18 Monate bedingt

Sterbehilfe-Prozess: Pensionierter Arzt verurteilt

Österreich
17.12.2008 17:41
Im Salzburger Sterbehilfe-Prozess gegen den pensionierten Lungenfacharzt Helmut Wihan (Bild) ist am Mittwoch das Urteil gefällt worden: Wihan wurde zu 18 Monaten bedingt wegen Tötung auf Verlangen verurteilt. "Ich nehme das Urteil an", sagte der 68-Jährige. Ihm war vorgeworfen worden, einer 70-jährigen Frau aus dem Salzburger Flachgau auf deren Wunsch am 13. Juni 2006 drei tödliche Injektionen verabreicht zu haben. Die Staatsanwältin plädierte auf Mord, die Verteidigung auf Tötung auf Verlangen. Dem Sohn der getöteten Frau wurde ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zugesprochen.

Die milde Strafe begründete der Vorsitzende Richter Wilhelm Longitsch damit, dass Wihan geständig und unbescholten war. Zudem habe der Angeklagte einen ordentlichen Lebenswandel geführt und zur Sicherstellung des Geldes beigetragen. Der Delikt "Tötung auf Verlangen" ist mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahre bedroht.

"Ich bin erleichtert, es geht mir gut"
Mit einem erleichterten Lächeln im Gesicht bedankte sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung händeschüttelnd nicht nur bei seinen Verteidigern, sondern auch bei den drei Berufsrichtern und der Staatsanwältin. "Ich bin erleichtert, es geht mir gut", sagte Wihan nach Prozessende.

Er wisse zwar, dass er auf dem Gebiet der Medizin gut sei, hinsichtlich von Depressionserkrankungen habe er jetzt viel gelernt, gestand der pensionierte Lungenfacharzt. "Wenn man einen Menschen lange kennt, wird man von ihm eingelullt." Deshalb glaube er, dass im Fall der befreundeten Flachgauerin die Urteilsfähigkeit eingeschränkt war. Aber er habe richtig gehandelt: "Ich bin froh, dass ich das (die Verabreichung der Injektion, Anm.) gemacht habe. Es war richtig".

Doch wenig später schränkte Wihan ein, was richtig sei oder nicht, wisse man nie - auch nicht die volle Wahrheit. Schließlich konnte er seine Emotionen nicht mehr ganz verbergen: Seine Augen füllten sich mit Tränen als er meinte, das Martyrium, als Mörder angeklagt zu sein, sei für ihn erträglich gewesen, nicht aber für seine Familie. "Die hat es schwer gehabt." Für eine Legalisierung aktiver Sterbehilfe in Österreich will sich der langjährige Arzt nicht weiter einsetzen. "Dazu bin ich nicht der richtige Typ."

Patientin zum Tatzeitpunkt "nicht in stabiler Phase"
Staatsanwältin Elvira Gonschorowski-Zehetner hatte an der Mordanklage festgehalten. Sie berief sich in ihrer Argumentation auf das psychiatrische Gutachten des Grazer Universitätsprofessors Peter Hofmann: Die Frau aus Obertrum "litt über Jahrzehnte hindurch an einer Depression. Dabei handelt es sich nicht um Gemütsschwankungen, sondern um eine Krankheit. Typisch für das Krankheitsbild ist der Wunsch zu sterben. Hofmann sagt, aufgrund dieser Erkrankung konnte sie keinen freien Sterbewillen bilden." 

Dass die 70-Jährige krank im Sinne einer Depression gewesen sei und deshalb das Leben nicht mehr lebenswert empfunden habe, "hat Wihan gewusst", so Gonschorowski-Zehetner. Auch dass es ihr immer wieder besser gegangen sei, wenn der Angeklagte, andere Freunde oder Verwandte sich mit ihr getroffen und sie dabei aufgeheitert hätten. "Im Juni 2006 war sie subjektiv unglücklich, man hat ihr das seelische Rückgrat gebrochen, weil der Sohn sie erst zwei Wochen nach ihrem Geburtstag besuchen wollte", zitierte die Staatsanwältin Aussagen aus dem Beweisverfahren. "Da befand sie sich nicht in einer stabilen Phase." Doch bis dahin hätten sie nahestehende Menschen immer wieder davon herausholen können.

Der Angeklagte hat im Prozess gemeint, er hätte alle Mittel ausgeschöpft, um die langjährige Freundin von der Tat abzuhalten. Diese Ansicht vertrat die Staatsanwältin nicht. "Das Mindeste wäre gewesen, einen Allgemeinmediziner zu rufen. Man kann Personen einweisen und einer Behandlung zuführen. Depressionen sind behandelbar. All das hat Wihan unterlassen." Im Bewusstsein, dass die Frau an einer Depression leide, habe er ihren Tod durch eine Mischintoxikation von Tramadol und Methadon herbeigeführt. "Ist das ein Helfen? Ich glaube es ist etwas anderes: Die Frau konnte keinen Sterbewillen bilden, Wihan wusste davon und war bereit, sie zu töten."

Das Beweisverfahren habe eindeutig die Schuld des Angeklagten ergeben, meinte Privatbeteiligtenvertreter Kurt Jelinek. Es gehe nicht um das Lebenswerk des Arztes, sondern um die Sterbehilfe. Dazu müsse man eine Kommission und Gutachten herbeiführen und die Familie einbinden. Letztendlich werde dem Sterbewilligen ein Getränk gegeben, das er selbst nehme. Wihan, der einen ärztlichen Eid geleistet hatte, habe eigenmächtig gehandelt. "Er spielte Gott."

Privatbeteiligtenvertreter sieht Geldnot als Motiv
Ein Motiv, das Wihan nach eigenen Angaben fehlte, will der Rechtsvertreter des Sohnes der Verstorbenen aber sehr wohl erkannt haben: "Seine finanzielle Situation war schlecht. Er hatte einen Hausumbau, keine Einnahmen und aufgrund eines Verkehrsunfalls mit einem geborgten Porsche eine Rechnung über 19.000 Euro erhalten." Nach der Tat habe der Arzt ein Kuvert mit 27.000 Euro von der Verstorbenen mitgenommen und es dann im Garten versteckt, bis er es schließlich der Polizei übergab, so der Rechtsanwalt.

Jelinek warf dem Angeklagten vor, mehrmals gelogen zu haben. Seine Angaben, er hätte die Injektion in den Arm gespritzt, stimmten laut gerichtsmedizinischem Gutachten nicht. Die Spritzen seien in den Unterschenkel, das Sprunggelenk und den Fuß gesetzt worden. Es habe sich auch nicht um Morphium, sondern um Tramadol und Methadon gehandelt. Und die Rufdatenauswertung habe ergeben, dass nicht nur die Flachgauerin Wihan, sondern er selbst die Frau immer wieder angerufen habe. "Wenn er kein Motiv hatte, hätte er sie umstimmen müssen." Der Anwalt forderte ein Teilschmerzensgeld in der Höhe von 5.000 Euro.

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