Die Hofburg-Wahl ist endgültig in ihrer heißen Phase angelangt. In insgesamt zehn Blitzduellen trafen die aussichtsreichsten Kandidaten am Donnerstagabend live im ORF-Hauptabendprogramm aufeinander - und dabei flogen die Fetzen. Besonderes Augenmerk lag auf dem vorletzten Duell zwischen FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen - für manche bereits die vorweggenommene Stichwahl. Darin ging es vor allem um den Heimatbegriff und den großen Abwesenden des Abends: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, als dessen "Marionette" Van der Bellen seinen Gegner bezeichnete.
Das Format des ORF-Polittalks erinnerte an Speeddating. Dabei sitzen einander Frauen und Männer paarweise gegenüber und haben wenige Minuten - in diesem Fall 15 - Zeit, um einander kennenzulernen. Nach Ablauf der Frist wird weitergerutscht und der nächste Single nimmt Platz. Bei "Die 2 im Gespräch" ging es freilich weniger ums Flirten und nicht ums Finden eines neuen Partners, sondern um das Amtsverständnis und auch die Bereiche Sicherheit, Weltbild sowie Gesellschaft. Besonders prominent vertreten war erwartungsgemäß das Flüchtlingsthema.
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Hundstorfer vs. Khol: Schlechte Umfragewerte und Geschichte
Diese beiden Kandidaten haben derzeit die schlechtesten Umfragewerte im Rennen um die Hofburg. Doch weder ÖVP-Mann Andreas Khol noch sein SPÖ-Gegenüber Rudolf Hundstorfer ließen sich davon beeindrucken. Khols nüchterne Analyse der Umfrageergebnisse der vergangenen Wochen und Tage: "Man soll keiner Umfrage glauben, die man nicht selbst in Auftrag gegeben hat." Hundstorfer schob dem Regierungspartner der Roten eine Mitschuld am schlechten Abschneiden bei den letzten Landtagswahlen in die Schuhe: "Die Situation wird zusätzlich erschwert dadurch, dass ein Koalitionspartner auf soziale Einschnitte besteht." Khol wies darauf hin, dass es sich bei der Hofburg-Wahl um eine Persönlichkeitswahl handle, Parteien also keine so große Rolle spielten.
Dann fuhr Khol schärferes Geschütz auf und übte heftige Kritik an Hundstorfers Zeit als Sozialminister. "Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr in der Regierung. Hundstorfer als Sozialminister hat seit zehn Jahren nicht die Vorschläge der Pensionistenvertreter, von Herrn Blecha und mir, umgesetzt." Hundstorfer ließ das nicht ganz gelten: "Sie wissen aber schon, wer der Finanzminister ist und wer in der Steuerreform das Sagen hatte."
Danach gab es einen Ausflug in die Geschichte Österreichs mit Fokus auf die Rolle während der NS-Herrschaft. Hundstorfer übte Kritik an der Aussage Khols vor wenigen Tagen, wonach Österreich ein "Opfer des Nationalsozialismus" gewesen sei. Khol präzisierte und wiederholte seine in dem ATV-Interview getätigte Aussage: "Ich habe gesagt, dass Österreich ein Opfer war, aber auch, dass es viele Täter in Österreich gegeben hat." Gegen Ende der Diskussion musste Moderatorin Marie-Claire Zimmermann Khol bremsen, damit Hundstorfer auch wieder das Wort ergreifen konnte.
Hofer vs. Van der Bellen: Streit um die "Heimat"
Die Frage, was die beiden Kandidaten unter dem Begriff "Heimat" verstehen, artete in gegenseitige Untergriffe aus. Hofer erinnerte an die Plakate der grünen Jugend vor Jahren mit dem Slogan: "Nimm ein Flaggerl für dein Gackerl". Er attestierte Van der Bellen deshalb ein Glaubwürdigkeitsproblem. Van der Bellen gab zu, dass der grüne Nachwuchs "einen großen Mist" gemacht habe, doch den "Heimat"-Begriff, den er nun auf seinen Wahlplakaten benützt, wollte er sich nicht nehmen lassen. Van der Bellen: "Mir sprechen Sie meine Heimat aber nicht ab, oder?" Hofers Konter: "Aber dass Sie nun Heimat plakatieren, ist nicht glaubwürdig." Van der Bellen: "Der Herr Hofer will Heimat für sich monopolisieren."
Es wurde aber noch heftiger, als Van der Bellen Hofer vorwarf, "eine Marionette von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache" zu sein. Der ehemalige Grünen-Bundessprecher bezweifelte, dass die österreichischen Wähler tatsächlich eine blaue Macht-Zusammenballung wollten. Hofer wiederum pochte auf die demokratische Grundregel, wonach die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen sei.
Griss vs. Hofer: Wehrpflicht vs. Berufsheer
Wie soll das Bundesheer in Zukunft aussehen? Das war die erste zentrale Frage bei dieser Begegnung. Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss, die bei der Volksbefragung selbst für ein Berufsheer gestimmt hatte, will als mögliche oberste Befehlshaberin zunächst einmal analysieren, welche Aufgaben das Heer erfüllen muss. Erst danach würde sie in die Entscheidungs- und Investitionsphase gehen. Hofer, der seine Wehrdienstzeit genossen hatte, will an der Wehrpflicht festhalten und möchte das "Aushungern" des Heeres beenden. Die wichtigsten Aufgaben bestehen laut Hofer derzeit im Katastrophenschutz und im Assistenzeinsatz.
In der Frage, wie es mit der Hypo-Bad-Bank Heta weitergehen soll, sagte Griss: "Ich finde, dass man ein Bundesland nicht in Konkurs gehen lassen kann. Es muss alles getan werden, dass man eine Lösung findet." Griss schlug vor, weiter mit den Gläubigern zu verhandeln. Hofer kritisierte zum wiederholten Mal die aus seiner Sicht nicht notwendige Notverstaatlichung. Griss korrigierte hier, denn aus ihrer Sicht wäre das Land Kärnten durch die Landeshaftungen so oder so "drangekommen".
Van der Bellen vs. Hundstorfer: Was ist aus der SPÖ geworden?
Hundstorfer startete, bezugnehmend auf die Entscheidung Van der Bellens nach der Wiener Landtagswahl im Jahr 2010, trotz eines guten Ergebnisses bei den Vorzugsstimmen im Nationalrat geblieben zu sein, untergriffig. Das sei aus seiner Sicht "Wählertäuschung". Van der Bellen betonte, dass er im Jahr 2012 dann doch in den Landtag gewechselt sei.
In der Flüchtlingsfrage sagte Hundstorfer zwar, dass die schärferen Kontrollen am Brenner "das Letzte" seien, aber gleichzeitig betonte der SPÖ-Kandidat, dass auch die deutschen Behörden am Walserberg ähnliche Kontrollen durchführen. Hundstorfer sah das nüchtern: "Nichts anderes wird am Brenner passieren." In puncto Arbeitslosigkeit und Flüchtlingskrise fragte sich Van der Bellen, was aus der SPÖ geworden sei, in der er vor Jahrzehnten Mitglied gewesen war. Hundstorfer wies darauf hin, dass unter Kanzler Bruno Kreisky nicht so viele Flüchtlinge in Österreich zu versorgen gewesen seien. Außerdem gebe es in der Arbeitslosenfrage auch positive Entwicklungen: "Bei den Jugendlichen gibt es sinkende Zahlen", so Hundstorfer, der Van der Bellens Kritik an der "Notstandsermächtigung" beim neuen Asylgesetz nicht gelten ließ. Schließlich gebe es nun eine - wenn auch kurze - Begutachtungsfrist.
Khol vs. Griss: Wer kann überparteilicher agieren?
Bei diesen Kandidaten ist eines klar: Sie wissen um die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des höchsten Staatsamtes Bescheid. Griss stellte gleich zu Beginn des Duells fest, dass sie eine Freiheit und Ungebundenheit in der Hofburg hätte wie sonst niemand: "Ich kann das sagen, was ich möchte, muss mich nach niemandem richten, muss keiner Partei dankbar sein, dass sie mich unterstützt. Wenn ich Bundespräsidentin werde, kann ich völlig frei von Parteiloyalitäten entscheiden." Khol sagte daraufhin, dass auch er überparteilich entscheiden und agieren könne. Schließlich habe er das auch als Nationalratspräsident lange Jahre unter Beweis gestellt.
Im zweiten Teil des Duells ging es um das Multi-Organ-Versagen bei der Hypo Alpe Adria. Khol streute Griss Rosen für ihre "hervorragende" Arbeit und stimmte allen Ergebnissen des Griss-Berichts zu. Allerdings gab sich der ÖVP-Kandidat auch als Verteidiger der früheren schwarz-blauen Bundesregierung. Die einzige Mitschuld von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und seiner Regierungsmannschaft sei gewesen, dass man die Haftungsübernahmen des Landes Kärnten für die in wirtschaftliche Turbulenzen geratene Bank nicht beanstandet habe.
Hofer vs. Hundstorfer: Es wird persönlich
"Hunderttausende Menschen haben im Vorjahr unregistriert unser Land betreten", warf Hofer seinem Gegenüber Hundstorfer zum Einstieg entgegen. Er hätte die Regierung in dieser Situation entlassen, wiederholte der FPÖ-Kandidat, die aktuelle Regierung habe das Vertrauen der Bürger "längst verloren". Hundstorfer: "Das ist eine Chaostheorie", die "wahre Intention" Hofers sei es, die Gesellschaft zu spalten.
Als "verzweifelt und deprimiert" bezeichnete Hofer seinen Mitbewerber und wurde damit als erster Kandidat des Abends persönlich. Vor wenigen Wochen habe er Hundstorfer noch als "fröhlich" erlebt. "Wir hatten noch nie eine so schwache Regierung", begründete Hofer den Umstand, dass im Wahlkampf so häufig die Frage auftaucht, unter welchen Bedingungen der Bundespräsident das Kabinett entlassen würde. "Sehr komplexe Herausforderungen" ortete Hundstorfer in der gegenwärtigen Lage und verwies seinerseits auf die Zeit von Schwarz-Blau, in der regelmäßig Tausende Menschen auf die Straße gegangen seien, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Das sei aktuell nicht der Fall.
Khol vs. Van der Bellen: Starker Staat gegen den Terror
Was tun gegen den wachsenden Extremismus in Europa? ÖVP-Kandidat Khol verglich die Schauplätze der jüngsten Großattentate miteinander: "Paris: starker Staat, weitere Terrorangriffe abgewehrt. Brüssel: schwacher Staat" und damit Keimzelle des Islamismus. Die Menschen seien von der "Ohnmacht des Staates" betroffen und würden sich Antworten erwarten. Es gebe "natürlich" einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und dem "unkontrollierten Betreten" von EU-Territorium, so Khol, der Van der Bellen als "Anhänger der Willkommenskultur" bezeichnete - was dieser prompt in Abrede stellte.
Er finde es "furchtbar, ausgerechnet den Brenner zur Festung Europas auszubauen", so der Tiroler Ex-Grünen-Chef über die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung in der Flüchtlingskrise. Schließlich habe es "80 Jahre gebraucht, die Grenze zu öffnen". Auch sein engerer Landsmann Khol sprang auf das Thema auf: Für ihn habe der Brenner eine "traumatische Bedeutung", verwies der ÖVP-Kandidat auf die Flucht von Süd- nach Nordtirol in seiner Kindheit. Es gehe ihm "sauschlecht", wenn der Brenner wieder geschlossen werde, jedoch könne man das "Scheunentor" in der gegenwärtigen Situation auch nicht offen lassen. Die Italiener müssten die "Kultur des Durchwinkens" aufgeben und eine ähnliche Politik verfolgen wie derzeit die Griechen (Stichwort Hotspots).
Hundstorfer vs. Griss: Richten oder schlichten?
"Politik heißt gestalten", sagte Hundstorfer zum Einstieg seiner Begegnung mit Griss. Diese sagte, sie sei von der Richterin zur "Schlichterin" geworden, gestaltet habe sie freilich in ihrer gesamten Karriere. "Wenn du nicht die Unterstützung einer Partei hast, tust du dir in Österreich viel schwerer", spielte Griss ihre Unabhängigkeitskarte aus. Sie habe kein Interesse daran, sich einer "Gesinnungsgemeinschaft" anzuschließen, gestalten könne man etwa auch im Familienleben.
"Die Parteiendemokratie steht in der Verfassung", konterte Hundstorfer. Die Pensionsreform, die Griss als "Stillstand" kritisiert hatte, bezeichnete der ehemalige Sozialminister wiederum als "ausreichend". Er sei "stolz darauf, dass im Vorjahr die Menschen neun Monate später in Pension gegangen sind und dass wir - bei all den Arbeitslosenzahlen - den höchsten Beschäftigtenstand haben, seit es dieses Land gibt". Würde er sein Porträt in den Klassenzimmern des Landes aufhängen lassen? - "Wenn ich lächle, schau ich ja sehr fesch aus", so Hundstorfer.
Hofer vs. Khol: Ein Präsident muss wissen, was er darf
Nach einem aggressiven Einstieg Hofers, der ankündigte, im höchsten Staatsamt kräftig umzurühren, sagte sein Gegenüber Khol, ein Präsident müsse wissen, was er könne und was er dürfe. Er bezeichnete sich als Teamplayer in Zusammenarbeit mit Kanzler und Bundesregierung und warf Hofer "Machtfantasien" vor: "Wollen Sie Regierungspräsident sein? Das ist dann die Dritte Republik!" Hofer darauf: "Bei TTIP entscheidet der Präsident über einen Staatsvertrag, hier kann er aus politischen Gründen sagen: 'Ich unterschreibe nicht.'"
Das umstrittene Abkommen würde Hofer nur absegnen, wenn es davor eine Volksabstimmung gibt. Wichtig sei ihm ebenso: "weg mit der Zweiklassenmedizin" sowie der Ausbau der direkten Demokratie. Khol süffisant darauf: "Das sind alles sehr schöne Ziele." TTIP würde er nicht unterschreiben, da die österreichischen Bauern gefährdet seien - "da brauch ich keine Volksabstimmung". Zum Asyl-Thema sagte Hofer, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, "die Sie (Khol, Anm.) so verehren", habe Europa "unendlich großen Schaden zugefügt, indem sie gesagt hat: 'Wir schaffen das.'" Khol lobte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, die unter anderem "die Balkanroute trockengelegt hat".
Griss vs. Van der Bellen: Was bedeutet unabhängig?
"Von keiner Partei unterstützt zu werden", das bedeute Unabhängigkeit für sie, sagte Griss zu Beginn ihres Aufeinandertreffens mit Van der Bellen - ein Seitenhieb auf die stets betonte Eigenständigkeit des langjährigen obersten Grünen im aktuellen Wahlkampf. Dieser konterte: "Die Unabhängigkeit hat eine Zwillingsschwester, und das ist die politische Unerfahrenheit. Für mich verkörpern Sie das." Jeder Beruf verlange eine Lehrzeit, aber das Bundespräsidentenamt biete dafür keine Gelegenheit.
Griss prangerte im weiteren Verlauf des ersten Duells das Parteiensystem an, dem sie fern stehe. Van der Bellen stieg darauf ein und sagte, er habe Verständnis für eine gewisse Politikverdrossenheit der Bevölkerung. Stichwort Geschlechtergleichstellung: Van der Bellen sagte augenzwinkernd, er könne "nichts dafür, dass ich ein Mann bin", und wartete mit einer Überraschung auf: Wenn Ex-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer noch am Leben wäre und kandidieren würde, hätte sie seine Unterstützung. Griss bezeichnete es als "Armutszeugnis für eine Partei", wenn sie Frauen nicht die gleichen Chancen wie Männern einräumt.
Nicht relevant: Lugner schenkte Freibier aus
Und Richard Lugner, der Sechste im Bunde der Hofburg-Anwärter? Der ORF hatte den Baulöwen zu den 15-Minuten-Konfrontationen nicht eingeladen, weil eine vom Küniglberg in Auftrag gegebene "Relevanzstudie" zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der 83-Jährige eben nicht relevant genug für die Diskussionsrunde sei. Lugner schäumte und schenkte aus Protest Freibier vor dem ORF-Zentrum aus.
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