Wegen Uni-Test

Türkei verschiebt Sommerzeit-Beginn – Chaos befürchtet

Ausland
23.03.2011 13:56
In der Türkei könnte das Leben in den kommenden Tagen etwas turbulent werden. Die Umstellung von der Winter- auf die Sommerzeit steht an, und normalerweise schließen sich die in die EU strebenden Türken in dieser Beziehung den Europäern an. Außer in diesem Jahr: Statt in der Nacht auf Sonntag stellt Ankara die Uhren erst in der Nacht auf Montag um. Damit soll ein Durcheinander bei einem Uni-Zugangstest vermieden werden. Doch nun droht das Chaos für den Rest des Landes umso größer zu werden. Indes stellt Russland seine Uhren überhaupt zum letzten Mal um.

Das Motiv für die Entscheidung der Regierung in Ankara, die Zeitumstellung um 24 Stunden auf die Nacht auf Montag zu verschieben, ist durchaus honorig: Hunderttausende potenzielle Studenten unterziehen sich am Sonntag der ersten Stufe einer landesweiten Prüfung, die über den Hochschulzugang entscheidet.

Viele Familien setzen darauf, zumindest ein Kind auf die Uni schicken zu können, weil ein Hochschulabschluss als sicherer Weg in den Wohlstand gilt. Seit Monaten bereiten sich die Schüler in privaten Schulen auf den großen Tag vor. Eine Zeitumstellung wenige Stunden vor Beginn der Prüfung brächte laut der Regierung das Risiko, dass Zehntausende Schüler zu spät kämen und vom Test ausgeschlossen würden.

Keine Info-Kampagne der Regierung
Daher ordnete das Kabinett kurzerhand die Verschiebung an. Groß diskutiert wurde nicht, weshalb sich jetzt Widerstand regt. "Schüler und Angehörige mögen froh sein, aber die Wirtschaft ist besorgt", kommentierte sogar das regierungsnahe Blatt "Zaman". Die Öffentlichkeit wurde lediglich über Zeitungsmeldungen in Kenntnis gesetzt, eine Informationskampagne oder gar Absprachen mit der Wirtschaft hielt die Regierung nicht für nötig.

Die Hast der Entscheidung und der Mangel an Aufklärung könnten sich als schwere Fehler erweisen. "Mindestens ein halbes Jahr" vor dem Tag X hätte die Verschiebung der Sommerzeit beschlossen werden müssen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, erklärte der Verband der türkischen IT-Unternehmen. Schließlich seien viele elektronische Systeme auf den bisher gängigen Umstellungszeitpunkt eingestellt. Einige Experten erwarten massive Probleme im Reiseverkehr sowie bei Paketdiensten und bei Geldüberweisungen per Internet.

Fluggesellschaften warnen Kunden
Wie alle Bürger und Institutionen im Land wurden auch die türkischen Fluggesellschaften von der Verschiebung der Sommerzeit überrascht. Marktführer Turkish Airlines warnt seine Kunden nun vor möglichen Problemen am Sonntag und rät den Passagieren, zwei bis drei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein. Doch es wird befürchtet, dass viele Kunden nicht wissen, wann dies nun genau ist - denn die Abflugzeiten auf Tickets, die vor dem 14. März verkauft wurden, richteten sich noch nach der konventionellen Sommerzeit.

Nicht nur Turkish Airlines ist nervös, die Luftfahrtbehörde gab ebenso eine Warnung heraus. Erst zwei Wochen nach dem Kabinettsbeschluss vom 1. März fiel dann auch dem Verkehrsministerium auf, dass die Verschiebung des Sommerzeit-Beginns ernste Folgen haben könnte. "Besonders Finanzwirtschaft, Banken, Verkehr und Kommunikation müssen Vorkehrungen treffen", teilte das Ministerium mit, für welches das Thema damit erledigt war.

Ein Telekommunikationsverband forderte bereits, die Verschiebung der Umstellung wieder rückgängig zu machen und die Türken wie gewohnt zusammen mit dem Rest Europas in der Nacht zum Sonntag in die Sommerzeit zu schicken. Das sei wegen der andernfalls drohenden Risiken unbedingt nötig. Doch ein solcher Schritt würde wohl für noch mehr Chaos sorgen, weil dann endgültig niemand mehr wüsste, welche Stunde es in der Türkei eigentlich geschlagen hat.

In Russland künftig immer Sommerzeit
Unterdessen schafft Russland als größtes Land der Erde nach 30 Jahren die Zeitumstellung vollkommen ab - und beendet damit die Debatte über Vor- und Nachteile dieser Praxis. Mit dem dauerhaften Übergang zur Sommerzeit am Sonntag ende der Stress, versprach Präsident Dmitri Medwedew am Mittwoch.

Bereits im Februar hatte Medwedew verfügt, dass Russland im Herbst nicht mehr zur Winterzeit übergehen wird. Er dreht damit nach einer Reduzierung der Zeitzonen von elf auf neun in dem Riesenreich erneut am Uhrzeiger - vor allem, weil der Zeitenwechsel laut russischen Wissenschaftlern ohnehin kaum Energie einspare. Einer Umfrage zufolge unterstützen 60 Prozent der Russen die Änderung.

Experten orten wirtschaftlichen Nachteil
Kritiker aber halten die Uhrzeiger-Politik des Kreml für kurzsichtig. Der Wegfall der Winterzeit erhöht den Zeitunterschied etwa zu Deutschland, dem wichtigsten Wirtschaftspartner in der EU, von zwei auf dann drei Stunden. Während etwa Georgien, eine andere Ex-Sowjetrepublik, schon lange seine Uhren so eingestellt habe, dass es näher an den Geschäftszeiten im Westen ist, gehe Russland den entgegengesetzten Weg, wird argumentiert. Experten meinen, dass ein größerer Zeitunterschied zum Westen in den Wintermonaten die wirtschaftliche Zusammenarbeit erschwere - finanzielle Verluste inbegriffen.

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