolossal scheitern. Zwischen Savas und mir gibt es aber eine Harmonie, persönlich und musikalisch. Vor zehn Jahren hätten wir uns wahrscheinlich nicht verstanden und er hätte auch nicht mit mir arbeiten wollen, aber die Zeiten ändern sich. Die Nummer wird zudem von allen akzeptiert und wir fühlen uns sehr wohl damit.“

„Is It Love?“ stellt sich offensiv gegen veraltete Geschlechterrollen und falsche Stereotype. Eine feministische Hymne, sozusagen, die man früher niemals mit einem Kool Savas in Verbindung gebracht hätte. Neue Zeiten erfordern aber auch neue Maßnahmen und neue Ansichten. „Ich habe ihm von meinen sieben Schwestern erzählt und was sie in Irland alles durchmachen mussten, um weiterzukommen. Wir sind in der Gesellschaft leider noch immer sehr unausgeglichen, auch wenn es nicht nachvollziehbar ist. Wir sind aber keine alten Hunde, die keine neuen Tricks mehr lernen können - man muss Veränderung auch wollen. In der Musik hat man durchaus die Verantwortung, aktuelle Themen zu kommentieren. Ein Song erzeugt Gespräche, Gespräche erzeugen Informationen und Informationen erschaffen bestenfalls einen neuen Weg. Wenn ich und Savas zusammen so einen Song schreiben, dann trifft er schon eine breite Masse in der Gesellschaft.“

Ewiger Optimist
Die Positivität und Freude am Leben sind die wichtigsten Prämissen für Garvey, der auf „Neon“ ganz klar die hellen Seiten des Lebens beleuchtet und auch gerne mal persönlich blicken lässt. Etwa im Song „Hometown“. „Mein Zuhause ist die Familie. Wände und Türen beschreiben mein Herz nicht, es sind die Menschen, die dahinterstehen. Durch den Job meines Vaters bin ich schon als Kind dauernd umgezogen und war innerhalb von sieben Jahren in sechs verschiedenen Wohnungen. Beim Kofferpacken war ich immer entspannt - auch damals, als ich nach Deutschland ging. Natürlich war der Umzug für mich ein Riesenschritt, aber ich war immer optimistisch, das alles passt. Ich glaube an das Gute und bin nicht bereit, unsere Gesellschaft aufzugeben. Ich will den Menschen Hoffnung geben, denn die Welt ist nicht immer so schlecht, wie es scheint. Man muss immer bei sich selbst beginnen. Bin ich schlecht drauf, leiden alle anderen mit - genauso läuft es aber umgekehrt.“

Auf „Neon“ hat sich der einstige „The Voice“-Juror ein stückweit mehr selbst gefunden. Der Ehrgeiz des Kindes aus der irischen Arbeiterschicht ist jedenfalls immer noch ungebrochen, denn auch live ist das Ziel von Garvey, zunehmend größer und besser zu werden. 4. Oktober kommt der Sänger wieder in sein „Wiener Wohnzimmer“, den Gasometer, zuvor ist er am 2. Juni bei „Gmunden Rockt“ zu Gast. „Ich freue mich tierisch darauf und habe schon öfters meine Tourneen in Wien beendet. Ich habe bei euch schon viele lange Nächte verbracht, aber noch keine einzige davon bereut - außer vielleicht körperlich. Euer Land hat ein Riesenherz und das spüre ich jedes Mal, wenn ich auf der Bühne stehe. Ich werde Österreich sicher nicht enttäuschen.“ Karten für den Auftritt gibt es unter 01/588 85-100 oder unter www.ticketkrone.at.

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