Aus für Pseudonyme?

Anonymität im Netz von allen Seiten unter Beschuss

Web
08.08.2011 12:05
Erst Google+ mit seinem Zwang zum Klarnamen, dann Randi Zuckerberg und jetzt auch noch der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich: Internetkonzerne und Politik sprechen sich derzeit immer offensiver für eine Aufhebung der Anonymität im Internet aus. Datenschützer fürchten indes die Konsequenzen, die eine solche Offenlegung der Identität im Netz mit sich bringen könnte.

Wer sich im Internet hinter einem Pseudonym versteckt, der führt meist nichts Gutes im Schilde – dieser Auffassung ist zumindest Randi Zuckerberg, Schwester von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Auf einer Podiumsdiskussion vergangene Woche plädierte sie daher für eine Abschaffung der Anonymität im Web. "Die Leute benehmen sich viel besser, wenn sie unter ihren echten Namen im Internet unterwegs sind", argumentierte die seit wenigen Tagen ehemalige Marketingchefin des weltweit größten sozialen Netzwerks.

Deutscher Innenminister fordert Ende der Anonymität
Mit ihrer Meinung ist sie inzwischen nicht mehr alleine. Auch der deutsche Innenminister Friedrich fordert ein Ende der Anonymität im Internet. Zum Anlass nimmt der CSU-Politiker dabei die Anschläge in Norwegen: Politisch motivierte Täter wie jener von Oslo fänden im Internet "jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen", sagte Friedrich in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit dem "Spiegel".

Dem Minister zufolge sollten die Grundsätze der Rechtsordnung "auch im Netz gelten". Es stelle sich die Frage, warum radikalisierte Blogger ihre Identität nicht offenbaren müssten: "Sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce", kritisierte Friedrich und fordert, dass Blogger "mit offenem Visier" argumentieren sollten.

Proteste wegen Klarnamen-Zwang bei Google+
Dieser Auffassung war offenbar auch Google, als es zum Start seines neuen sozialen Netzwerks einen Zwang zum Klarnamen einführte. Wer sich dennoch unter einem Pseudonym anmeldete, wurde kurzerhand des Netzwerks verwiesen. Inzwischen verfährt Google mit Nutzern, die gegen diese Richtlinie verstoßen, zwar nicht mehr ganz so streng – statt eines direkten Rausschmisses gibt es nun zunächst eine Verwarnung -, die Proteste seitens der Nutzer flauen jedoch nicht ab.

Gute Gründe für Pseudonyme
Schließlich gibt es - abseits etwaiger Vorbereitungen für terroristische Anschläge - gute Gründe, sich hinter einem Pseudonym zu verstecken, weiß die Wissenschaftlerin und Microsoft-Mitarbeiterin Danah Boyd, die zu sozialen Netzwerken forscht. "Klarnamen-Regeln machen Menschen nicht stärker, sie sind eine autoritäre Machtausübung gegenüber verletzlichen Menschen", so Boyd. Ihr zufolge würden sich jene Menschen am häufigsten im Internet auf Pseudonyme verlassen, die von der Gesellschaft am meisten ausgegrenzt werden – darunter etwa Missbrauchsopfer, (politische) Aktivisten, Lesben oder Schwule.

Indem man Menschen davon abhalte, Pseudonyme zu benutzen, garantiere man keine Sicherheit, schreibt Boyd in ihrem Blog weiter. "Aber man schränkt die Sicherheit von Menschen ein, wenn man es tut." Die Hacktivisten von Anonymous haben dies bereits erkannt und kurz nach ihrem Rauswurf bei Google+, wo sich einige Mitglieder unter einem Pseudonym angemeldet hatten, die Entwicklung eines Netzwerks angekündigt, in dem sich Nutzer vollkommen anonym bewegen können sollen (siehe Infobox).

Abschaffung würde "massive Überwachung" voraussetzen
Wie wichtig es sei, auch unter Pseudonymen Beiträge im Internet veröffentlichen zu können, zeigten laut Lars Klingbeil auch die aktuellen Entwicklungen in Ländern wie Syrien oder Libyen. Der netzpolitische Sprecher der SPD reagierte damit am Montag in einem Bericht der "Berliner Morgenpost" auf den Vorstoß Friedrichs. Eine Umsetzung seiner Pläne würde laut Klingbeil eine "massive Überwachung" voraussetzen, "die viele Rechte im Internet stark einschränkt."

Kritik an Friedrichs Vorhaben gibt es auch seitens des Regierungspartners FDP, deren Medienexperte Burkhardt Müller-Sönksen die Forderung des Innenministers als "völlig illusorisch" bezeichnete. Man könne nicht Millionen Einträge mit einer Handvoll Mitarbeiter überwachen. Kommentare und Blogs seien im weltweiten Netz nicht kontrollierbar, so Müller-Sönksen.

"Internet Teil des öffentlichen Raums"
Ähnlich argumentierte auch der Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz. "Der Innenminister will die Anonymität im globalen Netz abschaffen, ist aber nicht einmal in der Lage, einen vernünftigen Datenschutz in Deutschland durchzusetzen. Das ist absurd", sagte der Abgeordnete der "Berliner Zeitung". Zudem sei das Internet Teil des öffentlichen Raums und die freie Meinungsäußerung dort von der Verfassung geschützt.

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